Einst wurden hier Angeln und Wattwürmer verkauft, jetzt Kunst, Schmuck und Kimonos. Und bei Enzo schlemmen Klitschkos und HSV-Spieler.

Hamburg. Auf diese Straße kommen die meisten eher zufällig. Touristen auf ihrem Weg zwischen Jungfernstieg und Michel. Hamburger auf dem Weg zum Großneumarkt. Und Geschäftsleute aus den umliegenden Büros auf der Suche nach einem günstigen Mittagstisch. Obwohl die Wexstraße in direkter Verlängerung zu den Großen Bleichen liegt, ist sie alles andere als eine Flaniermeile.

Auf den ersten Blick. Wer jedoch einmal den Weg in die größtenteils mit Kopfsteinpflaster bedeckte Straße in der Neustadt gefunden hat, möchte sofort einen Einkaufsbummel machen: Angefangen bei dem Atelier für Glaskunst, durch den Designerladen für Schmuck, Mode, Möbel und Accessoires schräg gegenüber, bis in das Geschäft mit japanischen Kimonos im vorletzten Haus auf der linken Seite. Denn in dem hinteren Teil der kleinen Straße, die so unscheinbar mit Bürogebäuden, Drogeriemarkt und einem Parkplatz beginnt, verbirgt sich eine blühende Künstlermeile.

"Die Wexstraße lockt immer mehr Kreative aus der ganzen Stadt an", sagt Katrin Arp. "Seit ein paar Jahren herrscht ein regelrechter Andrang." Vor vier Jahren eröffnete die Goldschmiedin aus St. Georg das Place in der Hausnummer 33, in dem sie neben selbst entworfenem Schmuck mundgeblasene Vasen aus Schweden, Tischsets aus dem Papiergewebe Shifu, Serviettenringe aus Berliner Holz, Taschen aus Segeltuch sowie Stücke von Designern, die bei ihr Ladenfläche gemietet haben, verkauft.

Katrin Arp ist Teil eines Wandels in der Wexstraße, bei dem Traditionsgeschäfte von Galerien und Manufakturen abgelöst werden. So wie der kultige Anglerladen "1000 Angeln", bei dem bis vor Kurzem frische Wattwürmer vorbestellt werden konnten. Kommenden Sonnabend feiern in den renovierten Räumen im Haus Nummer 28 die Glaskünstlerin Sybille Homann (42) und die Schmuckdesignerin Anne Zimmer (41) Eröffnung ihres Ladenateliers "Kunst und Gemüse". Oder wie das urige Feinkostgeschäft Rüdiger Horn von 1932, hinter dessen Theke seit einem Jahr Kissenbezüge, Geschirrtücher und Flaschenhussen der Siebdruckkünstler Meike Marie Buchholz (39) und Jörg Vogt (38) von "Frohstoff" liegen. Und auch in die ehemalige Fischhandlung an der Ecke Brüderstraße zieht demnächst ein Inneneinrichtungsgeschäft.

"Das Besondere ist, dass wir hier mitten in der Innenstadt unsere Werkstätten haben können", sagt Homann. "In Ottensen oder Eppendorf ginge das gar nicht - da meckern die Nachbarn ja schon, wenn es lauter ist als ein Telefon." An der Wexstraße hingegen ist dieses Konzept gewollt. Das städtische Wohnungsunternehmen Saga/GWG nimmt extra günstige Gewerbemieten - anders als in der Schanze oder im Karoviertel, wo das Duo Homann und Zimmer zuvor seinen Laden hatte. Zudem komme mit den Touristen und dem Bürovolk eine ganz andere - kaufkräftigere - Klientel.

Trotz des frischen Windes hat die 1867 von den Brüdern Friedrich und Ernst Wex angelegte Straße nichts von ihrem Charme eingebüßt. Die zum Teil zerbombten und wieder aufgestockten Altbauhäuser haben zwar leicht ergraute, aber trotzdem wunderschöne, stuckverzierte Fassaden. Und wer genau hinsieht, entdeckt an den Häuserwänden liebevolle Details wie den gläsernen Hahnenkopf des Neustädter Grills oder die schwarze Katze, die an Hausnummer 42 zum Sprung ansetzt.

Doch auch die Innenräume wurden von den neuen Mietern meist so saniert, dass die alte Bausubstanz erhalten blieb. So wie die mühsam freigelegten Stuckdecken im Anglerladen, die rot-weißen Kacheln und der zur Umkleidekabine umfunktionierte Kühlraum des Feinkosthändlers.

Alteingesessene und kreative Neulinge wachsen in der Wexstraße zusammen. Die bei Promis wie den Klitschko-Brüdern, Ralf Bauer, Roger Federer und den HSV-Spielern beliebte "Trattoria Da Enzo" und das asiatisch angehauchte Modeatelier "Freier Fall". Petras Friseursalon "Kamm in" und die "kulturreich Galerie". Das Tattoo-Studio "Burning Needles" und der japanische Mode- und Accessoireladen "Akiko".

"Hier vermischt sich hanseatische Atmosphäre mit internationalem Flair", sagt die gleichnamige Besitzerin Akiko Probst. Seit fünf Jahren wohnt und arbeitet die 32 Jahre alte Mutter von zwei Kindern ganz bewusst in der Wexstraße, weil sie dort ein "Lebensgefühl wie in Spanien" habe, wo sie zuvor gelebt hat. "Die Menschen hier gehen aufeinander zu, essen zusammen in einem der Cafés an der Straße zu Mittag und unterstützen sich geschäftlich", sagt Probst. "Diese Straße ist wie eine kleine Insel."

Leider läuft es in der Wexstraße trotz des Zusammenhalts der Nachbarn nicht für jeden so gut. So mancher Cafébetreiber oder Ladenbesitzer versuchte in den vergangenen Jahren sein Glück - und musste mangels Laufkundschaft wieder schließen. Dazu zählt auch Hamburgs erste Joghurteria, die sich nur rund eineinhalb Jahre im Haus Nummer 31 halten konnte.

Vielleicht wird auch das sich eines Tages wandeln. Wenn die meisten nicht mehr nur durch Zufall in die Wexstraße kommen.

Nächste Woche: Nienstedtener Straße