Die SPD muss sich nach herben Wahlverlusten neu sortieren, Grüne und Linke schwimmen obenauf. CDU unzufrieden

Harburg. Katerstimmung bei der SPD, Aufbruchstimmung bei den Grünen und der Linken in der neuen Bezirksversammlung – auf diesen Nenner lässt sich das Ergebnis der Bezirkswahl in Harburg bringen. Und die CDU hängt irgendwo in der Mitte. Klar ist, jetzt muss sich der „monolithische Block“ wie CDU-Fraktionschef Ralf-Dieter Fischer in der vergangenen Wahlperiode die SPD-Fraktion mit ihrer Ein-Stimmen-Mehrheit gerne publikumswirksam nannte, bewegen.

Die Harburger SPD hat sechs Sitze in der Bezirksversammlung verloren und rutscht von 26 auf 20 Mandate. Die CDU bleibt bei 14 Sitzen, die marginalen Zugewinne haben keinen weiteren Sitz eingebracht. Grüne und Die Linke bekommen jeweils zwei Sitze dazu, sind nun also mit sieben (Bündnis90/Die Grünen) und mit fünf (Die Linke) Mandaten vertreten. Jetzt muss ausgelotet werden, wer mit wem zusammen arbeiten kann. Die SPD braucht entweder die Grünen oder die CDU für eine Mehrheit in der Bezirksversammlung. „Auf wechselnde Mehrheiten lege ich keinen großen Wert, am Ende machen wir uns bei Entscheidungen noch von der Alternative für Deutschland abhängig. Das kann nicht in unserem Interesse liegen“, macht Jürgen Heimath (SPD) klar.

Bevor aber die SPD in die ersten Koalitionsgespräche gehen kann, muss sie sich erst mal neu sortieren. Dass SPD-Fraktionschef Heimath weiterhin den Job des Chef der Fraktion bleiben wird, kann als gesichert gelten. Zumal der ehrgeizige Muammer Kazanci (SPD), der schon hinter den Kulissen an Heimaths Stuhl gesägt hatte, mit einem desaströsen Stimmenergebnis von 579 aus der Bezirksversammlung geflogen ist. Trotzdem bleibt der Start in die neue Wahlperiode für die Sozialdemokraten schwierig. Harald Muras – er war vor einigen Monaten für den von der Fraktionsarbeit genervten und deswegen zurückgetretenen Peter Sielaff nachgerückt – ist beim Wähler durchgefallen. Muras galt unter den Genossen als einer, der die fraktionsinternen und am besten auch parteiinternen Wogen glätten sollte. Die ihm angebotene Kandidatur für den Posten des SPD-Kreischefs hatte Muras gleich ausgeschlagen. Frank Richter wurde hingegen im Amt bestätigt und jetzt auch in die Bezirksversammlung gewählt.

Dafür nimmt die SPD jetzt gleich zwei personelle Probleme mit in die neue Bezirksversammlung. Martin Celik schaffte auf Anhieb den Sprung in die SPD-Fraktion mit 1988 Stimmen. Celik hatte sich bei den Genossen in den vergangenen Monaten überaus unbeliebt gemacht, weil er mit der Geschäftsführung des Hochzeitssaal an der Lauterbachstraße wenig Glück bewies (das Abendblatt berichtete). Die Genossen schlossen ihn als zugewählten Bürger in der SPD-Fraktion aus, um weiteren Schaden von der Partei abzuwenden. Versuche, ihn von seiner Kandidatur für die Bezirkswahl abzubringen, scheiterten. Jetzt ist er Teil der SPD-Fraktion. Der zweite Problemfall der Partei: Thorsten Fuß. Ihn hatten die Sozialdemokraten in der vergangenen Wahlperiode mit einem Parteiordnungsverfahren wegen Mobbings lahmzulegen versucht, jedoch ohne Erfolg. Mit einem überaus beachtlichen Wahlergebnis von 3223 Stimmen ist Fuß jetzt wieder dabei.

Um regieren zu können, braucht die SPD einen Partner mit mindestens sechs Sitzen. In Frage kommen da die Grünen, drittstärkste Kraft im Harburger Rathaus. „Zuerst mal freuen wir uns über unsere 3,5 Prozent Zugewinn. Das ist ein sensationelles Ergebnis. Darauf können wir stolz sein“, sagt Noch-Fraktionschef Kai Wolkau. Ein solch selbstbewusster Koalitionspartner, lässt sich nicht billig einkaufen. „Ein Koalitionsvertrag mit der SPD müsste sehr grün gefärbt sein", so der Jurist mit Blick auf die Bürgerschaftswahl in einem halben Jahr. Aber auch die Grünen müssen sich jetzt in der Bezirksversammlung neu sortieren.

Mit dem Ausscheiden von Heinke Ehlers muss die Fraktion einiges an Kompetenz kompensieren. Weitere Optionen aus Sicht der Grünen bleiben aber immer noch die klassische Oppositionsarbeit und die politische Arbeit mit wechselnden Mehrheiten. die Frage nach einer Neuauflage von schwarz/grün, so Wolkau stelle sich erst gar nicht, würde sie doch weder der CDU noch den Grünen eine Mehrheit beschaffen. Eine politische Zusammenarbeit mit der Alternativen für Deutschland (AfD), sagt Kai Wolkau, sei für die Grünen ausgeschlossen.

Der zweite Gewinner dieser Wahl sind unbestreitbar die Linken. Sie konnten die Zahl ihrer Sitze von fünf auf sieben erhöhen, und sogar zwei Direktmandate gewinnen. Die Linke denkt nicht ans Koalieren. „Unsere politische Arbeit in der Bezirksversammlung hat sich dadurch ausgezeichnet, dass wir sachbezogen an den Inhalten gearbeitet haben, mit wechselnden Koalitionen. Uns geht es um die Inhalte, nicht um die feste Zusammenarbeit mit einer anderen Fraktion. Und das scheinen die Wähler auch zu honorieren“, sagt eine glückliche Sabine Boeddinghaus.

Auch wenn die CDU bei der Bezirkswahl weit unter den Zugewinnen geblieben ist, die sich Fraktionschef Ralf-Dieter Fischer gewünscht hätte, muss sie sich nicht mit fraktionsinternen Querelen herum ärgern. Die Wiederwahl Fischers als Fraktionschef gilt als sicher. Dennoch: „Das Wahlergebnis und die Tatsache, dass wir keinen Sitz dazu gewonnen haben, ist natürlich enttäuschend“, so Fischer. Der CDU-Politiker macht keinen Hehl daraus, dass er von Haus aus kein Freund einer großen Koalition sei. „Die muss in der Politik eine Ausnahme bleiben", sagt Fischer. Eine klare Absage aber will Fischer den Genossen noch nicht erteilen.

„Der monolithische Block SPD ist gesprengt. Eine große Koalition kann es mit der CDU aber nur geben, wenn die Politik wieder über die wesentliche Linie entscheidet, und ein Bezirksamtsleiter Thomas Völsch als Verwaltungschef diese politischen Entscheidungen umsetzt“, so Fischer. In der Vergangenheit habe man eher, so der CDU-Chef, das Gefühl gehabt, Völsch sei der 27. Abgeordnete der SPD-Fraktion. Erschrocken, und das bestätigen alle Bezirksabgeordnete, seien sie über die geringe Wahlbeteiligung von 36,4 Prozent.