Kaum Verkäufe und dennoch viel zu tun. Unterwegs mit der Maklerin Nina Schulte-Schimonik – die Überraschendes berichtet.

Es ist ein Traum, von dem sich viele wohl gerade wegen der extrem gestiegenen Finanzierungskosten verabschieden: Ein heller großer Flur mit grün-weißem Fliesenspiegel führt über ein gepflegtes Treppenhaus in den fünften Stock eines Jugendstilhauses. Vorbei an großen weißen Holztüren mit „Welcome“-Schildern und Dekokränzen aus Trockenblumen, öffnet Nina Schulte-Schimonik die Tür zu einer Wohnung, die ihr vor ein paar Monaten binnen weniger Tage aus den Händen gerissen worden wäre, wie die Maklerin sagt.

Helles Licht strömt über das schöne Eichen-Mosaikparkett in den Flur des Zweizimmer-Traums in Eimsbüttel. Blickt man geradeaus, fällt der Blick auf eine weiße Einbauküche mit Echtholz Arbeitsplatte. Durch die Balken an der Decke wirkt es gleich wohnlich auf den 49 Quadratmetern.

Immobilien Hamburg: Kaufnachfrage geht zurück

„Gemütlich, oder?“, sagt Schulte-Schimonik, die einen karierten Blazer, leuchtend roten Lippenstift und lange blonde Haare trägt. Die 32-Jährige ist neben ihrer Maklertätigkeit zugleich Geschäftsführerin des Maklerbüros Möllerherm Immobilien und extra aus Hannover angereist. Für ihren Kundenstamm in Hamburg nehme sie die zweistündige Autofahrt aber gerne auf sich, sagt sie. Dies sei im Moment schließlich selten.

Und das, obwohl Möllerherm Immobilien derzeit knapp 30 Objekte in Hamburg im Angebot hat. Darunter auch die Zweizimmerwohnung in Eimsbüttel. Die Verkäufer, wohnhaft in Lübeck, hatten bereits zu Beginn des Jahres selbst versucht, das Objekt zu verkaufen. Weil sie aber über ein halbes Jahr lang keinen Käufer finden konnten, hätten die Verkäufer sich an Möllerherm Immobilien gewandt. Drei Wochen ist es nun her, dass Schulte-Schimonik „mit der Wohnung online gegangen ist“.

Kalender der Maklerin ist voller denn je

„Es lag definitiv am Preis“, sagt Schulte-Schimonik. Doch auch jetzt, nachdem die Maklerin die Verkäufer davon überzeugen konnte, den Kaufpreis um 100.000 auf 349.000 Euro zu senken, gebe es noch keinen konkreten Interessenten. Und damit merkt Schulte-Schimonik laut einer Umfrage des Immobilienverbands Deutschland IVD Nord etwas, das sich derzeit in ganz Norddeutschland zeigt: Die Kaufnachfrage nach Wohnimmobilien geht zurück.

Das sagen zumindest knapp 92 Prozent der 200 befragten Maklerbüros in Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. 60 Prozent sprechen sogar von einem „starken Rückgang“. Doch wer nun denkt, Schulte-Schimonik hätte deshalb weniger zu tun, der irrt. Im Gegenteil: Der Kalender der 32-Jährigen ist voller denn je. Doch wie kann das sein?

„Wir spüren die Zurückhaltung der Interessenten"

„Wir spüren natürlich die Zurückhaltung der Interessenten. Das ist ja auch absolut verständlich bei dem aktuellen Baufinanzierungszinssatz von knapp vier Prozent“, so die Maklerin. Daraus resultiere nun aber, so die Geschäftsführerin, dass die 32-Jährige und ihr Team sich noch intensiver um die Vermarktung der Wohnobjekte kümmern müssten. Und auch das trifft laut der IVD Nord Umfrage auf den Großteil der Branche zu. Trotz sinkender Nachfrage meldeten 54 Prozent aller befragten Maklerbüros einen Anstieg bei der Beratungsleistung an.

„Wir haben zwar das Glück, dass wir bereits auf allen gängigen Plattformen wie Instagram und Facebook vertreten sind und für jedes Objekt ein Exposé mit professionellen Fotos erstellen“, so Schulte-Schimonik. Doch auch Möllerherm Immobilien müsse sich bemühen, etwa durch zusätzliches Verteilen von Flyern in der Nachbarschaft oder durch die Zusammenarbeit mit anderen Maklern. „Wenn wir ein Objekt aus einer Gegend in unser Portfolio mitaufnehmen, in der normalerweise ein anderer Makler aktiv ist, sprechen wir die Kollegen mittlerweile einfach an.“

Dies sei bei Gewerbeimmobilien bereits lange Praxis. Wird das Objekt daraufhin verkauft, einigen sich die Makler auf einen Provisionsanteil, den Schulte-Schimonik auf den Verkauf eines Objekts erhebt. Aktuell liegt dieser bei insgesamt 6,25 Prozent des Kaufpreises.

Was aktuell die größte Herausforderung für die Maklerin ist

Jeder Interessent, den Schulte-Schimonik trifft, erhält eine weiße Papiertüte mit goldenen Henkeln. Darin enthalten sind neben dem Exposé unter anderem eine gelbe Quietscheente sowie ein Pfannenwender aus Holz. Der Pfannenwender trägt die Aufschrift „kompetenter Helfer“ und soll sinnbildlich für die Maklerin und ihr Team stehen. Doch es sind nicht nur potenzielle Käufer, die den Kalender der Maklerin füllen. Vielmehr sind es auch die Verkäufer, um die sich Schulte-Schimonik kümmert.

