31 Jahre lang hat Maria Gerlach die einzige Gaststätte im Ort geführt. Weil ein Nachfolger fehlt, wird der Gasthof zu Wohnungen umgebaut

Otter. Stühle auf Tischen, Blumengestecke hinter Fenstern, Menükarte mit Schnitzeln aller Art im Aushang. Keine Rede von der Schließung. Es sieht so aus, als würde der Gasthof Gerlach, die einzige Gaststätte in Otter, heute Abend wieder öffnen. Doch hier wird kein Bier mehr gezapft, nicht mehr getanzt, geklönt oder gesungen. Leise verschwindet der Gasthof vom Markt.

Jahrzehntelang lang hat Maria Gerlach, 73, das Haus geführt. Die Frau stammt aus dem Rheinland und hatte die Gaststätte 1984 gekauft. Am 1. Februar 1984 begann der Betrieb. Nach 31 Jahren ist jetzt fast auf den Tag genau Schluss. Krankheit und Alter zwingen sie aufzugeben. „Es ist ein schwerer Beruf. Da ist es logisch, dass es irgendwann nicht mehr geht“, sagt sie. Aus der Familie ist keiner bereit, den Betrieb weiter zu führen.

Die Gaststätte ist bereits verkauft. „Sie wird zu Wohnungen umgebaut“, sagt Maria Gerlach. Wer dann in die Gaststätte einzieht, kann sie nicht sagen. Otter verliert damit seine einzige Gaststätte und damit den Ort, wo Vereine und Einwohner immer zusammenkamen. Die Liste derer, die sich im Gasthof Gerlach trafen, ist lang: Schützenverein, Feuerwehr, Landfrauen, Jagdhornbläser, Senioren. Über einen Mangel an Gästen konnte sich Maria Gerlach nicht beklagen. „Es lief gut“, sagt sie.

Der Gasthof Gerlach war aus dem Dorfleben nicht wegzudenken. Wer von den 1500 Einwohnern im Ort etwas zu feiern hatte, tat es im Gasthof Gerlach. Die Schützen schwoften hier auf ihrem Königsball, Ehepaare feierten hier ihre Goldenen Hochzeiten, Konfirmanden luden ihre Familien ins Gasthaus Gerlach ein. „Es war äußerst angenehm“, sagt Herbert Busch, Bürgermeister von Otter. „Es reichte für unsere Ansprüche mehr als aus. Wir waren froh, dass wir die Gaststätte hatten. Aber für die Betreiber war das natürlich viel Arbeit.“

Feste Anlaufstätte war der Gasthof vor allem für den Pfeifenclub „Blauer Dampf“. Monatlich kamen die Raucher hier zusammen, berieten über den Verein und seine Aktivitäten. Einmal im Jahr richteten sie in der Gaststätte ihre Zigarillo-Meisterschaft aus. Nun musste sich der Club ein neues Domizil suchen. Das war nicht leicht. Aber zumindest haben sie jetzt so etwas wie eine Notlösung gefunden: Sie können erst einmal ihre Versammlungen im Feuerwehrgerätehaus an der Schulstraße in Otter abhalten.

Die Schließung der Gaststätte Gerlach hatte auch zur Folge, dass der Pfeifenclub eine Reihe von Veranstaltungen absagen musste. Der Kinderkarneval fällt in diesem Jahr aus. Auch die Bingo-Show wird erst einmal ausgesetzt. Bernd Gätjens, 57, Pressewart des Pfeifenclubs und Leiter der Bingo-Show, hofft, für nächstes Jahr eine Lösung zu finden. Schließlich hat die Show mit mehr als 100 Teilnehmern in den vergangenen 13 Jahren einen Erlös von mehr als 7000 Euro eingespielt, die in die Unterstützung von Kindern und Jugendlichen flossen.

Auch das Boßeln rund um den Otterberg wurde in den Herbst verschoben und findet erst am 11. Oktober statt. Damit will sich der Vorstand einen Zeitpuffer verschaffen, um sich auf die neuen Umstände einzustellen. Für den Seniorenkreis gibt es eine Interimslösung. Er trifft sich jetzt in der Mensa der Grundschule in Otter. „Das ist nicht ideal, aber eine gute Notlösung.

Ob es langfristig so bleiben kann, wissen wir nicht“, sagt Bürgermeister Herbert Busch. Auch ihm bleibt bei größeren Ratssitzungen oder anderen öffentlichen Veranstaltungen mit bis zu 150 Zuhörern nur noch, in die Grundschule auszuweichen. Wer aus privaten Anlässen feiern möchte, der mietet wohl künftig Gaststätten in Tostedt an. „Gerlach wird uns fehlen“, sagt Herbert Busch.

Und Maria Gerlach? Wie geht sie selbst mit dem Ende ihrer geliebten Gaststätte um? „Ich freue mich, dass ich endlich einmal zur Ruhe komme“, sagt sie. „Aber sonst tut es schon alles sehr weh.“