Flüchtlinge lösen bei den Harburgern in Stadt und Land die unterschiedlichsten Emotionen und Reaktionen aus

Harburg/Hollenstedt. Geht es um die Unterbringung von Flüchtlingen scheint ein Riss durch die Bevölkerung zu gehen: In Stadt und Land regen sich einerseits Menschen auf, wenn in ihrer Nähe Flüchtlingsheime entstehen, andererseits werden Willkommensfeste und Hilfsaktionen organisiert. Auf breiter Front werben Behörden und Verbände um Verständnis für die Notlage der Flüchtlinge.

An der katholischen Stadtteilschule Harburg fand bis heute eine Projektwoche zum Thema Flucht und Migration statt. In Zusammenarbeit mit der katholischen jungen Gemeinde befassten sich die Schüler mit den Hintergründen und Umständen der großen Fluchtbewegungen, die derzeit stattfinden.

Auf dem Schulhof standen ein Original UN-Flüchtlingszelt, sowei Info-Zelte, in denen unter anderem ein Flüchtlingsfloß-Simulator aufgebaut war. Der hatte zwar nur die Größe einer Transportpalette, aber er schaukelte und bot den jeweils dutzendstarken Schülergruppen nur dicht gedrängt stehend Platz. „Ihr wollt jetzt schon runter“, erklärtre Teamer Patrick den Schülern. „Die Flüchtlinge fahren so tagelang über das Meer.“

An anderen Stellen informierten Tafeln über Rohstoffkriege und Nahrungsknappheit. „Ich sehe mein Handy jetzt mit anderen Augen“, sagt Schüler Pedro. „Man muss etwas tun. Alleine bewegt man jedoch nichts. Deshalb ist es gut, sich Mitstreiter zu suchen.“

Höhepunkt der Projektwoche war ein Flashmob auf dem Rathausplatz. Innerhalb von 10 Minuten, galt es für die 300 Schüler, ein großes Herz zu formen, ein Herz für die Welt. An der Aktion beteiligte sich auch Harburgs Bezirksamtsleiter Thomas Völsch. „Harburg ist ein sehr vielfältiger Bezirk mit sehr vielfältigen Menschen“, sagte er den Schülern. „Viele dieser Menschen sind hier eingewandert und einige sind soger geflohen – vor Hunger, Gewalt, Verfolgung oder Perspektivlosigkeit.“

Das Herz zu stellen, bewältigten die Schüler knapp innerhalb der Zeit. Engagieren wollen sie sich aber noch länger.

Auch der Landkreis Harburg warb kürzlich um Unterstützung und Verständnis für die Unterbringung von Asylbewerbern. Die Verwaltung will ab Oktober maximal 58 Flüchtlinge in einer Wohncontaineranlage an der Wohlesbosteler Straße am Ortsausgang unterbringen. Ein Fünf-Jahres-Pachtvertrag mit dem Eigentümer ist geschlossen, im Juli sollen die Erschließungsarbeiten beginnen. Die Vertreter der Gemeinde, die den Deal auf den Weg gebracht hatten, sowie Reiner Kaminski, Fachbereichsleiter Soziales im Kreishaus, und Pressesprecher Johannes Freudewald informierten an diesem Abend etwa 70 geladene Gäste im Hollenstedter Küpsterhaus über die aktuelle Situation.

Die Zuwanderung an Asylbewerbern in den Landkreis Harburg ist nach wie vor groß. Insgesamt 869 Asylbewerber leben in der Region. Bislang wurden in diesem Jahr 250 Personen aufgenommen, wöchentlich kommen 20 Personen hinzu, die von der Verwaltung in geeigneten Unterkünften untergebracht werden müssen. Ein Großteil der Asylbewerber stammt mit 87 Personen aus Syrien sowie aus dem Sudan (24), aus Afghanistan (26) und Somalia (24). „Seit letzter Woche ist die neue Zuweisungsquote bekannt. Demnach müssen wir bis Juni 2015 noch weitere 515 Personen unterbringen“, sagte Reiner Kaminski. 190 Plätze seien dabei in gesicherter Planung, 15 weitere befänden sich in Verhandlung. „Wir sind aber weiterhin auf alle Angebote angewiesen, die sich uns bieten.“

Die Bürger, bei denen es sich zum großen Teil um Anwohner in direkter Nachbarschaft zur geplanten Wohncontaineranlage handelt, äußerten sich kritisch zum Vorgehen von Gemeinde und Kreisverwaltung. Viele fühlten sich nicht ausreichend informiert. Kritik äußerte ein Hollenstedter an dem Standort: „Warum werden die Asylbewerber nicht mitten in Hollenstedt, sondern am Ortsausgang untergebracht?“ Ein anderer hielt die Unterbringung von 58 Menschen an einem Platz für unverhältnismäßig. „Für mich kommt das einem Ghetto gleich. Wenn so viele Leute auf einem Haufen sitzen, hat das nichts mit Integration zu tun, sondern mit der Schaffung von Parallelgesellschaften. Ich bin im Ruhrgebiet aufgewachsen, ich kenne das Problem.“

Johannes Freudewald entgegnete, dass die Frage der Intergration auch immer einer Frage der örtlichen Gemeinschaft sei. Ehrenamtliche Helfer seien gefragt. „Sie müssen sich überlegen, wie sie Kontakte mit den neuen Nachbarn knüpfen können, wie Sie auf sie zugehen können“, so der Pressesprecher. Ängste und Bedenken, die auch in anderen Gemeinden zunächst geäußert worden seien, hätten sich schnell aufgelöst. Das betonte auch Hans-Jürgen Scholz, Leiter der Polizeistation in Tostedt/Hollenstedt. „Die Wirklichkeit relativiert alles“, sagt er. Nur ein einziges Mal sei die Polizei in Verbindung mit den Asylbewerbern zum Einsatz ausgerückt. „Die Befürchtungen haben sich schnell in Luft aufgelöst.“