Sebastian Formella vom TV Fischbek ist einer der erfolgreichsten Faustkämpfer, gewann den neunten Hamburger Titel.

Fischbek. Lampenfieber haben Boxer genauso wie Schauspieler. Anspannung und Nervosität sind deutlich zu spüren, bevor es in den Ring geht. Nur einer ist bei den Hamburger Meisterschaften im Leistungszentrum des Verbandes am Braamkamp anders, er lacht befreit und losgelöst, als stünde er vor einer Party. Sebastian Formella, 26 Jahre inzwischen, der Sonnyboy vom TV Fischbek und ein Meister im Ring, der schon vor dem ersten Gong pure Freude verbreitet.

Es ist kurz nach 19 Uhr, als mit dem Lied "Stadt Hamburg in der Elbe-Auen, wie bist du herrlich anzuschauen" die hanseatischen Titelkämpfe angestimmt werden. Zweieinhalb Stunden später macht unter dem Beifall der 400 Zuschauer der kleine Blondschopf aus dem Stand seinen Salto im Ring. Es ist der neunte Hamburger Meistertitel, mit dem Sebastian Formella, der einstige Turner der HNT, seinen Sieg im Mittelgewicht (75 Kilogramm) feiert. Sechs Nordtitel kommen hinzu und bei den deutschen Meisterschaften 2012 erkämpfte er sich Bronze. Zudem wurde Formella mit Nordhausen in Thüringen in der 1. Bundesliga deutscher Vizemeister.

Im Halbfinale muss er härter fighten, um sich durchzusetzen

Diesmal verlaufen die dreimal drei Minuten im Ring ziemlich nach Plan. Meriton Rexhepie, der Gegner vom TH Eilbeck, hält die Fäuste geschlossen vor Kinn und Gesicht. Sebastian Formella zielt auf den Körper und dann blitzschnell auf Gesicht und Kopf, sobald der Widersacher seine Deckung öffnet. Von der ersten Sekunde an ist in diesem Duell zu spüren, in welch bestechender Form Sebastian Formella, der Titelverteidiger, ist. Da sind noch immer seine lockeren Spielereien zu sehen, wenn er die Arme baumeln lässt, aber sofort die kleinste Chance nutzt und zuschlägt. Und es sind nicht nur die Fischbeker Anhänger, und der diesmal nicht ganz so zahlreich vertretene Formella-Clan, die die kleine Arena zum Erzittern bringen. Nach der zweiten Runde hat er fünf Punkte Vorsprung. In der dritten kann er "rückwärts boxen", wie die Kampfer es nennen, wenn sie in den Schongang umschalten. "Im Halbfinale musste ich härter fighten", erzählt Sebastian Formella, als er, nur leicht verschwitzt und strahlend, jeden in die Arme nimmt, der ihm gratuliert. Da war Mohammad Bangaew vom Verein Box-Out auch sein Gegner. Den hatte er im letzten Jahr im Finale schon bezwungen.

Bei all dem Spaß und der Freude, den der bekannteste und populärste Amateurkämpfer aus dem Süden Hamburgs im Hamburger Leistungszentrum verbreitet - enttäuschend war schon, dass kein anderer Verein aus dieser Region vertreten war. Dabei ist es erst wenige Jahre her, da kassierten der TV Fischbek, TuS Finkenwerder, der Buxtehuder SV und auch der Harburger SC die Hälfte aller Titel. Selbst für den TV Fischbek, dessen Kämpfer mehrere Jahre die erfolgreichsten in Norddeutschland waren, kletterte nur noch Suat Oral in den Ring. Dessen Onkel Mahir Oral war Europameister bei den Profis, der 19-jährige Neffe bestritt erst seinen dritten Kampf. Damit gewinnt Suat zwar das Turnier, das im Rahmen der Meisterschaften für Anfänger ausgerichtet wird, aber Trainer Mark Haupt war unzufrieden mit seinem Schützling. "Suat hat von seinem kleineren Gegner viel zu viele Schläge eingesteckt", sagt Mark Haupt.

Dass die anderen Boxsparten aus dem Harburger Raum bei der Meisterschaft fehlten, wird zum Teil damit entschuldigt, dass ihre Besten eine Ausbildung begonnen und nicht mehr genügend Zeit für ihren Sport haben.

Und Sebastian Formella? Der hat seine Ausbildung als Hafenlogistiker zwar beendet, ist aber bei der Gesamt-Hafen-Betriebsgesellschaft im Schichtdienst. "Na und", sagt er, "da trainiere ich halt morgens um elf Uhr und laufe auch schon mal um Mitternacht. Ich trainiere täglich, manchmal zwei Einheiten. Nur sonntags ist Ruhe."

Was ihn über all die Jahre bei diesem anstrengenden, trainingsintensiven Kampfsport hält? "Du musst körperlich immer wieder an deine Grenzen gehen. Das spornt an. Wenn du dann die Arme hochreißen kannst und in die glücklichen Gesichter deiner Freunde und Verwandten siehst, das sind Augenblicke, die willst du immer wieder neu erleben und bleiben unvergessen. Mein Sport hat mir Vorteile gebracht, auch bei meinem Arbeitgeber. Auch da bekomme ich Anerkennung und Unterstützung." Ob er, der Lebenslustige, überhaupt Halt in seinem Sport gefunden habe, vielleicht wäre er ohne das Boxen höchstens als Partykönig in Neugraben bekannt? Sebastian Formella lacht. "Das bin ich doch auch so - aber nur im August und im Dezember - wenn nicht geboxt wird."