Behörde will den Grund, auf dem ihre Häuser stehen, als Überschwemmungsgebiet ausweisen. Die Folgen? Kaum absehbar

Neugraben. Die Straße Im Neugrabener Dorf gehört zu den beschaulichen Ecken des Stadtteils. Eigentlich. Hier liegt die Keimzelle von Neugraben. Es ist also ein Ort mit durchaus geschichtlicher Bedeutung. Doch: Es ist Schluss mit der Beschaulichkeit. Die Anwohner, deren Gärten an den Scheidebach grenzen, sind sauer und wollen sich gegen den Plan der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) wehren, das Gebiet als Überschwemmungsgebiet auszuweisen. Die Neugrabener fühlen sich überrumpelt. Sie seien nicht von der Stadt oder dem Bezirk über die Pläne informiert worden. Außerdem wussten sie nichts von der öffentlichen Auslegung der Planunterlagen. „Welchen Sinn macht so eine öffentliche Auslegung, wenn niemand davon weiß. Auch der Zeitpunkt, während der WM und in den Sommerferien, ist nun wirklich alles andere als günstig“, sagt Andreas Dick.

Vor allem aber haben die Neugrabener Angst vor den Folgen der Pläne. „Das Ganze kommt fast schon einer Enteignung gleich. Der Auflagenkatalog, den wir einhalten müssen bei unseren Häusern und in unseren Gärten ist lang und einen Käufer für unsere Immobilien zu finden, wird damit unmöglich“, sagt Frauke Gassmann-Scholz.

Die BSU plant neue Überschwemmungsgebiete in mehreren Hamburger Bezirken, darunter auch das Neugrabener Gebiet (wir berichteten). Laut eines Informationsblatts des Landesbetriebs Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) sind Überschwemmungsgebiete „Flächen an Hamburger Binnengewässern, die bei einem Hochwasserereignis natürlicherweise von Wasser überschwemmt oder durchflossen werden“. Es seien „natürliche Rückhalteflächen, die Wasser bei extremen Regenereignissen zwischenspeichern und Hochwasserstände in Gewässern dämpfen. Die Flächen können diese wichtige Funktion jedoch nur erfüllen, wenn sie von baulichen Anlagen oder sonstigen Nutzungen, die zu einer Verschärfung der Hochwassersituation führen könnten, freigehalten werden“, heißt es weiter. Die vorhandenen Bauten auf einer solchen Fläche haben zwar Bestandsschutz. Aber zum Beispiel der Neubau eines Carports, einer Gartenmauer oder andere Veränderungen werden nicht genehmigt. Auch Versicherungen, so die Anwohner, zögen sich aus der Verantwortung bei Häusern, die in solchen Überschwemmungsgebieten stünden.

Bis gestern lagen die Planunterlagen der BSU im Neugrabener Kundenzentrum aus. Durch reinen Zufall kamen die Anwohner der alten Wohnstraße dahinter, dass sich hinter den Plänen der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) „Überschwemmungsgebiet Falkenbek“ eigentlich nicht die Falkenbek, sondern der Bach vor ihrer Gartentür, der Scheideholzbach verbirgt. „Ich hatte mir die Karten angesehen und merkte, dass nicht die Falkenbek gemeint sein konnte. Dann bin ich zum Kundenzentrum Süderelbe gegangen und wollte die Planunterlagen sehen. Dort fand man sie nicht. Erst die Abteilungsleiterin wusste, was ich meinte und suchte den entsprechenden Ordner heraus. Man konnte mir dort keine Fragen beantworten. Und erst hinterher bekam ich heraus, dass es zum Beispiel einen erklärenden Flyer geben soll“, sagt Olaf Parting. Parting selbst ist, wie er sagt, derzeit noch nicht direkt von der Ausweisung betroffen, weil er auf der anderen Straßenseite wohnt. Er befürchtet aber, dass ihn das Schicksal auch ereilen könnte. Der Hausbesitzer will sich genauso gegen die Pläne wehren wie seine Nachbarn vis à vis.

Die Anwohner der Straße Im Neugrabener Dorf sehen überdies überhaupt nicht die Notwendigkeit, die Flächen als Überschwemmungsgebiet auszuweisen. „Früher wurde der Scheideholzbach regelmäßig von den Landwirten sauber gemacht und frei geschnitten. Er war tief und breit genug, um bei Starkregen, genügend Wasser abzuführen“, sagt Uwe Schweitzer. Der 72 Jährige hat sein ganzes Leben hier verbracht. Und sein Nachbar Jürgen Hupe ist der festen Überzeugung, dass der Bach, würde er verbreitert werden, ohne weiteres in der Lage sei, auch heute noch seine Aufgabe zu übernehmen.

Auf Nachfrage beim Bezirksamt Harburg räumt Sprecherin Bettina Maak zwar ein, dass der Informationsflyer in Süderelbe vergriffen, eine fachliche Beratung dort im Kundenzentrum nicht zu leisten sei. Aber der Flyer könne auch online abgerufen werden. „Die Planunterlagen liegen im Bauamt des Bezirksamtes aus. Hier beantworten unsere Fachleute auch die Fragen. Zusätzlich, um es den Betroffenen einfacher zu machen, wurden die Unterlagen auch in Cranz und im Kundenzentrum in Neugraben ausgelegt“, sagt Maak. Üblicherweise würde das Bezirksamt die Termine für öffentliche Auslegungen auf seiner Internetseite veröffentlichen. Jeden einzelnen Betroffenen anzuschreiben und über eine Auslegung zu informieren, sei nicht machbar. Ob eine Ertüchtigung des Scheideholzbaches, so Bettina Maak, die Ausweisung als Überschwemmungsgebiet überflüssig mache, sei spontan nicht zu beantworten. Solche Fragen könnten in dem anschließenden Verfahren geklärt werden. Die Betroffenen an der Straße Im Neugrabener Dorf jedenfalls wollen sich jetzt anwaltlich beraten lassen.