Tödlicher Unfall von Benjamin Winter, 25, beim Vielseitigkeitsturnier in der Westergellerser Heide. Deutsche Meisterschaft wird nicht gewertet

Luhmühlen . Es ging weiter am Sonntagmorgen auf dem Turniergelände in Luhmühlen. Mit der Gedenkzeremonie für Benjamin Winter zunächst, der am Tag zuvor beim Geländeritt in der Westergelleser Heide sein Leben ließ. Alle Reiter, alle Verantwortlichen und Organisatoren des internationalen Vielseitigkeitsturniers hatten sich vor der Haupttribüne aufgereiht. Die Tribüne war bis auf den letzten Platz gefüllt, die Fahnen auf Halbmast gehisst. Es war vor allem Chris Bartle, mit Hans Melzer seit Jahren Bundestrainer der deutschen Vielseitigkeitsreiter, der – immer wieder stockend – mit bewegenden Worten das kurze Leben des großen Nachwuchstalents würdigte. Chris Bartle, als Trainer und Lehrmeister eng mit dem verunglückten Benny Winter verbunden, erzählte von der Frische, der Begeisterungsfähigkeit, seiner freundlichen, lebensbejahenden Art, vor allem aber von der großen Leidenschaft und Liebe zu seinem Sport, der Vielseitigkeit.

Einstimmige Entscheidung aller Reiter, das Turnier fortzusetzen

Am Sonnabend noch hatten die Reiter beraten und einstimmig entschieden: „Das Vielseitigkeitsturnier wird fortgesetzt und am Sonntag mit dem abschließenden Springen zuerst um 11.30 Uhr in der Drei-Sterne-Meßmer-Trophy und von 13.30 Uhr an in der Vier-Sterne-Prüfung beendet.“ Das war auch der ausdrückliche Wunsch von Sybille Winter, der Mutter des Verunglückten. „Benjamin hat für die Vielseitigkeit gelebt“, hatte sie noch aus dem Krankenhaus in Hamburg-Boberg die Verantwortlichen in Luhmühlen wissen lassen, „seine größte Sorge wäre gewesen, dass durch seinen Unfall die Vielseitigkeit in der Öffentlichkeit schlecht geredet würde. Mein Sohn würde sich wünschen, dass ihr weitermacht und das Turnier beendet.“

Einige der Reiter und langjährige Weggefährten des Verstorbenen allerdings sahen sich nicht in der Lage, zur Entscheidung im Springen am Sonntag einzureiten. Olympiasiegerin Sandra Auffahrt gehörte genau wie Dirk Schrade und Julia Krajewski zu denen, die Luhmühlen abbrachen und nicht mehr weiter machten. Verzichtet wurde auch auf die Wertung der deutschen Meisterschaft, die in der Drei-Sterne-Prüfung entschieden werden sollte.

Am Geländetag am Sonnabend, immer der Höhepunkt jeder Vielseitigkeit, hatte sich die Nachricht vom Tod des jungen Reiters nur zögerlich unter den etwa 30.000 Besuchern verbreitet. Sie waren herbei geströmt, um die Weltelite des Vielseitigkeitssports zu bewundern und den schönen Sonnentag in der Idylle der Lüneburger Heide zu genießen. Dabei hatte zu diesem Zeitpunkt bereits die erste Unglücksmeldung die Runde gemacht. Tom Crisp, ein 35 Jahre alter Reiter aus Großbritannien, war mit seinem zweiten Pferd, dem 15-jährigen Wallach Liberal gestartet. Nach einem Sprung aber war das Pferd sterbend zusammen gebrochen. „Ein Aorta-Abriss“, diagnostizierte Tierarzt Olaf Neuberg. „Das ist eine fatale Schwachstelle bei Pferden, die leider durch keine Untersuchung vorher diagnostiziert werden kann.“ Bei dieser Diagnose konnte Tom Crisp, von Hauptberuf Feuerwehrmann, die Tränen nicht mehr zurückhalten.

Das größte Drama von Luhmühlen aber begann gegen 12.30 Uhr. Im schnellen Galopp war Benjamin Winter mit seinem Nachwuchspferd Ispo dem ersten der insgesamt 29 festen Hindernisse entgegen geritten. Zuvor schon hatte der schmale junge Mann mit der Brille mit seinem Spitzenpferd Wild Thing die 6500 Meter lange Geländestrecke mit insgesamt 45 Sprüngen perfekt gemeistert. Diesmal aber, an Hindernis 20, einem Oxer, einem mächtigen Hochweitsprung also, der Sturz. Über Lautsprecher waren die zehntausenden Besucher informiert worden. Das ZDF-Fernsehen war live auf Sendung. Auf den großen Bildschirmen verfolgten viele Besucher noch, wie der Gestürzte auf einer Trage in einen Krankenwagen gebracht wurde. Als ein Hubschrauber ihn ins Unfall-Krankenhaus nach Hamburg-Boberg flog, wurde an der Strecke Michael Jung, der Welt- und Europameister und Doppel-Olympiasieger, begeistert gefeiert. Im Ziel stellte Michael Jung aus Horb fest: „Bei diesem Kurs war ein bisschen die Gefahr, dass man die Konzentration verliert, weil er sich flüssig und recht problemlos reiten lässt.“

Daran muss erinnert werden, weil nach dem Todessturz von Benjamin „Benny“ Winter, wie ihn Freunde und Kollegen riefen, natürlich wieder die Kritik laut wird, die schweren Kurse im Gelände seien nicht zu verantworten. „Im Grunde war die Art des Sturzes fatal“, erläuterte bei der Pressekonferenz Annette Lorey-Tewes, die leitende Notärztin bei dieser Veranstaltung. Der Reiter wurde aus dem Sattel geschleudert und ist mit dem Gesicht aufgeschlagen. Die Geschwindigkeit und die Höhe des Hindernisses waren dabei meines Erachtens nicht ausschlaggebend. Er hat dabei schwere innere Kopfverletzungen erlitten und wohl eine Fraktur der Halswirbelsäule.“

Die Mutter hatte, von der Psychologin Gaby Bussman begleitet, ihren Sohn mit nach Boberg gebracht. Schwester und Bruder von Benjamin Winter waren in Luhmühlen geblieben.

Vorgang und Ursache des Unfalls werden genauer analysiert, die Kritik und die Diskussion über Sinn und Sicherheit der Vielseitigkeit wird weiter gehen. Das Hindernis, an dem Benjamin Winter zu Tode stürzte, wird seit sechs Jahren in Luhmühlen gesprungen. „Der Kurs war in diesem Jahr leichter als im vergangenen Jahr“, bekräftigte auch Mark Phillips, der Kurs-Designer aus Großbritnnien, „aber wir hatten insgesamt sechs Stürze, da ist jeder einer zu viel.“ Als Mitglied der Turniergesellschaft, als Sponsor der Meßmer Trophy und als aktiver Reiter fasste Michael Spethmann zusammen: „Unser Sport hat viele tolle, wundervolle Momente – dieser ist ein schrecklicher Moment.“

Die Drei-Sterne-Prüfung Meßmer Trophy gewann der Australier Andrew Hoy mit Cheeky Calimbo vor Mannschaftsolympiasiegerin Ingrid Klimke mit FRH Escada, die zwischen den Geländeprüfungen ihr Paradepferd FRH Butts Abraxxa in den Ruhestand verabschiedete. Bei der Vier-Sterne-Prüfung kommt der Sieger aus Neuseeland: Tim Price mit Wesko siegte vor Michael Jung mit fischerRocana FST.