Charina Jeromin aus Maschen, die seit ihrem fünften Lebensjahr Judo betreibt, gewinnt Bronzemedaille bei Europameisterschaften in der japanischen Kampfsportart.

Maschen. Wer an Sumo denkt, denkt unwillkürlich an 150-Kilo-Kolosse mit streng nach hinten gebundenen Haaren, die im hohen Bogen Salz zur rituellen Reinigung durch den Ring werfen und von tausenden Zuschauern bejubelt werden. Doch es gibt auch die europäische Variante dieser typisch japanischen Kampfsportart. Hierzulande sind die Athleten teils zarte Persönchen, die Reis nur zum Kochen verwenden und von einigen Freunden und Verwandten angefeuert werden. Hüben wie drüben immer dabei ist der Mawashi, dieser bis zu neun Meter lange Gürtel, der in kunstvollen Bahnen um die Hüfte und zwischen den Beinen des Sumokämpfers hindurch geschlungen wird.

"Der ist sehr unbequem und drückt überall", sagt eine, die sich jetzt erstmals als Sumotori versuchte, und dann sofort bei den Europameisterschaften: Charina Jeromin aus Maschen. Die 26 Jahre alte Wirtschaftsingenieurin betreibt seit ihrem fünften Lebensjahr Judo, trainiert Kinder- und Jugendgruppen im Hansa-SV Stöckte und kämpfte von 2005 bis 2011 in der 1. Bundesliga für das Judo-Team Neumünster/Einfeld. Aus dieser Zeit stammen auch ihre Kontakte, die ihr den Start bei den Sumo-Europameisterschaften in Pönitz an der Ostsee bescherten. "Heinz Jenkel, der Vizepräsident des Deutschen Sumoverbandes, kommt aus Schleswig-Holstein und hat mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, den zweiten Nationenplatz für Deutschland zu besetzen", erzählt Charina Jeromin. Ihre Begeisterung hielt sich zunächst in Grenzen. Weil die meisten Teilnehmer aber normalerweise ebenfalls anderen Kampfsportarten wie Judo, Ringen oder Wrestling nachgehen und sich die Trainerin von ihren Schützlingen überreden ließ, sagte Jeromin schließlich zu.

Vier Wochen vor der EM gab es einen speziellen Sumo-Lehrgang in Oldenburg in Holstein. "Danach hatte ich tierischen Muskelkater, weil manche Bewegungen ganz anders sind als beim Judo", erzählt die Sportlerin. "Beim Judo geht es vor allem um Technik, weniger um Kraft. Judoka starten ruhig in den Kampf und versuchen als erstes, den richtigen Griff an der Jacke des Gegners zu finden", erzählt sie. "Dagegen geht es beim Sumo fast nur um Kraft. Nach dem Startkommando versucht man, seinen Gegner mit explosivem Losrennen in wenigen Sekunden aus dem Ring zu drängen." Verloren ist das Duell, wenn einer der Kämpfer den im Durchmesser 4,55 Meter großen Ring verlassen muss oder mit einem anderen Körperteil als den Fußsohlen den Boden berührt. "Jetzt verstehe ich, warum die Japaner sich die Haare zurückbinden. Auch wenn diese den Boden berühren, haben sie verloren."

Zehn Nationen schickten ihre Athleten nach Pönitz zu den Kämpfen um die EM-Medaillen. Charina Jeromin profitierte in der Gewichtsklasse bis 55 Kilogramm der über 21-Jährigen von einem Freilos in der ersten Runde, das dem Gastgeberverband zusteht. So war ihr erster Kampf, der wie üblich von festgelegten Armbewegungen eingeleitet und von ständigen Rufen des Ringrichters begleitet wird, gleich das Halbfinale. Mit dem Vorhaben, der Bulgarin Evelina Nikolova mit einer Eindrehtechnik beizukommen, scheiterte die HSV-Trainerin jedoch kläglich. "Die war mindestens fünf Kilo schwerer als ich. Sie hat mich einfach hochgehoben und aus dem Ring gesetzt", erinnert sich die 48 Kilogramm leichte Jeromin an das unsanfte Kampfende am Fuße des erhöhten Sumo-Podests. Mehr Erfolg hatte die Seevetalerin im Kampf um Bronze gegen Zoe Gadd aus den Niederlanden. Diesmal brachte Jeromin eine im Judo bewährte Technik durch und belegte den dritten Platz. Den EM-Titel gewann die zweite Deutsche, die Ringerin Kirsten Jacke aus Hamburg.

"Sonderlich stolz bin ich auf meinen dritten Platz nicht", sagt Charina Jeromin fast ein wenig entschuldigend mit Blick auf das kleine Teilnehmerfeld. "Spaß gemacht hat es aber. Wenn die EM nächstes Jahr in der Nähe ist, bin ich wieder dabei." Ein sehr erfolgreiches Sumo-Debüt feierte an der Ostsee Fabian Landahl aus Heidenau. Der ebenfalls für den HSV Stöckte startende Judoka wurde in der Gewichtsklasse bis 80 Kilogramm völlig überraschend Vizeeuropameister bei den U16-Junioren.