Hoteliers und Gastronomen in der Region verzeichnen deutlich mehr Gäste. Dennoch sehen manche skeptisch in die Zukunft: Es fehlen Azubis

Harburg/Rosengarten. Gibt es eine Branche, die boomt und zukunftssicher ist – und die trotzdem große Probleme hat, junge Leute für Berufsausbildungen zu begeistern? Es gibt sie – die Rede ist vom Hotel- und Gaststättengewerbe. Betriebe in dem Bereich haben eigentlich allen Grund zur Freude. Denn seit Jahren kommen immer mehr Touristen und Tagesausflügler in die Region südlich der Elbe. Gesellschaftliche Entwicklungen wie der Trend zu regionalem Essen helfen zusätzlich. Zukunftssorgen haben Hotels und Restaurants trotzdem. Immer häufiger bleiben Ausbildungsplätze zum Koch oder Hotelkaufmann frei. Derzeit sind es im Bezirk und im Landkreis Harburg rund 300 Stellen, die nach Angaben der Agentur für Arbeit unbesetzt sind.

Einer der Betriebe, die betroffen sind, ist das Hotel und Restaurant Cordes in Rosengarten-Sottorf. Dort freut man sich über zahlreiche Gäste, die aus allen Teilen Deutschlands kommen. Aber: „Wir bekommen seit vier Jahren keinen Auszubildenden mehr“, sagt Inhaber Thomas Cordes, der auch Vorstandsmitglied des Kreisverbandes Harburg des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) ist. Er würde „das ganze Paket“ bieten, also eine Ausbildung zum Restaurantfachmann, zum Hotelkaufmann, zum Koch oder zu anderen Berufen. Doch auf Gesuche und Anzeigen bekomme er nicht eine einzige Antwort.

Bei der Industrie- und Handelskammer Lüneburg-Wolfsburg sind solche Sorgen wohlbekannt: „„Es ist für die Betriebe in dem Bereich extrem schwierig geworden, Plätze zu besetzen“, sagt Sönke Feldhusen, Bereichsleiter für Existenzgründung und Unternehmensförderung. Das sei „definitiv ein großes Problem“, zumal der demografische Wandel dafür sorge, dass es in den kommenden Jahren ohnehin immer weniger junge Leute gebe.

Auf die Frage, woran es liegt, nennen Experten ähnliche Gründe. Die Arbeitszeiten seien wohl „nicht für alle Jugendlichen attraktiv“, sagt Sönke Feldhusen. Knut Böhrnsen, Sprecher der Agentur für Arbeit im Bezirk Harburg, ergänzt: „Die Herausforderungen sind nicht ohne. Der Ton ist manchmal ein rauer, wenn auch ein herzlicher. Und die Bezahlung spielt wohl auch eine Rolle. In anderen Branchen wird deutlich mehr gezahlt.“

Florian Förster hat es trotz all dieser Widrigkeiten dennoch gewagt. Er hat im August letzten Jahres eine Ausbildung zum Koch begonnen, im Hotel und Restaurant Böttchers Gasthaus in Rosengarten-Nenndorf. Dort hat der 17- Jährige, der aus der Gemeinde Picher bei Ludwigslust stammt, auch eine Unterkunft. Nach Hause fährt er, „wenn es passt“, das ist etwa einmal im Monat. Seine Schicht beginnt meistens gegen 14 Uhr, um diese Zeit werden Salate und Soßen vorbereitet. Der Arbeitstag endet gegen 21 oder 22 Uhr, dann wird die Küche geputzt. Er arbeitet an drei Tagen in der Woche, an zwei Tagen fährt er zur Berufsschule nach Lüneburg und an weiteren zwei Tagen hat er frei. Dass er Koch werden will, war für ihn schon lange vor dem Realschulabschluss klar. Der Beruf wurde ihm geradezu in die Wiege gelegt, sein Vater hat ein Restaurant im heimischen Picher.

An die Arbeitszeiten ist Florian, familiär bedingt, gewöhnt. Aus dem Freundeskreis weiß er aber, dass sie andere Jugendliche abschrecken: Ein Großteil der Jugendlichen kommt nicht damit klar, am Wochenende und an Feiertagen zu arbeiten“, sagt er. Außerdem gebe es Betriebe, die dem Ruf der Branche schaden würden. „Viele müssen einfach fairer sein. Ich höre von manchen Kollegen aus der Berufsschule, dass sie 14 Stunden arbeuten müssen. Man sieht dann in der Schule, dass die total platt sind.“

Hans-Peter Ebeling, im Harburger- Dehoga-Vorstand für den Bereich der Gaststätten zuständig, bestätigt: „Es gibt viele Azubis, die nur Gemüse putzen. Von so etwas distanzieren wir uns.“ Um dem bisweilen schlechten Ruf der Brance entgegen zu wirken, hat der Dehoga- Landesverband Niedersachsen 2013 eine Selbstverpflichtung eingeführt, die Betriebe unterzeichnen können. Zwölf Punkte sollen einen fairen Umgang mit den Azubis sichern – ein Punkt sieht etwa vor, dass die Kommunikation von „Fairness und Respekt“ geprägt sein soll.

Ebeling, Inhaber des Landgasthofs zum Estetal in Kakenstorf und selbst Ausbilder, hat die Selbstverpflichtung unterschrieben. Doch er ist betont auch, dass noch viel mehr passieren müsse, damit die Branche wieder attraktiver für Jugendliche wird. „Wir sollten noch viel stärker an die Schulen herangehen. Und es müsste viel mehr Praktika geben“, sagt er.

Die IHK Lüneburg-Braunschweig hat ebenfalls reagiert. Die Initiative „hierjetztmorgen“, die im Februar gestartet wurde, sieht ein Bündel von Maßnahmen vor, um dem Fachkräftemangel entgegen zu wirken. Unter anderem ist eine Ausbilder-Akademie in Planung, außerdem eine „Willkommensagentur“ für junge Leute, die aus Ländern wie Spanien und Portugal in die Region kommen, um eine Ausbildung zu machen. Speziell für das Gaststättengewerbe soll ein Ausbildungszentrum geschaffen werden. Es ist gedacht speziell für „Zielgruppen, die bislang Schwierigkeiten haben, einen Ausbildungsplatz zu bekommen“, wie Sönke Feldhusen sagt.

Generell sollten Betriebe offener sein für leistungsschwächere Schüler und auch für Migranten, die in Deutschland leben. Darüber hinaus sei es „ein Baustein“, junge Leute aus dem EUAusland in die Region zu holen. Aber: „Man muss dann auch etwas dafür tun, dass die danach hier bleiben.“

Florian Förster jedenfalls hat schon klare Vorstellungen: Er möchte auch zukünftig in Deutschland arbeiten – eines Tages würde er gern den Betrieb seines Vaters in Picher übernehmen. Falls er es sich allerdings noch anders überlegt, hat er auch anderswo beste Chancen, wie Knut Böhrnsen betont. „Ein Großer Vorteil des Jobs ist, dass man schnell nach der Ausbildung Verantwortung übernehmen kann. Und wenn man noch die Sprachkenntnisse hat, kann man überall in der Welt durchstarten.“