Die AWO hat ehrenamtliche Sprachmittler ausgebildet, die Flüchtlingen im Alltag bei Arzt- und Behördengängen helfen

Jesteburg. Mariam Wehbi weiß, wie es sich anfühlt, in ein fremdes Land zu kommen. Nicht die Sprache der Einwohner zu sprechen, nicht mal Schilder lesen zu können. Sie kam vor etwa 30 Jahren aus dem Libanon nach Deutschland. Das krisengeschüttelte Land litt unter einem Bürgerkrieg. Ohne Eltern floh Wehbi über Zypern nach Deutschland. Zunächst kam die damals 17-Jährige in Braunschweig an. Von dort wurden die Flüchtlinge verteilt, und sie landete schließlich in der Gemeinde Jesteburg – schwanger, ohne Eltern.

Die Erfahrungen, die sie in dieser Zeit machte, haben sie geprägt. „Es war schwierig. Ich habe viel geweint“, sagt sie. Eine kritische Zeit, in der es vor allem auf die Unterstützung von außen ankommt. Die bekam sie. Die Frau, bei der sie untergebracht wurde, begleitete sie zum Arzt, half ihr zu verstehen, welche Medikamente sie schlucken sollte. „Mir wurde geholfen, jetzt helfe ich“, sagt Mariam Wehbi.

Sie ist eine von insgesamt elf ehrenamtlichen Sprachmittlern der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Mit Unterstützung der Kreisverwaltung bildete die AWO die Menschen an zwei Tagen aus. Jetzt helfen sie Flüchtlingen, Sprachbarrieren zu überwinden. Die Ehrenamtlichen können von allen Institutionen, Behörden, Beratungsstellen, Ärzten oder Einrichtungen des Gesundheitswesens bei der AWO angefordert werden, damit sich die Mitarbeiter leichter mit Flüchtlingen verständigen können.

Mariam Wehbi ist prädestiniert für diese Aufgabe. Sie kennt fast alle der rund 100 Flüchtlinge in der Gemeinde Jesteburg persönlich, da sie seit Jahren in der Kleiderkammer arbeitet. Sie gibt Kleidung und Hausrat wie Bügeleisen und Wasserkocher an Bedürftige. Wer was braucht, kommt zu ihr. Da war es nur logisch, dass sie sich auch als Sprachmittlerin engagiert.

Ihre Arabisch-Kenntnisse sind gerade jetzt wertvoll. Die meisten Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, stammen aus Syrien. Doch auch den Sudanesen, Marokkanern und Somaliern kann sie helfen. „Sie sprechen alle einen unterschiedlichen arabischen Dialekt. Aber ich verstehe alles“, sagt Mariam Wehbi. So begleitet sie regelmäßig einen jungen traumatisierten Flüchtling zur Psychiatrie. Auch zu einer Familie aus Somalia hat sie immer wieder Kontakt.

Wie sehr sie sich anderen Kulturen verbunden fühlt, beweist allein schon ein Blick in ihr Wohnzimmer. Zahlreiche afrikanische Figuren sind auf dem Schrank im Wohnzimmer aufgereiht. Alles Geschenke von Freunden und Bekannten sowie selbst Erworbenes. Sie hebt ein Exemplar hoch und streichelt den Kopf aus Holz – ein Präsent aus Abidjan, Elfenbeinküste, von ihrem Onkel. „Ich mag die Afrikaner“, sagt Mariam Wehbi, obwohl sie den Kontinent nie besucht hat.

Oft und viel in der Welt unterwegs war hingegen Natascha Schäfer, die ebenso dem Sprachmittlerpool der AWO angehört und wie Mariam Wehbi zum Helferkreis für Flüchtlinge in Jesteburg gehört. Neun Monate reiste sie um die Welt, arbeitete außerdem lange als Reiseleiterin. „Ich habe nur positive Erfahrungen gemacht. Das möchte ich gerne zurückgeben“, sagt Natascha Schäfer. Sie beherrscht Englisch und Russisch.

Auch sie hat einen Draht zu Asylbewerbern, da sie bei der Kreisvolkshochschule den Sprachkursus „In der Fremde angekommen“ erteilt. „Es ist wichtig, dass die Menschen mit offenen Armen empfangen werden“, sagt sie. Jemanden willkommen zu heißen, ist die eine Seite, seine eigenen Grenzen in der ehrenamtlichen Arbeit zu kennen, die andere.

Während des Seminars haben die Frauen gelernt, die Distanz zu wahren. Kaputte Heimat, verstörte Familien, traumatisierende Flucht – das, was die Frauen Ärzten und Behörden für die Flüchtlinge auf Deutsch formulieren, ist schwer zu verarbeiten. „Deshalb müssen wir unsere Gefühle draußen lassen“, sagt Mariam Wehbi. „Wenn wir übersetzen, dürfen wir nicht interpretieren oder die Aussage abändern.“

Mit ihrer Arbeit wollen Wehbi und Schäfer den Menschen eine Brücke sein. Sie werben auf beiden Seiten um Verständnis. Den Deutschen versuchen sie klar zu machen, dass keiner sein Heimatland leichten Herzens verlässt. Zugleich bemühen sie sich, Flüchtlingen zu erklären, warum die Deutschen Angst haben vor Asylbewerbern. „Wenn jeder dem Anderen so begegnen würde, wie man es sich selbst wünschen würde, gäbe es keine Probleme“, sagt Schäfer.