Konferenz der Metropolregion Hamburg in Buchholz: Drei von vier Unternehmen finden kaum noch guten Nachwuchs

Buchholz. Zuerst zeigt der Ministerpräsident sein Smartphone ins Publikum, darauf eine App der Bertelsmann-Stiftung, die die Einwohnerprognosen einzelner Städte darstellt. „Mit nur 0,7 Prozent Rückgang steht Buchholz gut da. Landesweit sind es bis zu 20Prozent“, sagt Niedersachsens Landesvater Stephan Weil (SPD). Die Nordheidestadt ist Tagungsort für 300 Vertreter aus der Metropolregion, die sich zum Fachkräftemangel informieren und austauschen wollen. Einer Untersuchung der Unternehmensberatung Ernst & Young zufolge hätten bereits drei von vier Unternehmen Probleme, Nachwuchs zu finden, „und das ist erst der Anfang“, so Weil. Selbst in gut strukturierten Regionen gehe die Zahl der Erwerbstätigen um fünf Prozent zurück. Folge: „Wir werden es uns nicht mehr leisten können, Talente nicht zu fördern.“

Immerhin: Der Landkreis Harburg ist nicht untätig. „Wir müssen uns gemeinsam um Fachkräfte kümmern, es darf kein Kirchturmdenken geben. Die Metropolregion ist ein Wirtschaftsraum“, betonte Landrat Rainer Rempe. Die Kreise sollten sich auch nicht als gegenseitige Konkurrenz sehen. Vorige Woche hätten die elf Kreise des ehemaligen Regierungsbezirks Lüneburg eine regionale Handlungsstrategie entwickelt, auch zum Thema Fachkräfte. Rempe berichtete, dass in der Süderelberegion unter dem Arbeitstitel „Smart Region“ eine neue Initiative mit den Schwerpunkten Medien- und Kreativwirtschaft, Ernährungswirtschaft sowie Landwirtschaft in Arbeit sei.

Aber auch konkrete Projekte laufen im Landkreis Harburg: die Messe „Berufe fürs Leben“, die sich an Zehntklässler richtet. Der doppeldeutige Titel weist darauf hin, dass es nicht nur um den Beruf als Synonym für die eigenen Zukunft geht, sondern um Berufe, die mit Menschen zu tun haben, sprich Pflegeberufe. „Es ist wichtig, mit falschen Vorstellungen und Vorurteilen über bestimmte Berufe aufzuräumen“, so Rempe. Weiterhin gebe es seit 2011 die Kampagne „Stadtlandpraxis“, die sich an angehende und ausgebildete Ärzte richtet. Mit dem Projekt soll Medizinern die Tätigkeit auf dem Lande schmackhaft gemacht werden, ohne dass sie auf die Annehmlichkeiten der Stadt verzichten müssen. An Schüler richtet sich die Zukunftswerkstatt, die allen Schulen im Landkreis offen steht und Kinder und Jugendliche spielerisch an Naturwissenschaften heranführt, es gibt Kooperation zwischen Wirtschaft und Schulen und für Schüler mit Startschwierigkeiten wie Lernschwäche oder soziale Benachteiligung die Projekte Talentschmiede U20 und MyLife. „Hier geben Mentoren nicht nur praktischen Input, sondern vermitteln auch Grundtugenden“, so Rempe.

Sönke Fock, Chef der Hamburger Arbeitsagentur, betonte, bei der Frage, wie das Fachkräftepotenzial in der Metropolregion zu identifizieren und besser auszuschöpfen sei, müsse man auch zwei Gruppen im Blick haben: „Die Frauen, die oft in Teilzeit beschäftigt sind, und die Älteren, die immer noch schwierig in den Arbeitsmarkt hereinzuholen sind, wenn sie erst draußen waren“, so Fock. Weitere Ziele: Schulabgängern und Uniabsolventen einen nahtlosen Einstieg in die Arbeitswelt zu ermöglichen, Berufstätige fortlaufend zu qualifizieren, „vor allem in den Betrieben“, und die Attraktivität der Metropolregion in In- und Ausland bewerben. „Daran muss ständig gearbeitet werden“, so Fock. Auch die Arbeitgeber sind in der Pflicht: „Wir werben bei den Unternehmen dafür, die Expertise und Erfahrung älterer Arbeitnehmer zu nutzen und wollen erreichen, dass Vorurteile abgebaut werden. Altersgemischte Teams haben sich als die stabilsten herausgestellt. Viele Unternehmen fürchten schon heute den Wissensverlust, wenn die Babyboomer in Rente gehen.“ Die Arbeitsagentur könne Ältere zum Beispiel mit Eingliederungszuschüssen an die Unternehmen oder mehrwöchigen Coachings fördern.

Wie man Fachkräfte ausbildet, gewinnt und ans Unternehmen bindet, erörterten die Tagungsteilnehmer anschließend in vier Workshops. Die Regionalkonferenz der Metropolregion findet jährlich an wechselnden Orten statt. Themen waren unter anderem Energiewende, Verkehr und Tourismus.