Harburg

Kulturhaus Süderelbe: Hier kann jeder tanzen

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"Freeze": Muhammad (r.) ist schon seit zwei Jahren Teil der "Tanzcompagnie" am Kulturhaus Süderelbe.

"Freeze": Muhammad (r.) ist schon seit zwei Jahren Teil der "Tanzcompagnie" am Kulturhaus Süderelbe.

Foto: Michael Rauhe / Michael Rauhe / FUNKE Foto Services

Die Einrichtung in Neugraben bietet kostenlose Tanzkurse für Kinder und Jugendliche an – auch in Corona-Zeiten.

Hamburg. „Du schaffst das“, sagt Kalidou Ba. Er stützt den jungen Muhammad, der sich gerade an einem Kopfstand versucht. „Freeze“ heißt die Pose. Ba macht seinen Schülern verschiedene Formen des Handstands vor. „Step by step“ zeigen der 28-jährige Tanzlehrer und seine Kollegin Wiebke Heinrich den Kindern auf der Parkour-Anlage Königswiesen in Neugraben verschiedene Tanzschritte aus Hip-Hop, Breakdance und Akrobatik. Kombiniert wird das Angebot mit freien Spielen, Volleyball oder Fußball.

Der Kurs, der jeden Montag stattfindet, ist ein Angebot vom Kulturhaus Süderelbe, das direkt neben den Königswiesen liegt. Tanzlehrerin Wiebke Heinrich hat die „Tanzcompagnie“ des Kulturhauses mit ins Leben gerufen. Hier werden wöchentlich vier kostenlose Kurse für alle Kinder ab 6 Jahren angeboten. Möglich gemacht wird dies unter anderem durch die Förderung der Stadt. Bereits seit mehreren Jahren unterstützt Hamburg das Kulturhaus, seit 2014 werden so auch die meisten Tanzkurse mitfinanziert.

Kursleiter Ba: „Tanzen ist eine eigene Sprache“

„Sauter!“, ruft Ba (französisch für „Spring“) – ein bisschen Sprachübung beim Aufwärmen. „Was heißt das?“, fragt Heinrich die Kinder – sie lachen und antworten teilweise auf Arabisch. Die Kurse werden hauptsächlich auf Deutsch unterrichtet, manchmal mischen sich aber auch andere Sprachen hinzu. „Tanzen ist eine eigene Sprache“, sagt Ba, der ursprünglich aus dem Senegal kommt: „Du musst mit deinem Körper sprechen“. Daher sei die Unterrichtssprache auch nicht so relevant – egal, wo Lehrer und Schüler herkommen, man könne sich über den Tanz verstehen.

Der Montagskurs ist auch ein Integrationsangebot, das 2016 ursprünglich im Rahmen einer Willkommensinitiative für Geflüchtete und Neu-Harburger begonnen hat. Seit Mai 2017 wird das Projekt direkt mit öffentlichen Mitteln gefördert.

Der Austausch zwischen Geflüchteten und anderen Nachbarschaftskindern aus Neugraben klappt, berichtet Heinrich. Es seien Freundschaften entstanden, und durch den Tanz komme auch ein Austausch zwischen Kindern zustande, die sonst erst mal auf Abstand gehen. Sie und Ba unterrichten an mehreren Schulen im Bezirk Harburg und können dadurch Kinder aus verschiedenen Wohnorten in ihren Kursen zusammenbringen.

Tanztraining im Freien: Diese Situation kann die Kinder hemmen

Es ist es sonnig an diesem Tag im August, die kleine Gruppe ist fast allein auf der Anlage Königswiesen. Das ist gut, denn das Trainieren auf einer öffentlich einsehbaren Fläche kann die Kinder auch hemmen. In der vergangenen Woche etwa kamen immer wieder Kinder vom angrenzenden Spielplatz herübergelaufen, ein Junge, der sonst sehr selbstbewusst am Training teilnimmt, ist nach ein paar Minuten wieder gegangen.

