Warum sich die Menschen im Landkreis Harburg beim Bau von neuen Strom- und Eisenbahntrassen Sorgen machen

Winsen. Bürgerbeteiligung und aktives Mitgestalten auf breiter Front wurden im Landkreis Harburg im ausklingenden Jahr zum Trend. Daran soll sich auch im kommenden Jahr nichts ändern. Doch immer mehr Bürgern kommt es so vor, als ob die Verfahren in die Irre laufen und ihre Vorstellungen bei den Baumaßnahmen nicht mehr als ein frommer Wunsch bleiben. Gleichzeitig stöhnen Politiker und Verwaltungsspitzen über immer längere Planungs- und Vorbereitungszeiten, bis Arbeiten überhaupt begonnen werden können. Zwei Beispiele für Projekte, die den betroffenen Bürgern derzeit große Sorgen bereiten.

Das jüngste ist die Suedlink-Stromtrasse, die Energie von den Offshore-Windanlagen auf dem Meer nach Bayern transportieren soll. So herrscht im Kreis Harburg Fassungslosigkeit darüber, dass nun Bürger aus Nachbarkreisen über die Köpfe der Harburger hinweg Vorschläge für eine neue Trassenplanung machen konnten. Der zuständige Netzbetreiber Tennet hatte die Bürger des Kreises Harburg von einer dahin gehenden Initiative bei einer Informationsveranstaltung in Tostedt in Kenntnis gesetzt. Jetzt haben die Naturfreunde Nordheide aus Buchholz Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) in einem Brief aufgefordert, derartige Beteiligung zu stoppen. „Konkret beantragen wir, der Bundesnetzagentur zu untersagen, die Trassenkorridorsuche nach dem Opportunitätsprinzip aus dem Landkreis Rotenburg in den weiter östlich gelegenen Landkreis Harburg zu verlegen“, heißt es in dem Schreiben.

Der Naturfreunde-Vorsitzende Bernd Wenzel verweist auf Vorschriften des Landesraumordnungsprogramms, wonach Maßnahmen des Energietransports mit der angestrebten Raumstruktur in Einklang stehen sollen. Wenzel schildert, dass die Alternativtrassen fast überall auf Raumwiderstände – zu ihnen zählen Siedlungen, Natur- und Landschaftsschutzgebiete – treffen. Zudem sei die Bevölkerungsdichte im Kreis Harburg mit 192 Einwohnern je Quadratkilometer mehr als doppelt so hoch wie im Kreis Rotenburg (78 Einwohner). Auch Rainer Rempe, der Landrat des Kreises Harburg, hatte in der vergangenen Woche seinen Widerspruch gegen solche Alternativtrassen für Strom zu Protokoll gegeben.

Der Konflikt war daraus entstanden, dass der Netzbetreiber Tennet, der die Stromtrasse bauen wird, zwar einen Trassenkorridor durch die Landkreise Stade, Rotenburg, Verden und Heidekreis erarbeitet hat. Doch im Rahmen von Bürgerwerkstätten im Kreis Stade waren dann Trassenalternativen durch den Kreis Harburg entwickelt worden.

Der nächste Konflikt um ein Großprojekt steht dabei schon vor der Tür. Zwar beginnt im kommenden Jahr das Dialog-Verfahren über die Y-Trasse, die für Containerzüge aus den Häfen Hamburg und Bremerhaven gebaut werden soll, und die Bürgerinitiativen werden daran auch beteiligt. Doch schon jetzt ist offen, ob dies den Bürgern ausreichen wird. So haben die Kreisstadt Winsen und auch die Samtgemeinde Salzhausen bereits jeweils fünfstellige Summen bereitgestellt, um sich bei den Planungen im Notfall fachlich und juristisch beraten zu lassen.

Der Landkreis Harburg soll jetzt nachziehen. Das beantragt die CDU-Kreistagsfraktion für die Beratungen über den Nachtragshaushalt für 2015. Insgesamt 20.000 Euro sollen für Beratungen reserviert werden, damit auch alternative Schienentrassen bewertet werden können. Ob sich Städte, Gemeinden und der Kreis dabei untereinander absprechen oder sogar finanziell beistehen, muss sich noch zeigen. In Winsen jedoch hat der Stadtrat dies von vorn herein für die Diskussion mit Land und Bahn nicht ausgeschlossen.