Viele Krankheiten können zwar auch mit Ölen und Düften gelindert werden, doch nicht alle Ayurveda-Behandlungen sind sanft und sinnlich.

Hamburg. Reizüberflutung und Stress, Hektik und Überforderung bis hin zum Burn-out-Syndrom: Viele Menschen wollen bloß noch eins - Ruhe und Entspannung. Auf der Suche nach der richtigen "Wellness-Therapie" bleiben nicht wenige Zeitgenossen inzwischen bei Ayurveda hängen. Mit Ayurveda werden hierzulande die exotisch anmutenden Massagen und Ölgüsse in Verbindung gebracht, die heutzutage jedes gut sortierte Wellness-Hotel im Angebot hat.

Doch Ayurveda ist mehr, jedenfalls in Indien, seinem Ursprungsland. Dort, wo sich bereits jeder Dritte im Krankheitsfall für diese traditionelle Heilkunst entscheidet, gilt Ayurveda als komplexes medizinisches System.

"Wer nur eine Wellness-Anwendung wünscht, sollte sichergehen, dass es keine Kontraindikationen gibt. Auch Ölanwendungen erfordern vorab eine Diagnosestellung", sagt der Harburger Heilpraktiker Michael Rohrschneider, der seit knapp 15 Jahren die indische Heilslehre in seiner Harburger Praxis ausübt. So könne ein Stirnguss nicht nur tiefe Entspannung bringen, sondern auch den Blutdruck senken. Dabei werde die tiefe Wirksamkeit in erster Linie durch das Öl erzielt, die Massagetechnik spiele eine sekundäre Rolle.

Die Ölbehandlungen dienen häufig der Vorbereitung auf die umfassenden und ziemlich brachialen Reinigungstherapien und Ausleitungsverfahren von Ayurveda. Diese brachial anmutenden Behandlungen erfolgen aber meist nur bei schwereren oder chronischen Erkrankungen.

"Schulmediziner und Ärzte der indischen Heilkunst sind in der Gesellschaft nahezu gleichgestellt", sagt Rohrschneider. Ihre Medizin basiert zwar auf 1500 Jahre alten Texten, doch gehören inzwischen auch moderne wissenschaftliche Verfahren zur täglichen Praxis. Dennoch wird Ayurveda hierzulande nicht als seriöse Medizin im Westen anerkannt. "Aus konventioneller medizinischer Sicht lassen sich bisher nur schwer klare Aussagen zur Wirksamkeit der ayurvedischen Methoden treffen", sagt Dr. med. Christian Keßler, Studienkoordinator für Ayurveda der Hochschulambulanz für Naturheilkunde an der Berliner Charité. Seit 2010 wird hier eine vergleichende Studie zur Kniegelenksarthrose durchgeführt. Weniger umstritten ist, dass Ayurveda als naturheilkundliches Verfahren eine schulmedizinische Behandlung nicht ausschließt, sondern hervorragend ergänzen kann. "Ayurveda hat die größte Stärke genau dort, wo die konventionelle Medizin ihre größte Schwäche hat: nämlich bei chronischen und psychosomatischen Erkrankungen, bei der Behandlung von Schmerzsyndromen und des Bewegungsapparates", erklärt der Indologe Keßler weiter.

Neben einer umfassenden medizinischen Versorgung bietet Ayurveda ("Wissen vom Leben") auch praktische Lebenshilfen - im Sinne der indischen ganzheitlichen Gesundheitslehre. Dafür existieren gleich mehrere verschiedene Therapiesäulen, die auf Spiritualität, Philosophie, Entspannungsverfahren, manuellen und inneren Anwendungen sowie der Diätetik beruhen. Diese Ernährungslehre bildet das Fundament der ayurvedischen Vorsorge.

"Ayurvedische Diätetik hat jedoch wenig mit herkömmlichen Diäten zu tun", sagt die Heilpraktikerin Margrit Witt-Horchler, die seit zehn Jahren ayurvedisches Gesundheitscoaching betreibt. "Man kann mit typgerechter Ernährung nicht nur Übergewicht, sondern Beschwerden der Wechseljahre, stressbedingte Erkrankungen, Allergien und sogar Migräne erfolgreich behandeln."

Zuletzt hatte Witt-Horchler bei einer 45 Jahre alten Patientin, die an rasenden Kopfschmerzattacken litt, nach einer Anamnese und Antlitzdiagnose ein starkes Pitta-Ungleichgewicht festgestellt. Sie vermutete eine Übersäuerung des Körpers, die eine Migräne begünstigen kann. Margrit Witt-Horchler: "Seit der Behandlung und der konsequenten Ernährungsumstellung ist meine Patientin beschwerdefrei."

Am Sonnabend lesen Sie Folge 11: Osteopathie: Wie man energetische Fehlstellungen im Körper ertastet und durch kaum spürbare Berührungen regulieren kann

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