Die deutsche Meisterin über 3000 Meter Hindernis wechselt nach Hamburg und startet erneut bei der U23-Europameisterschaft im Crosslaufen.

Winsen. Strukturelles Problem oder der normale Lauf der Dinge für einen kleinen Verein? Ein wenig müssen sich die Verantwortlichen der Leichtathletik-Gemeinschaft Nordheide vorkommen wie in der Filmkomödie "Und täglich grüßt das Murmeltier". Alle paar Jahre das gleiche Ritual: Talentierte Eigengewächse, die von Winsen aus bis in die deutsche Spitze vorgestoßen sind, schließen sich einem größeren Verein an. Das war 2006 bei Jala Gangnus (zur LG Weserbergland) so, 2008 bei Sören Ludolph (zur LG Braunschweig) und nun sind auch die Tage von Jana Sussmann im Trikot der LG Nordheide gezählt.

Die 21 Jahre alte deutsche Meisterin über 3000 Meter Hindernis schließt sich zum 1. Januar dem Lauf-Team Haspa Hamburg-Marathon an. Der in Kooperation zwischen Hamburger Leichtathletik-Verband (HLV) und Hamburger Sparkasse (Haspa) vor wenigen Wochen neu gegründete Verein hat das Ziel, die Tausende von Hobbyläufer in organisierte Bahnen zu lenken und für einen Start beim Hamburg-Marathon zu begeistern. Sussmann wird zunächst die einzige Spitzenläuferin im Klub sein, ihr fällt die Rolle als Aushängeschild und Werbe-Ikone zu. Auch wenn das Lauf-Team kein Großverein ist, sind die Hamburger allemal finanzkräftig.

Die finanzielle Absicherung ist für Jana Sussmann und ihren Trainer André Prüsmann zwar nicht der entscheidende, aber doch ein wichtiger Aspekt. "Bei der WM habe ich festgestellt, dass ich als einzige im deutschen Team noch täglich zur Arbeit gehe", erzählt Sussmann, "die meisten anderen sind bei der Bundeswehr oder Polizei." Durch den Vereinswechsel ermöglicht die Haspa ihrer Auszubildenden die Wochenarbeitszeit um weitere zehn auf 20 Stunden zu reduzieren. Die Trainingslager, von Januar bis Mai wird die Winsenerin insgesamt sieben Wochen unterwegs sein, gehen nicht mehr zu Lasten ihres Jahresurlaubs, sie erhält einen Trainingslagerzuschuss und auch die Aufwandsentschädigung für Trainer Prüsmann steigt merklich an.

Hauptgrund für den Wechsel, der zehn Tage vor Ende der Wechselfrist am 30. November besiegelt wurde, sind jedoch die beruflichen Perspektiven. Durch die höhere Medienpräsenz in Hamburg und das von der Haspa forcierte Marketing hofft Jana Sussmann auf viele Kontakte, die ihr später den Weg in die Medienbranche erleichtern. "Ich würde gern an der Axel-Springer-Akademie studieren", nennt die B-Kader-Athletin ein mögliches Szenario.

Trotz aller Vorteile fällt Sussmann, die 2011 mit DM-Titel, Silber bei der U23-EM und WM-Teilnahme in Südkorea kometenhaft aufgestiegen war, der Abschied von der LG Nordheide nicht leicht. "Ich musste echt lange mit mir ringen und finde es blöd, demnächst nicht mehr in rot und blau zu laufen", erzählt sie sichtlich bewegt und ergänzt: "Mit der LG Nordheide, die mich groß gezogen hat, verbindet mit sehr viel Herzblut, doch für meine Zukunft ist dieser Schritt notwendig, um im Spitzensport vorn dran zu bleiben." Bei ihren Vereinskameraden ist sie durchweg auf Verständnis gestoßen: "Sie finden es zwar alle schade, hätten an meiner Stelle aber genauso entschieden."

Sussmann trainiert weiter auf dem Jahnplatz in Winsen. "Das wollte ich so. Da habe ich meine Gruppe", sagt sie. Trainer André Prüsmann wechselt zwar mit seinem Schützling den Verein, gleichzeitig bleibt der A-Lizenz-Inhaber aber der Leiter des Leichtathletik-Landesstützpunkts in Winsen. Zum Abschluss ihrer Karriere bei der LG Nordheide vertritt Sussmann ihren Heimatverein noch einmal auf internationaler Ebene. Dank des vierten Einzelplatzes beim Darmstadt-Cross am Wochenende hat sie sich zum vierten Mal in Folge für die Crosslauf-Europameisterschaft qualifiziert. Dem deutschen U23-Team mit den Zwillingen Anna und Lisa Hahner (Kassel), Corinna Harrer (Regensburg), Sussmann und einer fünften, noch zu nominierenden Läuferin werden am 11. Dezember in Velenje (Slowenien) Medaillenchancen eingeräumt.