Im Februar konnte der Kurs vor einer coronabedingten Zwangspause das letzte Mal stattfinden, normalerweise sind 15 bis 20 Kinder in der Gruppe. Anfang Juli gab es dann den Neustart – aber mit großen Verlusten, wie die Lehrer berichten. Auch heute sind nur vier Jungs dabei. Zwar versteht sich der Montagskurs als eine Gruppe, Ba und Heinrich machen aber keinen Frontalunterricht. „Montags haben wir manchmal drei Kurse in einem“, sagt Heinrich. Einige Jungs würden alleine trainieren, anderen bringe Ba gezielt Handstand bei, während sie mit einer Mädchengruppe eine Choreografie einübt.

„Die Kinder fühlen sich hier frei“, sagt Ba, das sei ihm wichtig. Dazu gehört auch die Musik. Rap muss man mögen, wenn man aktuell an dem Montagstraining teilnehmen will, denn das hören die Jungs am liebsten. Sie bestimmen die Playlist. Eine Konstante aber gibt es: „Sie wissen, montags sind wir hier – und egal, was ist, sie können immer kommen“.

Tanztraining in Neugraben: Aufwärmen, Handstand, Choreografie

Mit „Hier“ war vor Corona ein Mehrzweckraum im Gebäude des Kulturhauses gemeint. Dort haben die Lehrer auch Matten, Hula-Hoop-Reifen und eine große Spiegelfläche für ihren Unterricht zur Verfügung. In diesem Raum trainiert Michal Zuscak jeden Dienstag. Mit aktuell nur drei regulären Teilnehmern darf sein Kurs im Moment noch drinnen stattfinden – sollten es mehr als fünf werden, muss auch seine Arbeit ins Freie verlegt werden. Von 16 bis 18 Uhr bietet der Tänzer und Akrobat Unterricht für Jungen an, auch sie lernen hier Hip-Hop und Breakdance.

Inhaltlich sind die Übungen ähnlich zum Montagskurs: Aufwärmen, Handstand, Choreografie. Anders als am Montag aber ist hier aber ein klares Trainingsprogramm vorgegeben, die Musik legt Zuscak fest. Er korrigiert die Kinder bei jedem ungenauen Griff, die Situation ist kontrollierter. Dabei gibt der Lehrer nicht nur Hinweise zur Körperkontrolle: „Wenn du aufgeregt bist, willst du Blödsinn machen, das bringt dich nicht weiter“, sagt der 38-Jährige zum Beispiel zu einem Schüler.

Der gebürtige Slowake hat ursprünglich Hotelmanagement studiert und sich tänzerisch alles selbst gebracht – mit Input von verschiedenen Künstlern. Daher sei es ihm sehr wichtig, den Kindern zu vermitteln, dass man es auch ohne förmliche Ausbildung in diesem Bereich schaffen kann. Er ermahnt die Jungs aber auch, ihre Grenzen zu kennen: „Lernt aus meinen Fehlern, schont euch“, sagt er und zeigt den Kindern, wo er sich als junger Tänzer eine Sehne gerissen hat: Der Daumen an seiner linken Hand hat keine volle Beweglichkeit mehr.

Kulturhaus Süderelbe: Zwischen den Lehrern gibt es regen Austausch

Zwischen den Lehrern Ba, Heinrich und Zuscak gibt es regen Austausch: Welches Kind ist in welchem Kurs am besten aufgehoben? Daher stehen Interessierten auch alle Kurse offen, man kann austesten, was am meisten zum eigenen Level passt. „Ein besseres Angebot kann man nicht finden“, sagt Zuscak. Die Kurse würden nicht nur interkulturellen Austausch bieten, sondern auch die Möglichkeit, sich kreativ auszuprobieren. Dazu gehören neben den Kursen auch Aufführungen.

Aktuell bereitet Heinrich ein Tanz- und Filmprojekt für Kinder und Jugendliche vor, das zum 21. August startet. Die Teilnehmenden werden zusammen mit mehreren Kulturschaffenden aus Hamburg ein Tanztheaterstück kreieren. Heinrich sagt: „Eigentlich ist Tanzen für jeden was: Die Schüchternen holt es ein wenig aus sich heraus, und die ganz Wilden kriegen dadurch ein bisschen mehr Ruhe rein“.

Weitere Informationen zu den Kursen gibt es unter kulturhaus-suederelbe.de. Für das neue Projekt bewerben kann man sich auf dem Instagram-Kanal der „Tanzcompagnie“.

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