Zwischen Eppendorfer Weg und Bismarckstraße fühlen sich viele Bewohner wie auf einer Insel der Seligen - sie lieben die historische Roonstraße.

Hamburg. Wenn nur die Parkplatznot unter den ungeliebten Linden nicht wäre. Und überhaupt: Eines eint die Bewohner der Roonstraße - sie sind auf die vielen Linden nicht gut zu sprechen. Die Läuse auf den üppigen Bäumen, die bis in die oberen Etagen der Mehrfamilienhäuser ragen, sondern ein klebriges Sekret ab, das nicht nur Autos, sondern auch Fahrradsättel verklebt und zusammen mit den Lindenblüten die Fußwege häufig in Rutschbahnen verwandelt.

Auch Silke Sevecke ist vom Dreck der Linden genervt, trotzdem liebt sie die historisch geprägte Roonstraße, denn aus welchem Fenster ihrer Wohnung sie auch guckt, sie blickt immer ins Grüne. Ob hinten in den Garten oder nach vorne raus zur kopfsteingepflasterten Straße. "Manchmal denkt man, es ist ein Urwald", sagt die 43-Jährige lächelnd. Schön sind alle Straßen im Generalsviertel in Hoheluft-West, aber so grün wie die Roonstraße ist keine andere. Dazu hat jedes Haus einen üppig bepflanzten Vorgarten und kleine Balkons, die bis in den letzten Winkel genutzt werden. Eine Straße als Gesamtkunstwerk. Das Viertel ist angesagt, aber nicht elitär.

Wer hier hinziehen will, braucht Glück. Die meisten Wohnungen tauchen niemals in Immobilienanzeigen auf, sondern werden durch persönliche Kontakte vermittelt. "Viele, die zur Miete wohnen, kaufen hier eine Wohnung, wenn sich die Möglichkeit ergibt", sagt Silke Sevecke. Sie lebt seit zehn Jahren mit ihrem Mann Torsten (46) in einer modern gestalteten Altbauwohnung im dritten Stock, ihr Sohn Niklas ist neun. "Ich hatte eine Freundin in der Kottwitzstraße und fand die Gegend hier immer schon sehr schön", erinnert sich die Journalistin, "damals wurde dann diese Wohnung hier frei."

In der Roonstraße hat kaum jemand Gardinen, man weiß, wer gegenüber oder nebenan wohnt, aber man starrt nicht in die Nachbarwohnung. Man weiß viel voneinander - und wer hierher gehört. Vera Prehn (82) gehört hier schon seit 80 Jahren her. Sie zog als kleines Mädchen mit ihren Eltern ins Haus Nummer 16, seit 1958 lebt sie dort mit Ehemann Theodor (84). "Ich habe sie hier nie weggekriegt", sagt er schulterzuckend. "Man ist eben hängen geblieben", sagt sie. "Früher kannte man alle, heute sind viele schon weggestorben. Aber es gibt wieder viele Kinder hier." Viel Platz zum Spielen haben sie nicht, auf der Straße steht Auto an Auto. Unter den Bewohnern gilt der Spruch: Wer einen Parkplatz ergattert hat, kauft sich eher ein neues Auto, als ihn wieder aufzugeben.

Für Theodor Prehn ist seine Straße dennoch schöner als alle umliegenden im Generalsviertel: "Sie ist breiter und hat größere Vorgärten." Petra Ziegenhagen, die mit Yoshua (11), Jonathan (8) und ihrem Mann Carsten (41) seit vier Jahren an der Roonstraße lebt ("unsere Oma wohnt gegenüber"), liebt ihren Vorgarten und noch mehr den nach hinten gelegenen Garten - ein unbezahlbares Plus ihrer Wohnung, die im sogenannten Afrika-Haus liegt. Die grüne Fassade, die Löwenköpfe über dem Eingang und die Elefantenköpfe als Balkonstützen sind ein absoluter Hingucker. "Jetzt, in den Sommerferien, haben wir hinten ein Zelt aufgestellt", sagt Petra Ziegenhagen - zum Vergnügen der Kinder. Durch die Blockrandbebauung im Generalsviertel wird der Lärm der Großstadt in diesen Gärten völlig abgeschirmt, was ebenfalls dazu beiträgt, dass viele Bewohner das Gefühl haben, auf einer Insel der Seligen zu leben.

Die Wirtschaftskrise hat die Straße, die bei Familien sehr beliebt ist, bislang verschont. "Wir sprechen darüber, aber das kleine Gewerbe übersteht die Krise am Ende besser als die Hochfinanz", meint Regina Schuba, die seit fast zehn Jahren mit Andrea Lauckner an der Ecke zum Eppendorfer Weg einen Fußpflege- und Massagesalon betreibt. Ihren Vorgarten haben die beiden liebevoll bepflanzt, an schönen Tagen sitzen sie zwischen den Behandlungsterminen an einem kleinen Tisch. "Ich bin eine bekennende Lindenhasserin geworden", sagt Schuba, "keiner fegt mehr die Straße vor seinem Haus. Jeder verlässt sich auf die, die dafür bezahlt werden, und am Ende fegt keiner mehr." Ein wenig beklagt sie die "Multi-Latte-macchiato-Stimmung" im Viertel: "Ich würde gern mal wieder Hamburger Filterkaffee trinken."

Margot Macké dagegen verteidigt das Generalsviertel: "Die Hoheluftchaussee ist eine ganz natürliche Grenze zu Eppendorf. Hier ist Eimsbüttler Publikum." Die 67 Jahre alte Kauffrau betreibt seit 1977 einen Laden an einem der Kopfbauten an der Ecke zum Eppendorfer Weg und wohnt im selben Haus. Auch sie sitzt bei gutem Wetter gern vor ihrem Klamottenladen und beobachtet das Treiben. "Im Moment gibt es wieder viele Kleinkinder", stellt sie fest.

Auffällig ist die Häufung von Weinläden: Sowohl Lunaris an der Ecke Bismarckstraße als auch die Weinhandlung Guter Wein Ecke Eppendorfer Weg, auf deren Terrasse sich an warmen Tagen die Anwohner niederlassen, verkaufen auch abends Flaschenweine. "Viele kommen noch gegen zehn und nehmen Wein mit", erzählt Gudrun Tiepold, "Es sind entspannte Leute hier."

Die nächsten Folgen

Montag, 3. August: Harkortstraße (Altona)

Mittwoch, 5. August: Deichstraße (Altstadt)

Freitag, 7. August: Lämmertwiete (Harburg)