51 Bürger investieren viel Geld und glauben an die Energiewende – doch ihr Projekt steht nun auf der Kippe

Tespe. Die Samtgemeinde Elbmarsch ist vor drei Jahren eine schwere Bürde losgeworden: Das Atomkraftwerk Krümmel, das am anderen Ufer gegenüber der Elbmarsch-Gemeinde Tespe liegt, wurde dank der Energiewende stillgelegt. Das Kraftwerk und die benachbarte Kernforschungsanlage stehen unter Verdacht, Ursache für eine Häufung von Leukämie bei Kindern in der Elbmarsch zu sein. Vor zwei Jahren wurde die Gesellschaft „Bürgerwind Samtgemeinde Elbmarsch“ als GmbH & Co. KG gegründet, die einen eigenen Windpark mit sechs Anlagen plant.

Das Projekt ist ehrgeizig: Fünf Millionen Euro pro Anlage müssten investiert werden, erläutert der Beiratsvorsitzende der Bürgerwind Elbmarsch, Günther Bock. Schon 51 Kommanditisten sind davon überzeugt, sie stellen in mehreren Tranchen 10.000 Euro Startkapital pro Person zur Verfügung. Damit wären die Planungskosten gesichert. Die Bürger sollen sich mit Summen ab 1000 Euro einkaufen, die wiederum können auch von Gruppen, zum Beispiel Genossenschaften, aufgebracht werden können. „Wir wollen eine 100-prozentige Bürgerbeteiligung“, betont Bock.

Doch nun steht das Projekt auf der Kippe: Der Landkreis Harburg, der zurzeit die Fortschreibung des Regionalen Raumordnungsprogramms (RROP) erarbeitet, erwägt, die beiden Vorrangflächen für Windkraft in der Elbmarsch zu streichen. „Eine Abstimmungsvorlage wird nicht vor Frühjahr zu erwarten sein“, so Bock. „Die jetzige völlig verfrühte Äußerung des Kreises zum Thema Windenergie in der Elbmarsch sehen wir als unangemessene Vorfestlegung an“, kritisiert er. „Richtig ist, dass die Fläche EL17 wegen der Rotmilan-Horste westlich von Artlenburg möglicherweise problematisch ist“, räumt er ein. „Von der Fläche EL16 liegen die Horste aber weiter entfernt. Wir sind der Meinung, dass moderner Naturschutz auch Klimaschutz durch erneuerbare Energien beinhalten muss. Das bedeutet, Kompromisse zu suchen.“

Zum Schutz von Greifvögeln werde es anderenorts praktiziert, dass um die Windräder herum hochwüchsige Pflanzen gesetzt und Anlagen während der Erntezeit abgeschaltet werden. „Unseres Wissens gibt es in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg keine Beschränkungen bei Abständen von Rotmilanhorsten zu Windvorrangflächen. Dass Weißstorchpaare auf Gemeindegebiet nisten, ist seit Jahren bekannt und ebenso, dass der Weißstorch wenig sensibel gegenüber Windenergieanlagen ist“, betont Bock.

Er fürchtet, dass der Landkreis vor den Windpark-Gegnern einknickt. Die führen Sorge um Natur, Gesundheit und Landschaft ins Feld. Die Bürgerwind Elbmarsch will aufklären, hat aber mäßigen Erfolg: Das Angebot, Windanlagen ähnlicher Größe (200 Meter Gesamthöhe) im Hamburger Hafen aus der Perspektive von Anwohnern in Finkenwerder zu besichtigen, sei von den Gegnern nicht angenommen worden. Günther Bock ärgert auch, dass mit „Wertverlust von Grundstücken“ argumentiert wird. „Dem widerspricht ein Gutachten aus Aachen: Der Grundstückswert sinkt nicht, nur die Dauer, bis ein Grundstück verkauft ist, verlängert sich etwas.“ Auch die Bodenrichtwerte im Nachbarort Artlenburg (Kreis Lüneburg) hätten sich nach der Errichtung eines Windparks nicht verändert. Immerhin: „Es gibt auch 700 Unterstützer-Unterschriften für den Windpark. Das sind alles Alteingesessene, die haben die Leukämiefälle miterlebt“, sagt Bock. „Wir müssen uns doch fragen: Welche Welt wollen wir unseren Kindern hinterlassen?“ Er würde sich auch für ein Mediationsverfahren einsetzen.

Kreissprecher Johannes Freudewald bestätigt, dass die Behörde empfiehlt, die Flächen EL 16 und 17 zu streichen. „Das letzte Wort hat aber die Politik. Möglich wäre auch eine Änderung des Zuschnitts oder Verlegung der Flächen.“ Derzeit seien mehrere Gutachten in Arbeit.

Die Bürgerwind Elbmarsch hat von ihren Kommanditisten – allesamt Anwohner oder Auswärtige, die ihren Arbeitsplatz in der Elbmarsch haben – vor zwei Monaten den Auftrag erhalten, das Projekt weiterzuverfolgen. Bisher haben sie ihren Gesellschafteranteil von 1000 Euro eingezahlt, plus 3000 Euro von insgesamt 9000 Euro Darlehen für die Planung. „Sollte nur eine Fläche in Frage kommen, müssen wir sehen, ob wir drei bis vier Windräder bauen können“, so Bock. Sollten beide Fläche herausfallen, wären das Projekt auf Eis bis zur nächsten Anpassung des RROP. Und das Geld der Investoren? „Da müsste man dann eine Verlustzuweisung machen.“ Heißt: Das Geld wäre weg.

Infos unter www.buergerwind-elbmarsch.de und energienetzelbmarsch.net