Welt- und Europameister bleibt bei der Vielseitigkeit in Luhmühlen ungeschlagen. Andreas Dibowski wird Dritter und kämpft um das Olympia-Ticket

Luhmühlen. Es mag wohl so sein, dass diese Veranstaltung in der mehr als 50-jährigen Turniertradition Luhmühlens als die "Reiterspiele des Michael Jung" in die Analen eingehen werden. Man kann diesem Vielseitigkeitsreiter nur Bewunderung entgegenbringen, wenn man miterlebt, wie locker und lässig, wie selbstverständlich und ohne alle Allüren dieser junge Mann mit dem lichten Haar die internationale Szene der Vielseitigkeitsreiterei dominiert.

In Luhmühlen hat Michael Jung zuerst seine Titelsammlung nach der Weltmeisterschaft und der Europameisterschaft im Einzel und mit der Mannschaft um seinen ersten deutschen Meistertitel ergänzt. Mit Weidezaunprofis River of Joy gewann er souverän die Meßmer Trophy, die Drei-Sterne-Prüfung, und damit auch den nationalen Titel. Danach verteidigte er beim abschließenden Springen mit Leopin auch seine Führung in der CCI Vier-Sterne-Prüfung, der schwierigsten Herausforderung, die es bei der Krone des Reitsports gibt.

Sein Vorsprung nach Dressur und dem Geländeritt war so groß, dass er sich als Letzter im Springparcours sogar einen Abwurf leisten konnte. Michael Jung siegte vor der Australierin Lucinda Fredericks auf Armada und Lokalmatador Andreas Dibowski auf FRH Butts Avedon. Und das war die erfreulichste Überraschung dieses Weltsport-Ereignisses in der Westergellerser Heide. Denn der erfahrene Mann aus dem nahen Döhle war mit seinem achtjährigen Nachwuchspferd angetreten. Für Butts Avedon war es die erste Vier-Sterne-Prüfung überhaupt. Mit dem dritten Platz hat sich Andreas Dibowski wieder für Olympia ins Gespräch gebracht. Nachdem der Lokalmatador sein Spitzenpferd Butts Leon verkaufte, mit dem er im vergangenen Jahr zum ersten Mal in Luhmühlen gewinnen konnte, und seine zweite Hoffnung Fantasia nicht mehr rechtzeitig in Form kam, blieb als letzte Olympiahoffnung Butts Avedon. Auch wenn der mit acht Jahren sehr jung ist für die größte sportliche Herausforderung in London, Andreas Dibowski hat mit seiner großartigen Leistung sozusagen seine Reitkappe wieder in den Ring geworfen.

Michael Jung nahm neben der Begeisterung und dem Applaus für seinen zweiten Sieg einen Scheck in Höhe von 35 000 Euro in Empfang. Es war vor allem die Art und Weise, wie der Welt- und Europameister in Luhmühlen dominierte, die begeisterte.

Bei dem Dreikampf der Reiter, das hat sich auch in Luhmühlen erneut bestätigt, wird der Auftakt mit der Dressur immer entscheidender. Das ist die Pflicht, zu der so viel Arbeit und Mühe gehört. Dort hatte Michael Jung beim Kampf um den deutschen Meistertitel mit River of Joy mit einer Punktzahl von 27,80 das beste Dressurergebnis seiner Laufbahn hingelegt. Er hatte dann vollendet, was der Wunschtraum eines jeden Trainers ist. Null Fehler im Gelände und null Fehler beim Springen.

Diese Drei-Sterne-Prüfung war auch deshalb so wichtig, weil die beiden Bundestrainer Hans Melzer und Chris Bartle noch testen und bewerten, welche fünf Reiter am Ende in London für Deutschland um olympisches Gold kämpfen sollen. Welche großen, damit aber auch schwierige Auswahlmöglichkeiten sie haben, zeigte sich am Ende auf der Ergebnisliste der Meßmer Trophy. Unter den ersten zwölf platzierten Reitern waren mit Niklas Lindbäck auf Platz vier und Sara Algotsson-Ostholt auf Platz zwei nur zwei Schweden, aber zehn deutsche Reiter zu finden. Wobei Algotsson-Ostholt, die Ehefrau von Frank Ostholt, eigentlich auch schon als Deutsche gilt und am liebsten eingebürgert werden soll.

Ist die Dressur die Pflicht und muss beim abschließenden Springen das Geld verdient werden, wie Schirmherr Hinrich Romeike die Vielseitigkeit einmal einordnete, das Herzstück des Dreikampfs bleibt der Geländeritt.

Michael Jung und Leopin setzten mit einem mächtigen Satz über das Jeep-Haus. Und dann forcierte der Reiter das Tempo. Das Trommeln der Hufe, das Schnauben des Pferdes, die Kraft und die ungebändigte Freiheit, die Pferd und Reiter ausstrahlen - das ist es, was auch diesmal wieder 20 000 Besucher auf das Gelände in die Westergellerser Heide lockte. Michael Jung hatte mit einer Zeit von zehn Minuten eine Punktlandung hingelegt. Andreas Dibowski und sein Butt Avedon waren bei ihrer Vier-Sterne-Premiere um 20 Sekunden zu langsam. Die brachten acht Strafpunkte, sonst hätte es für die beiden sogar zum Sieg gereicht.