Letzter Teil der Abendblatt-Serie über den Apfel, unser liebstes Obst. Heute: Der Apfel am Weihnachtsbaum

Elstorf. Die Liebe zum Weihnachtsbaum ist groß in Deutschland. Fast jede Gemeinde, jede Stadt im Landkreis Harburg hat jetzt in der Adventszeit eine festlich geschmückte Tanne in ihrer Mitte stehen. Die Familien ziehen wenige Tage vor Heiligabend los, um sich das duftende Tannengrün ins Haus zu holen. Da wird auch der Baumschmuck wieder kistenweise vom Dachboden oder aus dem Keller geholt. Zentrale Utensilien sind Kerzen und Kugeln. Die dürfen am Baum eigentlich niemals fehlen. Was kaum einer weiß: Der Vorläufer der Weihnachtsbaumkugel ist der Apfel.

Dass alles, was am Weihnachtsbaum hängt, glitzert und glänzt, war lange Zeit gar nicht üblich. „Früher gab es Fressbäume“, sagt Alexander Eggert, Abteilungsleiter der Volkskunde am Freilichtmuseum am Kiekeberg. Von einem solchen Fressbaum ist das erste Mal in der Bremer Zunftchronik im Jahr 1570 die Rede. Dort wird ein geschmückter Baum für die gemeinsame Weihnachtsfeier erwähnt – ein Gabenbaum für die Kinder der Zunftmitglieder. Allerlei Leckereien, Nüsse, Datteln, Kringel, Papierblumen und eben Äpfel hingen an den Zweigen. Nach der Feier durften der Baum geplündert werden.

Auch Goethe erwähnt die Äpfel am Weihnachtsbaum in seiner Literatur. In „Die Leiden des jungen Werther“ von 1774 besucht Werther Lotte und da versetzt ihn ein aufgeputzter Baum mit Wachslichtern, Zuckerwerk und Äpfeln in paradiesisches Entzücken, wie Goethe schreibt.

Als Weihnachtsbaumschmuck kamen nur Äpfel in Frage, die noch bis zum Dezember frisch waren und nicht zu groß gewachsen waren, um den Christbaum nicht zu überladen. Vor allem aber mussten sie rot sein. Dafür kam der Purpurrote Cousinot in Frage – der bekannteste Weihnachtsapfel in Norddeutschland. Er wuchs in vielen Gärten. Auch die rote Sternrenette (Herzapfel) wurde gerne genommen. Danziger Kantapfel, Goldparmäne und Kaiser Wilhelm sind weitere Apfelsorten, die bis oder ab Dezember genießbar waren.

Diese Äpfel erntete man erst, wenn die Blätter schon vom Baum gefallen waren. „Dann stand der Apfelbaum wie geschmückt da“, sagt Alexander Eggert. „Mit roten oder gelben leuchtenden Kugeln. Dieses Bild wurde später auf den Glaskugelschmuck des Weihnachtsbaumes übertragen.“

Bis nach dem Ersten Weltkrieg waren echte Äpfel am Weihnachtsbaum noch en vogue. In bürgerlichen Haushalten war es schon ab 1870 üblich, Äpfel mit leonischen Drähten zu umspinnen. Auch mit Flittergold, Schaumgold, Rauschgold, Eislametta oder Weihnachtssilber wurden die Äpfel verziert. Das machte sie edler, und sollte an das Bild des glitzernden Winterapfels, der mit einer Eisschicht überzogen noch am Baum hing, erinnern. „Es musste glitzern und glänzen, um die Kostbarkeit des Weihnachtsschmuckes anzuzeigen“, sagt Alexander Eggert.

Selbst in Gebieten, in denen weniger Bäume, sondern vielmehr Pyramiden zu Weihnachten in den Wohnzimmern zu finden waren, gehörte der Apfel zum Gestell. Oben auf einem Kenkensbuum (auch als Klausenbaum bekannt), der vor allem im friesischen Raum üblich war, thronte beispielsweise die Frucht. Die Konstruktion der Pyramiden und Weihnachtsgestelle sei von Ort zu Ort unterschiedlich gewesen, sagt Alexander Eggert. Alle aber haben eine Standplatte, von deren Ecken Leisten nach oben gehen und sich treffen. Die Gestelle wurden meist mit Buchsbaum oder Efeu umwickelt.

Alexander Eggert, der aus Schleswig-Holstein stammt, hingegen kann Heiligabend nicht auf einen Weihnachtsbaum verzichten. Auch der glitzert und glänzen, aber ohne rote Kugeln. Seine Großeltern und sogar seine Urgroßmutter haben ihm ihren Baumschmuck vermacht. Und so schmücken viele blaue Kugeln, Holzfiguren und künstliche Tannenzapfen den Weihnachtsbaum von Alexander Eggert. „Ein schönes, buntes Konglomerat aus dem üblichen Schmuck zwischen 1920 und 1980“, sagt der Abteilungsleiter für Volkskunde.