Nasser bin Hamad al Khalifa, 25-jähriger Sohn des Königs von Bahrein, war als prominentester Teilnehmer in Luhmühlen mit dabei.

Luhmühlen. Es ist noch nicht fünf Uhr morgens. Die Nacht hat sich in mächtigen Wolkenbergen verkrochen. Dahinter schickt die Sonne erste Strahlen über die Westergellersener Heide, wo die Distanzreiter für zwei Tage ihre Lager aufgeschlagen haben. Freunde des Pferdesports, von denen viele schon auf den Beinen sind, reden mit gedämpften Stimmen. Ein Wiehern bringt ersten Aufruhr. Dann ist rhythmisches Donnern von Hufen zu hören. Aus dem nahen Wäldchen rückt im gelassenen Galopp eine Eskorte heran. Acht Reiter in fester Ordnung. Vornweg, umrahmt von Begleitern, Nasser bin Hamad al Khalifa, 25-jähriger Sohn des Königs von Bahrein, der prominenteste unter den rund 150 Reitern, die in und um Luhmühlen auf Distanzen von 60 bis 160 Kilometern um Siege wetteifern. Und es werden auch deutsche Meistertitel vergeben, bei den Senioren über 160 Kilometer, bei den Junioren über 120 Kilometer. Insgesamt gab es sechs Starts bei der Globetrotter Challenge.

"Noch fünf Minuten bis zum Start", ertönt die Lautsprecherstimme. Um fünf Uhr werden die Teilnehmer auf die längste Distanz geschickt. Die Männer aus Bahrain, alle mit Zaumzeug und Sätteln in leuchtendem Rot, galoppieren als erste über die Startlinie. Für die zwölf Reiter aus dem ölreichen Wüstenstaat sind 70 Pferdepfleger und Helfer mitgekommen. Der Prinz hat am Rand des Turnierplatzes ein Zelt für sich und seine Begleiter aufschlagen lassen. Wobei Zelt eine Untertreibung ist. Es gleicht eher einem Nobelrestaurant. Nur 100 Meter entfernt haben Teilnehmer aus Deutschland, Skandinavien und Holland ihr Lager aufgeschlagen. Manche haben neben ihren Pferdetransportern Schlafzelte aufgebaut. "Für unseren Sport gilt das Motto: Für alle Pferde - für alle Reiter", bekräftigt Jan Duvenhorst, Präsident des Vereins Deutscher Distanzreiter und -fahrer mit bundesweit rund 2500 Mitgliedern.

Während erste Reiter Richtung Westergellersen und Vierhöfen unterwegs sind, hat die Familie Schrader aus Handeloh alle Hände voll zu tun. Die 18-jährige Jenny und ihr zwölfjähriger Wallach Rashiid müssen für den Ritt über 120 Kilometer und für den Wettkampf um die deutsche Juniorenmeisterschaft vorbereitet werden. Steffi, die vier Jahre ältere Schwester, führt den aufgeregten Rashiid über die Weide, lässt ihn am Gras zupfen. Für Waldorfschülerin Jenny geht es auch darum, ihren Platz im nationalen Nachwuchskader zu behaupten und sich für die EM im September in Belgien zu qualifizieren. "Ich war fünf, da hat Papa mich und meine Schwester das erste Mal bei einem Distanzritt begleitet. Ich war enttäuscht, als wir schon nach 30 Kilometern im Ziel waren", erzählt Jenny.

Vater Edgar Schrader, Hufschmied und Pferdekenner, hat jahrelang zur deutschen Distanzreiter-Elite gehört. "Es ist ein sehr zeitaufwendiger Sport", erzählt er. "Unsere Pferde kann man nicht nach einer halben oder einer Stunde Arbeit zurück in die Box stellen. Mit denen muss man täglich stundenlang arbeiten." Es ist sechs Uhr, als Jenny Schrader und die anderen Junioren aus Deutschland (es gab auch einen internationalen Wettbewerb über 120 Kilometer) auf den ersten 32 Kilometer langen Streckenabschnitt geschickt werden. Als das Mädchen aus Handeloh mit drei anderen das erste Mal wieder auf dem Turniergelände eintrifft, springt sie 100 Meter vorm Ziel aus dem Sattel und rennt an der Seite des Pferdes durch die Zeitmessung. So kann sich ihr Pferd schon erholen. Schwester und Eltern stehen mit Kannen bereit, kühlen Rashiid mit Wasser ab, benetzen den Hals, den Körper, die Beine.

"Es geht darum, den Puls des Pferdes so schnell wie möglich auf unter 64 zu senken", sagt Vater Schrader. Er hat inzwischen dem Wallach einen Pulsmesser um den Körper geschnallt. Sie kontrollieren. Es dauert keine drei Minuten, dann lässt Edgar Schrader das Pferd vor den Augen der Tierärzte eine vorgeschriebene Strecke traben. Jedes Tier, das nicht mehr locker und leicht läuft, wird aus dem Rennen genommen. Die Tierärzte kontrollieren auch, ob die Pferde genug getrunken haben, Darmgeräusche zeigen eventuell an, ob der vierbeinige Ausdauersportler nicht genug gefressen hat. Erst, wenn der ausführliche Check beendet ist und der Tierarzt den Daumen hebt, wird die Zeit angehalten. Über Sieg und Niederlage entscheidet also auch, wie schnell sich der Vierbeiner bei jedem Stopp erholt. Nach der Tierarztprüfung müssen Pferd und Reiter 40 Minuten ausruhen. Kirstin Baginski, selbst Distanzreiterin und Freundin der Familie, massiert erst das Pferd, dann die Reiterin. Die Zeit läuft erst wieder, als Jenny und ihr eigenwilliger Rashiid auf die zweite, diesmal 40 Kilometer lange Runde gehen.

Nach der dritten Runde, diesmal über 28 Kilometer, lagen die beiden in Führung. Aber das Pferd hatte sich eine Verspannung unterm Sattel zugezogen und wurde aus dem Wettbewerb genommen. Dieses bei den Distanzreitern keineswegs ungewöhnliche Schicksal ereilte auch den Königssohn aus Bahrain. Deutsche Meisterin der Junioren wurde Michelle Kiewert auf Balzar. Sie benötigte für die 120 Kilometer 6:58:54 Stunden mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 17,19 km/h. Nationaler Meisterin über 160 Kilometer bei den Senioren wurde Regina Winiarski auf Santana in 9:08:44 Stunden und einem Schnitt von 17,71 km/h.