Der Verein Zukunft Elbinsel zeigt sich von dem Zukunftsbild des Hamburger Senates zum „Sprung über die Elbe“ enttäuscht

Wilhelmsburg. Die von der Internationalen Bauausstellung Hamburg (IBA) angestoßenen städtebaulichen Entwicklungen in Wilhelmsburg drohen stecken zu bleiben. Zu diesem Ergebnis kommt der Verein Zukunft Elbinsel nach der Lektüre des Rahmenkonzepts „Hamburgs Sprung über die Elbe“, mit dem der Senat eigentlich ein Zukunftsbild der Post-IBA-Zeit skizzieren will. Vorstandsmitglied Manuel Humburg sieht darin eine Rückentwicklung und zeigt sich enttäuscht: Die Elbinsel Wilhelmsburg solle demnach in erster Linie Hafen und dessen Verkehrsraum bleiben. Die Stadtentwicklungsbehörde habe sich von der Wirtschaftsbehörde unterkriegen lassen, so sein Urteil.

Das 44 Seiten starke Rahmenkonzept, das als Mitteilung des Senates an die Bürgerschaft ging, spiegele nach Meinung Manuel Humburgs die Machtverhältnisse zwischen den Behörden wieder: „Im neuen Rahmenkonzept haben sich die Wirtschaftsbehörde und die ihr unterstellte Verkehrsbehörde vollständig gegen die Begehrlichkeiten aus der Stadtentwicklungsbehörde durchgesetzt.“ Zuvor hatte bereits der Hamburger Stadtforscher Dieter Läpple von der HafenCity Universität im Abendblatt einen Rückfall in die Vor-IBA-Zeit fest gestellt.

Die IBA hat die Philosophie verfolgt, innere Stadtränder zu Hafen und Industrie zu überwinden und lebenswerte Quartiere auf diesen Grenzstreifen zu schaffen, die Stadtplaner Metrozonen nennen. Dabei hat die Bauausstellung bemerkenswerte Erfolge erzielt. Am spektakulärsten war der Abriss des Zollzauns, was den Wilhelmsburgern nach mehr als 100 Jahren den Zugang zum Wasser ermöglichte. Öffentlichkeitswirksam zeigte sich Bürgermeister Olaf Scholz am Spreehafen in Bauarbeiterkluft, um das letzte Stück Zollzaun aus den Angeln zu heben. Er sprach von der „Alster des Südens“, weil der Spreehafen einen herrlichen Blick auf Hamburgs Skyline bietet.

Außer der Möglichkeit zu Spaziergängen bietet die „Alster des Südens“ bis heute keine weitere Möglichkeit zur Freizeitnutzung. Selbst ein Kioskbetreiber blitzte ab. Hausboote sind nicht erlaubt. Geht es nach dem Senat, wird das offenbar so bleiben. Zumindest bietet das Rahmenkonzept keine Zukunftsvision für den Spreehafen – abgesehen von der mehr restriktiv klingenden Aussage, die Erlebbarkeit der Wasserfläche werde unter Beachtung der hafenrechtlichen, nautischen und wasserrechtlichen Belange im Zuge der geplanten Deicherhöhung als Planungsziel weiterverfolgt. Die Hafenbehörde Hamburg Port Authority verteidige in Wilhelmsburg jedes Zugeständnis, sagt Manuel Humburg.

Dazu passe, dass das Senatskonzept keinen Rückbau der Harburger Chaussee vorsehe. Das gilt als Voraussetzung dafür, dass an der „Alster des Südens“ Wohnungsbau mit Blick auf das Wasser und ohne Gewerbegebäuderiegel als Lärmpuffer möglich wird. Dabei sei die Öffnung des Spreehafens ein grandioser Erfolg der IBA gewesen, „Ein Symbol des Aufbruchs“, sagt Manuel Humburg.

Schwere Lastwagen fahren vorbei an Schulen und Wohngebieten

Der Senat gebe mit seinem Rahmenkonzept eine klare Botschaft: Wilhelmsburg sei das, was es immer war. In erster Linie Hafen, Industrie, Gewerbe und deren Verkehrsraum. Zu diesem Schluss kommt der Verein Zukunft Elbinsel. Sichtbarer Ausdruck dessen sei die einzige Grafik im Textteil, die in einer fetten Linie die bestehende Hafengrenze in Wilhelmsburg zeigt. Das allein sei eine Stellungnahme, meint Manuel Humburg. Warum sonst sei die Karte so exklusiv platziert? Dazu heißt es in den Leitlinien zu dem „Sprung über die Elbe“ in dem Senatspapier: Das Rahmenkonzept respektiere die Grenze des Hafengebietes und erhalte mit Blick auf erforderliche Sicherheitsabstände zudem Industrie- und Gewerbenutzungen im Bereich der Industriestraße und westlich der Georg-Wilhelm-Straße.

Kritisch sieht der Verein Zukunft Elbinsel die Aussagen im Senatskonzept zu einer neuen Hauptverkehrsachse in der Wilhelmsburger Mitte. Die Dratelnstraße soll ausgebaut werden, heißt es in dem Papier. Wie genau, bleibt offen. Aber sie soll für den Schwerlastverkehr mit Hafenbezug geeignet sein. Die Folge: Schwere Lastkraftwagen führen durch die Mengestraße, und weiter vorbei an den Schulen und geplanten Wohngebieten und Studentenwohnungen in der Dratelnstraße.

„Nach der Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße bekämen wir eine neue Hauptverkehrsachse mitten durch die Wilhelmsburger Mitte. Das ist doch absurd“, meint Manuel Humburg. Auch das wertet der Arzt aus Moorwerder als Indiz dafür, dass Begehrlichkeiten der Stadtplanung keine Chance hätten.

Die IBA habe für die Elbinsel Wilhelmsburg zwar Großartiges geleistet, sagt Manuel Humburg. Er nennt die Öffnung des Spreehafens, die Wohn-Pflege-Gemeinschaft für türkische Senioren mit Demenz, die Sanierung des Weltquartiers und die Schulneubauten. „Aber wenn Oberbaudirektor Jörn Walter aus dem Fenster seines Büros in der Wilhelmsburger Mitte schaut“, sagt Manuel Humburg, „sieht er alle seine Pläne aufs Schmerzlichste begrenzt.“