Die Auswahl reicht von 250 Sorten Käse, Fisch und Biofleisch über Currywurst und Kaminöfen bis zum Szenetreff.

Hamburg. Käse ist ihre Leidenschaft. Die Erikastraße in Eppendorf auch. Deshalb hat Andrea Quentmeier beides miteinander verbunden. Vor mehr als acht Jahren hat die gelernte Speditionskauffrau in der Hausnummer 58 "Käse, Wein & mehr" eröffnet. "Diese Straße hat so viel Charme. Es ist ein Kleinod inmitten der Großstadt", sagt Quentmeier. Die 46-Jährige schaut über die Käsetheke mit 250 Sorten, lässt ihren Blick aus dem Fenster über das Kopfsteinpflaster und die imposanten Bäume schweifen. Sie gerät wieder ins Schwärmen: "Hier kennt man die Kunden noch persönlich, und es bleibt meist Zeit für einen Plausch." Wenig später geht die Tür auf, und Katja Töner (40) betritt den Laden. Wie immer, soll es ein Stück von dem französischen Bergkäse mit Senfkörnern sein. Die Drehbuchautorin lebt in Alsterdorf, kommt aber zum Einkaufen meist hierher: "Ich liebe die Vielfalt. Auf wenigen Metern gibt es eine große Auswahl."

Das stimmt: An der Ecke werden Kaminöfen verkauft, wenige Meter weiter Hand- und Fußpflege angeboten. Von der Currywurst über Döner bis hin zum Delikatessengeschäft mit Partyservice reicht die kulinarische Auswahl. Außer dem Käseladen gibt es Biofleisch und -wurstwaren, ein Fischgeschäft, einen Obst- und Gemüsehändler und einen Weinhandel. Zwei Friseure, Boutiquen, zwei Bäcker und ein Reisebüro runden das Angebot ab.

Nach dem Käsekauf genießt Katja Töner noch in der Sonne einen Cappuccino. Überhaupt geht es in der Erikastraße gemütlich zu. Vor "Fische Hülsen" stehen zwei Seniorinnen und plaudern. Vor der Bäckerei Wulf sitzen Bauarbeiter, trinken Kaffee und schauen gedankenverloren in den blauen Himmel. Wenige Meter weiter steht Gert Stange auf dem Balkon seiner Altbauwohnung in der ersten Etage, die der alleinerziehende Vater gemeinsam mit Sohn Jerome Frederic (15) bewohnt. Der Künstler lebt und wirkt hier seit 1982: "Es hat sich vieles verändert." Er zeigt auf ein schickes weißes Haus mit Eigentumswohnungen auf der anderen Straßenseite. "Dieser Neubau hat mir viel Licht genommen. Bis vor etwa zehn Jahren war dort noch ein Gewerbehof. Dort gab es Handwerker, und Künstler hatten dort ihre Ateliers."

Wenig später steht Gert Stange auf der Straße: Er steuert auf die "Verhörzelle" an der Ecke zur Geschwister-Scholl-Straße zu. Dieses Mahnmal zum Gedenken an die von den Nationalsozialisten getöteten Geschwister Scholl hat Gert Stange 1990 realisiert. Daneben stehen eine selbst entworfene Bank und weiße Rosenstöcke: "Das ist mein literarischer Garten, der steht für Bildung und Humanismus der Geschwister Scholl", sagt Stange.

Gegenüber sind die ersten Gäste zum Mittagstisch im Café Borchers eingetroffen. Das Gasthaus gibt es seit mehr als 100 Jahren. Legendär sind die "Eppendorfer Nächte", da wird bis zum Morgengrauen gefeiert. Das Lokal gilt als eine Institution im Viertel: "Wir sind für alle da. Ob Jung oder Alt. Ob Handwerker oder Akademiker", sagt Geschäftsführerin Susanne Behrens (45). Es gibt Astra vom Fass und Currywurst. Aber auch Flammkuchen und Tapas. Susanne Behrens fühlt sich wohl: "Ich habe tolle, engagierte Mitarbeiter. Zu vielen Gästen hat man ein Vertrauensverhältnis aufgebaut." Auch die Erikastraße hat es ihr angetan: "Die Geschäfte sind so individuell wie ihre Kunden. Die Menschen sind freundlich, und es herrscht eine leider so selten gewordene Gelassenheit." Aber die Erikastraße ist nicht nur Einkaufstraße und Treffpunkt für viele Eppendorfer. Sie hat zwei Gesichter: Auf den ersten 150 Metern sind die Geschäfte. Dann wird die Straße durch den Lokstedter Weg geteilt. Auf dem zweiten Teil wird es ruhiger. Gepflegte Altbauten und Stadtvillen prägen nun das Bild.

Der Synchronsprecher und Regisseur Gerlach Fiedler (84), der dem "Krümelmonster" seine Stimme lieh, lebt bereits seit 1971 hier: "Wir haben eine hohe Lebensqualität, auch dank der tollen Nachbarschaft. Durch die vielen Geschäfte sind wir sozusagen autark." Die Erikastraße sei wie ein kleines Dorf, und für Fiedler steht fest: "Hier möchte man nie wieder weg."

Die nächsten Folgen:

14. August: Nagels Allee (Eimsbüttel)

17. August: Papenhuder Straße (Uhlenhorst)

19. August: Curslacker Deich (Curslack)