„Mindestens einmal pro Woche gebe ich allen Verkäufern ein Update, wie es um ihr Objekt steht.“ Da die Verkäufe sich momentan aber hinziehen, geht es oft auch um Strategieänderungen etwa durch Preisnachlass. Zwar sei es oftmals nicht einfach, die Verkäufer davon zu überzeugen, doch Schulte-Schimonik sei diesbezüglich „ganz ehrlich und straight“, wie sie sagt. „Am Ende hilft es niemandem, wenn sich der Verkauf unnötig in die Länge zieht. Aktuell ist die größte Herausforderung, einen adäquaten Startpreis zu finden.“

Das Büro Möllerherm habe herausgefunden, dass „je höher der Angebotspreis über dem berechneten Immobilienwert liegt“, desto niedriger wird am Ende der erlöste Verkaufspreis. Setze man den Preis hingegen von Anfang an unter dem aktuell berechneten Wert der Immobilie fest und werde anschließend ein Bieterverfahren durchgeführt, erziele man meist einen Verkaufserlös, der über dem Immobilienwert liege.

Immobilienmarkt ist in Bewegung

Das Preisproblem kennt auch Marianne Puls. Die 71-Jährige versucht bereits seit Januar das Einfamilienhaus ihrer verstorbenen Mutter in Groß Borstel zu verkaufen. „Beste Lage“ mit Garten und großzügigem Baumbestand, wie die Hamburgerin betont. Weil Puls bisher keinen Käufer finden konnte, hat sich die Hamburgerin schließlich an das Büro Möllerherm gewandt.

„Erst sind wir bei 980.000 Euro gestartet. Seit September sind wir aber bei 850.000 Euro“, sagt Puls. Zwar gebe es immer wieder Besichtigungen, doch einfach keinen Käufer. „Da wir drei Geschwister sind, wäre es zwar schön, diesen Preis zu erzielen. Ich bin aber Realistin und rechne nicht mit einer Besserung auf dem Markt in den nächsten Monaten.“

Für die Zurückhaltung bei den Käufern macht die IVD-Nord-Vorsitzende Anika Schönfeldt-Schulz verschiedene Faktoren verantwortlich – wie etwa steigende Finanzierungskosten, explodierende Energiepreise, zukünftige Klimaschutzauflagen, teure Bau-, Material- und Sanierungskosten, Fachkräftemangel und die Inflation. Zwar sei der Immobilienmarkt nach der Schockstarre im Februar und März in Bewegung. Doch seien aktuell sowohl Eigentümer, Kaufwillige, Mieter und Immobilienunternehmer gleichermaßen betroffen.

Situation birgt auch Chancen für Käufer

Sabina Kaiser, Leiterin der Hamburger Niederlassung des Baufinanzierers Interhyp sieht in der aktuellen Situation aber auch Chancen für Käufer: „Die Leistbarkeit von Immobilien ist aufgrund der gestiegenen Bauzinsen schwieriger geworden. Das hat sich auf die Nachfrage nach Immobilien ausgewirkt. Aber es eröffnet auch neue Chancen: Wir sehen, dass es wieder mehr Immobilienangebote gibt und auch wieder Preisverhandlungen möglich sind.“

Auch das volatile Zinsniveau sollten Interessenten nicht unbedingt negativ bewerten. Die Zinsen für zehnjährige Darlehen seien bereits von mehr als vier Prozent unter diese Marke gesunken. Zwar seien die Kaufpreise für Immobilien in Hamburg im dritten Quartal dieses Jahres mit 3,7 Prozent im Vergleich zum Vorquartal noch leicht gestiegen. Dies könnte laut Interhyp aber nur womöglich ein kurzfristiger Trend sein. Die Zahlen aus den ersten Wochen des vierten Quartals aus München, Hamburg und Berlin zeigten bereits, dass weitere Korrekturen nach unten wahrscheinlich sind.

Auch Stephan Busch, Gründer und Geschäftsführer der Immobilienfinanzierung Hamburg Finanz bleibt optimistisch: „Den Traum von den eigenen vier Wänden jetzt nicht weiterzuverfolgen, finde ich persönlich falsch.“ Nach der Finanzkrise 2008 habe es auch viel Aufregung auf dem Immobilienmarkt gegeben, zumal die Zinsen damals noch viel höher gewesen seien. „Auch wir merken eine Zurückhaltung bei den Käufern.“

Anfragen für große Finanzierungen bleiben aus

Anfragen für große Finanzierungen etwa über eine Million oder höher blieben derzeit komplett aus. Anfragen für Finanzierungen im mittleren Segment über 500.000 Euro hingegen seien zwar seltener als zuvor, dafür aber weitaus qualifizierter, so Busch. Von zehn Anfragen können wir neun bewilligen. Vorher waren es vielleicht sechs. „Die Kaufinteressenten setzen sich bereits frühzeitig viel stärker mit dem Thema Finanzierung auseinander und schlafen vielleicht auch noch einmal eine Nacht drüber.“

Schulte-Schimonik sieht in der aktuellen Situation und dem erhöhten Zeitaufwand aber auch etwas Positives: „Je länger wir mit den Verkäufern und Interessenten sprechen, desto mehr Vertrauen erhalten wir.“ Und das sei in der aktuellen Situation wichtiger denn je.