Der Landkreis soll immer mehr Flüchtlinge aufnehmen. Landrat Rempe schreibt Brandbrief an Innenminister Boris Pistorius

Tostedt/Winsen. Der Landkreis Harburg schlägt Alarm. Bei der Aufnahme von Flüchtlingen gerate man „an die Grenzen der Handlungsfähigkeit“, schreibt Landrat Rainer Rempe (CDU) in einem Brief, der dem Abendblatt vorliegt, an den niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius (SPD). Die aktuelle Zuweisungspraxis der niedersächsischen Landesaufnahmebehörde (LAB), so heißt es weiter, stelle „die Integrationsarbeit in mehrfacher Hinsicht in Frage.“ Hintergrund ist die vom Land geforderte immer kurzfristigere Aufnahme von immer mehr Asylbewerbern im Landkreis. So sollen jetzt die bisher avisierten 514 Flüchtlinge nicht wie bisher angenommen bis Mitte Juni 2015, sondern bereits bis zum Jahresende untergebracht werden.

Rempe wirft in dem Schreiben gleich mehrere Fragen auf. „Zuweisungen erfolgen derzeit maximal sieben Tage zuvor, ohne dass Absprachen mit der LAB über Kapazitätsengpässe möglich sind. Was hat es zu bedeuten, wenn Mitarbeitern der LAB sogar verboten wird, mit den Kommunen zu telefonieren? Wie sollen die Landkreise diese schwierige Aufgabe in geeigneter Weise umsetzen, wenn jetzt quasi per Zuruf der Zuweisungszeitraum noch einmal um die Hälfte gekürzt wird?“, so heißt es in dem Brief. Auf eine Antwort auf das Schreiben mit Datum vom 14. November hofft Rempe „zeitnah“, wie er am Montag auch im Kreistag sagte.

Der Landrat kritisiert die vom LBA angewandte Praxis scharf. Sie sei seines Erachtens nicht im Sinne der von Pistorius „angestrebten und auch von mir unterstützten Flüchtlingspolitik einer Willkommenskultur. Sicher wird angesichts der weiter steigenden Flüchtlingszahlen eine Anpassung der Quoten erforderlich sein. Dabei sollte jedoch mehr Transparenz über die Verteilung der Zuweisungen auf die Landkreise und Kommunen erzielt werden, damit für alle nachvollziehbar wird, wie sich die Verteilung im Einzelnen darstellt.“

Auf mehrere Nachfragen hin habe es hierzu aber bisher keine Antwort gegeben. „Transparenz ist für uns jedoch entscheidend, um die nötige Akzeptanz für unser Vorgehen in den Gemeinden, in der Kommunalpolitik und in der Bevölkerung zu sichern“, so Rempe.

Insgesamt leben derzeit rund 1200 Asylbewerber in mehr als 50 Unterkünften im Landkreis Harburg. Allein in diesem Jahr wurden 655 Asylbewerber aufgenommen, dafür wurden 18 Unterkünfte geschaffen. Zurzeit sind sechs weitere Anlagen mit 440 Plätzen im Bau. Diese Unterkünfte werden sukzessive bis Ende Februar 2015 fertig gestellt. Darüber hinaus sind neue Anlagen mit rund 400 weiteren Plätzen in Planung. Für 2014 rechnet der Landkreis insgesamt mit Kosten von 12,5 Millionen Euro für das Unterbringen und die soziale Betreuung der Flüchtlinge. Das Land erstattet davon aber nur 2,2 Millionen Euro.

Klar ist: Jede Woche sollen im kommenden Jahr rund 40 Flüchtlinge neu aufgenommen werden. Damit dürften 2015 rund 2000 Menschen im Süden Hamburgs ankommen, die ihre Heimat zuvor verlassen haben. „Im Kreis gibt es aber keinen leerstehenden Wohnraum, so dass wir für sie nur auf Grundstücke oder neu aufgestellte Container-Anlagen zurückgreifen können“, so Rempe im Kreistag weiter.

Die meisten der Container-Anlagen haben bisher Platz für 58 Flüchtlinge. Sie werden von Mitarbeitern von Human Care betreut. Inzwischen plant der Kreis aber schon mit Anlagen für mehr als 100 Personen, in denen die Zahl der Sozialarbeiter aufgestockt wird.

Für den heutigen Mittwoch hat Rempe nun die Bürgermeister der Gemeinden zu einem Gespräch ins Kreishaus in Winsen geladen. Dabei soll es darum gehen, neue Möglichkeiten für die Unterbringung der Asylbewerber zu finden. Der Landrat ist überzeugt: „Nur mit einer guten Zusammenarbeit vor Ort können wir das Flüchtlingsproblem bewältigen.“