Deutschlands einziger Grünkohl, der per Hand geerntet wird, kommt von der Luhe. Ein Hausbesuch beim Landwirt

Winsen. Im Hintergrund ragen die dicken, tristen Hochhäuser aus Beton in den Himmel, davor knallgrüne Wiesen voller Grünkohl und mittendrin die Landwirte und Verantwortlichen, die dafür sorgen, dass die großen, krausen Blätter später – und immer im Herbst und Winter – die Norddeutschen dosenweise erfreuen: In Winsen an der Luhe lautet das Stichwort „Handarbeit“,. Genau diese ist das Markenzeichen und Aushängeschild der Traditionsmarke Lüders. Denn die Konkurrenz arbeitet mit der Maschine. Nach Winsen kommen in jedem Jahr Erntehelfer aus Polen und Rumänien. Sie bleiben siebnen Wochen, um hier Blatt für Blatt den Kohl mit den Händen zu rupfen. Gelbes, Braunes und die dicken Stängel können nur per Hand ganz genau aussortiert werden, damit sie nicht in der Konserve und somit auf unserem Teller landen.

Gepflanzt bereits Ende April, wurde das Wintergemüse früher nicht vor dem ersten Frost abgerupft. Die Umwandlung von Stärke zu Zucker und der Abbau von Bitterstoffen in der Pflanze erfolgte erst bei Temperaturen unter der Null-Grad-Grenze und auch erst dann wurde das Wintergemüse so richtig lecker. Den neuen Sorten reichen jedoch bereits kühle Temperaturen um die fünf Grad aus, da die Bitterstoffe durch die spezielle Zucht bereits herausgezogen wurden. So kann schon Ende September und im Oktober geerntet werden – und der Kohl ist eher im Handel. Eigentlicher Saisonbeginn ist jedoch erst im November, wenn es draußen kalt und dunkel ist. Dann lieben die Verbraucher das traditionelle Gemüse.

Die Erntehelfer starten jeden Tag um 6 Uhr mit der Arbeit auf dem Feld. Mit brusthohen Wathosen und langen Gummihandschuhen bewaffnet gehen sie in die grünen Felder und ans Ernten des knackfrischen Gemüses. Bis zum späten Nachmittag werden hier die Grünkohlblätter von den groben Blattrippen entfernt und über ein Fließband in Kisten verladen. Weiter geht es dann auf dem Hof, wo alle geernteten Blätter des Tages auf einen LKW geladen werden. Ein Fahrer tritt dann den 230 Kilometer langen Weg zur Fabrik der Lipperland Konserven GmbH an. Sie befindet sich in Bielefeld. Hier wird der Grünkohl gegen Mitternacht blanchiert und in die Dosen gepresst. Hinzugefügt wird nur noch Wasser. Dann wird das Ganze noch einmal zwei Stunden in ein Dampfbad getaucht - fertig ist der leckere Kohl, wie es ihn als bekannte Qualitätskonserve „garantiert handgerupft“ im Supermarkt zu kaufen gibt.

Jedes Jahr werden in Winsen 450 Tonnen des gesunden Gemüses produziert. 26.000 Dosen pro Tag und das sieben Wochen lang. Ein Vertrag zwischen Landwirten und Vertrieb gibt vor, wie viel Grünkohl jeder Bauer in einer Saison erntet muss. „Doch auch Reserve wird gepflanzt, denn als Landwirt weiß man nie genau, wie die Ernte ausfallen wird. Dieses Jahr konnten wir die geforderte Menge gerade so erreichen. Schuld ist die Trockenphase im September“, so Heinrich König. Der Landwirt aus Borstel arbeitet schon seit 50 Jahren im Grünkohlgeschäft und hat den Hof von seinen Eltern geerbt. Früher selber im Anbau tätig, ist er heutzutage nur noch für das Management zuständig und organisiert das Geschäft der Vertragslieferanten aus Winsen.

Waren es damals noch 120, so sind es heute nur noch fünf Bauern, die auf ihren insgesamt 60 Hektar Land den Grünkohl anbauen und auf Heinrich Königs Hof abliefern. Zu ihnen gehört auch Heinz Stein, der neben Getreide, Brech- und Palbohnen für den Frischmarkt eben auch den bekannten Winsener Grünkohl anbaut. Er selber ist für zehn Hektar Land zuständig und beschäftigte in diesem Jahr sieben Erntehelfer, die auf seinem Hof untergekommen sind. Besonders ist, dass er nicht nur den Verdura Kohl, sondern auch die alte Feinschmeckersorte Lerchenzunge anpflanzt, die auch heutzutage noch Frost für die Reifung benötigt. Die bekannte, aber rückläufige Gattung ist auf Bestellung natürlich auch frisch und von Hand gezupft auf seinem Hof erhältlich. Der Lüders-Grünkohl hat einen sehr geringen Pflanzenschutzmitteleinsatz und wird ohne Verwendung von Chemie erzeugt. Nur alle vier Jahre kann auf dem gleichen Feld Grünkohl angepflanzt werden, damit keine Bakterien und Krankheiten entstehen. „Fruchtfolge“ ist das Stichwort. Wo gestern noch der Kohl wuchs entsteht also nächstes Jahr ein Feld voller Getreide.

Alle, die nun auf den Geschmack gekommen sind, sollten sich das große Grünkohl-Schlemmerfest am kommenden Montag, den 17. November nicht entgehen lassen. Das Fest, ein Dankeschön an alle Familien und Beteiligten der Marke Lüders, startet mit Grünkohl- Liebhabern und Feierlustigen um 18 Uhr. Für 24,50 Euro pro Person gibt es Grünkohl statt.

Ob mit Kassler, saftiger Kochwurst, Pinkel, Schweinebacke angerichtet, mit Salz- oder deftigen Bratkartoffeln ist für jeden Grünkohltypen etwas dabei. Serviert wird dazu außerdem frisch gezapftes Holsten und Helbing-Schnaps. Schauplatz ist die Fischauktionshalle in Altona, in der Großen Elbstraße 9, die von oben bis unten mit dem grünen Kohl von Bauer Stein und seinen Kollegen aus Winsen geschmückt sein wird.

Moderator wird der aus Funk und Fernsehen bekannte Carlo von Tiedemann sein. Live-Musik wird außerdem von den „Big Maggas", den King Street Jazzmen und einem Shantychor geboten.

Alle Interessierten sind herzlich eingeladen. Karten gibt es auf www.adticket.de.