Es ist ruhig im “Einkaufsdorf Klein Borstel“. Zum Verlieben, finden die Bewohner.

Hamburg. Früher spielten hier die Kleinen in Kornfeldern, heute wandern sie wie Ameisen zur Schule. Morgens herrscht in der Stübeheide Ausnahmezustand. Kurz vor Schulanfang, wenn Schüler aus allen Richtungen zur Albert-Schweitzer-Schule an der Ecke Schluchtweg radeln, zu Fuß vom S-Bahnhof Kornweg kommen oder von ihren Eltern aus anderen Stadtteilen herkutschiert werden, gleicht die Stübeheide einer Ameisenstraße. Damit nichts passiert, dürfen Autos die Straße morgens teilweise nur in eine Richtung befahren. Um acht Uhr ist die "Rushhour" vorbei, und die Stübeheide in Klein Borstel verwandelt sich wieder in die friedliche Straße, die sie eigentlich ist. Dann prägen Mütter mit Buggys und Kleinkindern das Straßenbild, die auf dem Weg zur Kita der Maria-Magdalenen-Kirche sind, oder Hausfrauen, die im sogenannten "Dorf" einkaufen gehen. Damit bezeichnen die Klein Borsteler die zahlreichen Geschäfte, die sich an der Ecke Stübeheide/Tornberg angesiedelt haben, und auf die unten an der Wellingsbütteler Landstraße sogar ein Straßenschild mit den Worten "Einkaufsdorf Klein Borstel" hinweist. In den kleinen, charmanten Backsteinbauten aus den 50er-Jahren gibt es Bäcker, Bio-Hofladen, Apotheke oder Gemüsemann, Eisdiele und ein italienisches Restaurant.

Ein "Dorf" ist Klein Borstel aber auch in Sachen Nachbarschaft. Vor den Geschäften, vor Kita, Schule und überall entlang der eineinhalb Kilometer langen Straße nutzen die Bewohner jede Gelegenheit zu einem kleinen Plausch. Dieser Atmosphäre wegen ist der Ortsteil von Ohlsdorf so beliebt. Bei jungen Familien begehrt sind vor allem die 1936 erbauten Häuser der Frank'schen Siedlung. In der denkmalgeschützten, rund zwölf Hektar großen Anlage gibt es 545 winzige Backsteinreihenhäuschen, die mit ihren Sprossenfenstern und den gepflegten Rosenrabatten in den Vorgärten aussehen wie aus dem Bilderbuch.

In der Stübeheide Nummer 140 wohnen seit fünf Jahren Christiane und Ole Angerer. "Wir haben uns in die Siedlung verliebt, als wir im Juni 2004 zufällig hier durchgefahren sind", sagt Christiane Angerer (37). Damals wohnten sie und ihr Mann Ole (35) in Namibia. Wegen ihres Babys, das Ende des Jahres geboren werden soll, wollten die beiden zurück nach Hamburg ziehen. Auf ihrem Weg durch die Stübeheide kamen sie an einem Häuschen vorbei, das zum Verkauf angeboten wurde. "Innerhalb von 24 Stunden haben wir es dreimal angeschaut, dann war unsere Entscheidung gefallen", erinnert sich die Klein Borstelerin.

Ende August zogen die Angerers nach Hamburg, entkernten und renovierten ihr neues Heim und zogen im November, drei Wochen vor der Geburt von Lasse (heute 4), ein. Mittlerweile hat der Blondschopf Verstärkung von Schwester Jule (1) bekommen, demnächst erwartet die Familie ihr drittes Kind. "In der Nachbarschaft gibt es viele Kinder aller Altersstufen, dadurch ist es hier sehr lebendig", sagt Christiane Angerer. Doch nicht nur das schätzt sie an der Stübeheide, auch die unmittelbare Nähe des Alstertals, der Geschäfte und die der schräg gegenüberliegenden Albert-Schweitzer-Schule. Schule und Frank'sche Siedlung liegen im mittleren Teil der sanft ansteigenden Stübeheide. Unten, zur Wellingsbütteler Landstraße hin, säumen Villen, größere Reihen- und kleine Doppelhäuser die Straße. Im oberen Teil, nahe der pittoresken Maria-Magdalenen-Kirche, stehen große Einfamilienhäuser, die in den 20er-Jahren als erste Gebäude an der Stübeheide gebaut wurden. Eines von ihnen ist das Geburtshaus von Peter Schründer (83), der noch heute hier wohnt. Als Kind hat er auf den Kornfeldern gegenüber gespielt, die später der Frank'schen Siedlung zum Opfer fielen. Sein Protest wurde damals nicht gehört.

Erfolgreicher waren Schründer und Nachbarn jedoch ein paar Jahrzehnte später, als sie mit medienwirksamen Kundgebungen die Schließung einer Post-Filiale verhinderten. Auch in der Zeit danach erwiesen sich die Klein Borsteler als streitbar: etwa, als sie massiv und jahrelang gegen die Bebauung des Anzuchtgeländes des Friedhofs Ohlsdorf demonstrierten oder gegen die Errichtung eines Mobilfunksendemastes mitten im Dorf protestierten. Mit geteiltem Erfolg: Auf dem Grundstück der Gärtnerei ist eine neue Siedlung entstanden, und der Sendemast ragt ungerührt hinter dem Bahnhof Kornweg empor.

Von den Protesten gegen Bebauung und Mast übrig geblieben sind nur ein paar Banner, die aus den Fenstern einiger Häuser entlang der Stübeheide hängen - dieser eigentlich doch sehr friedlichen Straße.

4. September: Beseler Straße (Othmarschen)

7. September: Strandweg (Blankenese)