Nach der Rüttgers-Schlappe in NRW nutzte SPD-Chef Olaf Scholz die Gelegenheit, gewagte Thesen aufzustellen.

Montag war "the day after", der Tag nach der Rüttgers-Schlappe. Zeit für Hamburgs SPD-Chef Olaf Scholz, eine Wahrheit per Mail zu verbreiten: "Das Wahlergebnis in NRW zeigt: Auch in Hamburg kann es der CDU passieren, dass sie bei der nächsten Wahl zehn Prozentpunkte verliert." Ach. Am nächsten Montag wünschen wir uns eine ähnlich gewagte These, zum Beispiel: "Morgen ist Dienstag."

Dienstag sollte der Tag des Senats sein. Bürgermeister Ole von Beust (CDU) und Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL) stellten die Kampagne vor, mit der Schwarz-Grün im Vorfeld des Volksentscheids über seine Schulreform "informieren" will. Politiker machen Werbung in eigener Sache - es gibt spannendere Termine für die Medien. Doch die Plakate, die Prominente bei ihrer Einschulung zeigen, waren dann eine Überraschung und überraschend pfiffig. Isabella Vértes-Schütter herzt ihre Schultüte, Schauspiel-Beau Kostja Ullmann zeigt sein Lausbubenlächeln, ein jungenhafter Carlo von Tiedemann mit Buch und Stulle auf der Faust kalauert, Hamburgs neue Schule werde bald "Schule in ganz Deutschland machen" - ein gewisser Stolz über den gelungenen Coup war Beust und Goetsch anzumerken. Kritische Fragen nach dem etwas knapp bemessenen Informationswert parierten beide relativ gelassen.

Doch was dem Bürgermeister und der Senatorin erkennbar nicht schmeckte, war die Person, die sich vis-à-vis platziert hatte: Walter Scheuerl. Dass der Sprecher der Reformgegner zur Verkündung der Senatskampagne erschien, entspricht seiner Chuzpe. Dass er sich unter die Journalisten mischte und dem Bürgermeister direkt gegenüber setzte, darf getrost als Provokation gewertet werden. Doch Scheuerl ging noch einen Schritt weiter - und meldete sich, um eine Frage zu stellen. So brav wie die Kinder auf den Plakaten des Senats. Dem "Lehrer" reichte es jetzt dennoch: Er dürfe ja gern bleiben, beschied ihn der LPK-Vorsitzende Jürgen Heuer, aber Fragen seien nur den Journalisten gestattet. Selbstverständlich war das dem Juristen Scheuerl nicht bekannt, doch da er schon mal da war und es zufällig alle mitbekommen hatten, gab er im Anschluss, noch unter den Augen der Schulsenatorin, gleich seine Sicht der Dinge zum Besten. Der Mann weiß, wie man auch ohne Amt und Mandat Aufmerksamkeit erzeugt.

Mittwoch war der Tag der Aufklärung. Erste Sitzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Elbphilharmonie. Es geht um die Kleinigkeit von 400 bis 500 Millionen Euro und die Frage, ob sich die Stadt von einem Baukonzern hat über den Tisch ziehen lassen. Darüber kann man schon mal acht Minuten brüten - so lange dauerte die Sitzung. In der Zeit klärten die Abgeordneten immerhin auf, wer ihr Vorsitzender sein soll - Peter Tschentscher (SPD) - und begingen ihrerseits einen Verstoß gegen die Geschäftsordnung der Bürgerschaft. Das ging so: Auf die Wahl von Jörg Hamann (CDU) zum Schriftführer folgte die von Horst Becker (GAL) zu seinem Stellvertreter. Das rief jedoch den Einspruch eines findigen Mitarbeiters der SPD-Fraktion hervor. Schriftführer und Stellvertreter müssten laut Geschäftsordnung derselben Fraktion angehören, erklärte er. Becker - gewählt ist gewählt - musste hochoffiziell seinen "Verzicht" auf das Amt bekannt geben, bevor Hamann seine Fraktionskollegin Brigitta Martens als Stellvertreterin vorschlug - unter Hinweis auf die in der CDU beliebte "Frauenquote". Nicht auszuschließen, dass die missglückte erste Wahl noch mal Gegenstand eines Untersuchungsausschusses wird.

Donnerstag war Vatertag. Für SPD-Fraktionschef Michael Neumann kam der recht ungelegen, denn beide gängigen Feiertagszeremonien kamen für ihn nicht infrage. Alkohol trinkt er grundsätzlich nicht, und mit seiner Tochter toben konnte er auch nicht. Am Wochenende war er beim Bau eines Baumhauses samt Leiter abgestürzt. Ergebnis: Bänderriss im Fuß und ein Haarriss im Finger - vier bis sechs Wochen Pause. Der Oppositionsführer trägt es mit Humor: "Kein Grund für den Senat, sich in Sicherheit zu wiegen." Mit Blick auf GAL-Fraktionschef Jens Kerstan, der im Herbst nach einem Fahrradsturz Monate mit Gipsarm herumlief, fiel ihm sogar eine politische Botschaft ein: "Noch etwas, was uns mit den Grünen verbindet." Vielleicht wird es einmal heißen, der Machtwechsel sei auf dem Krankenbett eingefädelt worden.

Am Freitag bewies auch die CDU-Fraktion Fähigkeit zu merkwürdigen Pressemitteilungen. Aus der Senatsantwort auf eine Große Anfrage ihres sozialpolitischen Sprechers Egbert von Frankenberg gehe hervor, dass in Hamburg "gerade einmal 13 Prozent" der Bevölkerung armutsgefährdet sind. Das sei weniger als in Berlin und Bremen und im Bundesschnitt, und daher folgert Frankenberg: "Die Antwort bestätigt, dass wir in Hamburg eine gute Sozialpolitik umsetzen, die darauf zielt, Armut effektiv zu bekämpfen." Na, dann ist ja alles in Ordnung. Ach ja: 13 Prozent der Hamburger Bevölkerung, das sind gut 230 000 Menschen.

Zum Schluss ein Ausblick auf die kommende Woche: Am Dienstag stellt Finanzsenator Carsten Frigge, gegen den wegen Beihilfe zur Untreue im Zuge der rheinland-pfälzischen CDU-Affäre ermittelt wird, die Steuerschätzung vor. Bemerkenswert ist das, weil einige Beobachter erwartet hatten, dass der angeschlagene CDU-Politiker den Auftritt vor den Medien lieber seinem Staatsrat überlassen würde. Damit niemand argwöhnt, der Senator würde seinen Amtsgeschäften nicht nachgehen, enthält der Terminkalender des Senats auch einen Hinweis, was Frigge am Mittwoch macht: "Jahresfinanzministerkonferenz". In Dresden, weit weg von Hamburg und Rheinland-Pfalz.

Ganz tapfer muss Kultursenatorin Karin von Welck (parteilos) sein. Nachdem die feingeistige Professorin, der der Senat aus Versehen auch die Verantwortung für den Sport übertragen hat, schon am Mittwoch 120 Minuten Europapokalfinale im Stadion ertragen musste, kommt es nächste Woche noch dicker. Am Montag gibt sie einen Senatsempfang zum 100-jährigen Bestehen des FC St. Pauli. Und am Dienstag geht es zum Jubiläumskick ans Millerntor: St. Pauli gegen Celtic Glasgow. Da geht's ordentlich zur Sache.