Winsen setzt auf Ganztagsgrundschule. Haushalt durch Abgaben für Flüchtlinge belastet. Ortsratsmodell abgelehnt

Winsen. Es war ein ungewöhnlich emotionaler Abend in der Stadthalle. Die mehr als 40 Zuschauer sparten am Montag im Stadtrat nicht mit kritischen, in Vorwürfe mündenden Fragen und auch die Politiker ließen es mitunter am Respekt fehlen. Kostprobe aus mehreren Fraktionen: „Das bringt mich auf die Palme“, „Das ist krank“ oder „Ich rege mich ja auch nicht auf, wenn ich Ihren Schrott beschließen muss.“ Letztlich jedoch bleibt in der Kreisstadt alles beim Alten. Das von einer Initiative ins Gespräch gebrachte Pilotprojekt eines Ortsrat für Pattensen wurde von der Mehrheit von CDU, FDP und Winsener Liste abgelehnt. Zusätzliche Hortplätze wird es ebenfalls nicht geben. Die mehrheitlich beschlossene Strategie der Stadtverwaltung, nach der drei Ganztagsgrundschulen ausgebaut werden, hat Bestand. Immerhin sind für die drei Projekte bis zum Beginn des Schuljahres 2016/17 sieben Millionen Euro vorgesehen.

Schon eine Stunde vor der Sitzung hatten sich von 18 Uhr an Demonstranten der Initiative zur Bildung von Ortsräten sowie Eltern und Schulelternräte vor der Stadthalle gesammelt. Die gut 30 Männer, Frauen und Kinder hielten Aufschriften wie „Familienfreundlich ist anders“ oder „Mehr Hortplätze für Winsen“ hoch. Vor ihnen prangte auf einem blauen Banner: „Ortsrat jetzt.“

Doch die Richtung der Entscheidung bei den Ortsräten gab der CDU-Fraktionsvorsitzende André Bock bereits vor. „Das Ortsvorsteher-Modell hat sich seit 43 Jahren bewährt. Im Lüneburger Raum denkt man bereits wieder über eine Abschaffung der Räte nach. Einen Vorteil dieses Bürgervertretung sehen wir nicht, weil die Ortsteile ohnehin im Rat vertreten sind“, sagte Bock. CDU, FDP und Winsener Liste scheuen dazu die Kosten einer Befragung, die sich auf eine fünfstellige Summe addieren könnten. „Wir sehen den Vorteil dieser Bürgervertretung nicht“, so Bock. Dagegen wären SPD, Grüne, Freie Winsener und die FDP bereit, über eine Befragung das Interesse der Bürger in den Ortsteilen oder auch in der Stadt zu prüfen „Das ist sicher günstiger möglich als für die 40.000 Euro, die im Raum stehen“, so Benjamin Qualmann (SPD). Die Wahl hätte dann mit der Kommunalwahl im Herbst 2016 verbunden werden können.

Allerdings ist Bürgermeister André Wiese nicht davon überzeugt, dass die Pattenser Initiative die Mehrheit im Ort vertritt. „Wir erhalten immer wieder Anrufe, bei denen sich Bürger darüber beschweren, dass hier eine Gruppe für den Ortsteil spricht“, sagte Wiese. Er warnte davor, dass sich eine ungewollte Stimmung im Ort aufbauen könnte. Es sei ohnehin schwierig, Bürger für die Kommunalpolitik zu finden, sagte Tobias Müller, der 2. stellvertretende Ratsvorsitzende. Er fürchtet zudem, dass die Ortsräte eher ihren eigenen Interessen nachgehen würden. „Die Stadt ist aber stärker, wenn wir gemeinsam mit allen Ortsteilen Kompromisse schließen.“ Antrag abgelehnt. Die Initiative wird jedoch einen neuen Anlauf nehmen, versicherten Hans Gerd Wittrock und Dietmar Holz. Dies ist nach einem halben Jahr möglich.

Ebenfalls keine Mehrheit erhielt der Antrag von SPD, Grünen und Freien Winsenern, der sich auf die erkennbare Nachfrage nach der zusätzlichen Einrichtung von Krippen-, Kita- und Hortplätzen bezog. Dagegen steht das im April 2014 festgelegte Vorgehen, nach dem die Stadt auf Ganztagsgrundschulen setzt, die in Borstel, Roydorf und an der Hanseschule entstehen werden. Über die Aufnahme der Schule in Pattensen gibt es derzeit Gespräche mit der Verwaltung. Neue Hortplätze in der Stadt neben den 280 festen und 30 flexiblen wird es aber nicht geben, machte Wiese deutlich. Der Hintergrund: Nach der vom Kreistag beschlossenen Erhöhung der Umlage, um die Kosten für die Aufnahme der Flüchtlinge zu bezahlen, fehlt im Haushalt von Winsen eine Million Euro. Daher wurde für jede Position eine Sperre erlassen und die jeweilige Summe um sechs Prozent gesenkt. Für neue Hortplätze gibt es schlichtweg kein Geld. „Es ging uns bei dem Antrag aber zunächst einmal darum, für das Problem einen Vorschlag zu unterbreiten. Wir werden keinen Freibrief unterschreiben“, sagte Bernd Meyer, der Fraktionsvorsitzende der Grünen.

Der CDU, die sich für den Ausbau der Ganztagsgrundschulen ausgesprochen hat, ist bewusst, dass es künftig nicht für alle Eltern Hortplätze geben wird. „Wir müssen bis zum Angebot der Ganztagsschulen ein Jahr überbrücken, das wird für manche Familien tragisch sein. Aber sie sind auch für sich verantwortlich“, sagte Angelika Teuchert, die die Alte Stadtschule leitet. „Wenn wir Maßnahmen beschließen würden, die dem Nachfrageüberhang im vollen Umfang gerecht werden, würden wir etwas Unmögliches beschließen“, sagte Wiese. Auch er weiß, dass einige Eltern keinen Hortplatz erhalten werden. Aber: „Die Stadt oder der Staat können dies nicht für sie leisten.“