Rund 15.000 Besucher feiern den ersten Discomove durch Harburg. Oder nur einen kleineren Schlagermove? Veranstalter Bernd Langmaack ist zufrieden

Harburg. Antigone Golke aus Harburg weiß, worauf es beim Outfit ankommt: Afro-Perücke, Paillettenkleid und Plateaupumps. Arme und Rücken frei. Ein Hingucker. Wenn sie vom Wagen runterwinkt, tanzt, lacht, tun es ihr die meisten da unten nach. Aber noch ist die Stimmung eher verhalten.

Der Disco-Truck vom Team Bolero, Online-Informationsdienst Besser im Blick und Kaiser-Werbung ist gerade erst vom Kanalplatz in Harburg losgezockelt. Aus den Boxen dröhnt „Relight my fire.“ Die ersten Drinks sind verteilt, und jetzt heißt es Schalter umlegen: Partyyyyyy! „Wo sind die Hände?“, brüllt DJ Pete West von Angie’s Night Club in den Lautsprecher auf dem Truck. Na, wo? Oben!

Antigone Golke winkt mit ihrem Bierbecher in die Menge unter ihr und wippt. „Mal ein bisschen Bewegung. Der Truck wackelt ja nicht mal“, beschwert sich der Mann am Mikro. Die Leute auf dem „One-and-only-Party-Truck“ sollen alles geben heute. Schließlich ist es der erste Discomove in Harburg. Zitiert man den Veranstalter ist es sogar der „weltweit“ erste. Naja, das ist etwas übertrieben. Das Ganze ähnelt dem Schlagermove doch sehr: Buntes Partyvolk, das auf Trucks durch die Straßen zieht. Die pinkfarbenen Perücken, Blumenhalsketten, überdimensionalen Sonnenbrillen in Herz- und Blumenform, die Schlaghosen und psychedelischen Mustern auf Hemd und Bluse hat man beim Schlagermove auch schon gesehen.

Und ja tatsächlich: Viele von denen, die auf dem Disco-Truck tanzen, liefen in der Vergangenheit regelmäßig beim großen Schlagermove auf dem Kiez mit. Da mussten sie auch nicht lange nachdenken, welches Outfit sie zum Discomove am Sonnabend in Harburg aus dem Schrank holen. Aber egal ob Schlager-bunt oder Disco-stylisch, letztlich geht es doch nur um den Spaß. „Die Leute sind so entspannt“, sagt Antigone Golke. „Es ist wie eine große Familie. Da schlägt das Herz einfach höher. Und die Musik ist einfach supergeil“, schwärmt sie.

Die Musik ist auch das, was Veranstalter Bernd Langmaack antrieb. Seit vielen Jahren nimmt er mit einem Truck am Schlagermove teil. Er wollte die Musik-Generation, die nach den Schlagern kommt, in den Vordergrund stellen: also Disco. Acht Jahre lang trug er die Idee im Kopf. Anderthalb Jahre hat er am Discomove gefeilt. Herausgekommen ist eine bunte Karawane mit elf Disco-Trucks, unter anderem von den Schlagerfreunden Winsen und zwei Schützenvereinen. Zudem sind zwei Fußgruppen unter den Teilnehmern: der Harburger Turnerbund und Ballerbass. Dass beim Discomove Fußgruppen zugelassen sind, unterscheide ihn deutlich vom Schlagermove, sagt Bernd Langmaack. Er wird nicht müde zu betonen, dass der Discomove keine Kopie des Schlagermoves, sondern eine sinnvolle Ergänzung sei. Also so etwas wie die kleine Schwester.

Die kleine Schwester zu besuchen, hat so manche Vorteile. „Hier in Harburg ist es nicht so überlaufen und viel persönlicher“, sagt Klaus Skarupke aus Harburg mit Blumenkranz auf der langhaarigen Perücke. „Beim Schlagermove ist es so voll, dass man gar nicht auf den Wagen raufkommt.“ Schwankenden Menschen mit gefährlich überschwappenden Getränken kann man auch gut ausweichen, wenn mehr Platz da ist. So landen die Drinks nicht im Nacken.

Auf dem Party-Truck kreisen inzwischen Schnäpse und Caipirinhas. Zeit zu schwofen. Zu zweit, allein, egal. „Love is in the air“ dröhnt es aus den Boxen, während der Truck an alten Kränen, an Schiffen und Bürogebäuden vorbeizieht. Sobald die Party-Karawane den Kanalplatz verlassen hat und in die Blohmstraße einbiegt, wird es immer leerer. Nur vereinzelt gibt es noch Menschen, die da stehen und staunend der Partymenge zuschauen. Macht nichts, finden Anja Vogl und Nico Maaß aus Rosengarten-Nenndorf. „Nächstes Jahr wird es mehr. Das war beim ersten Schlagermove auch nicht anders.“

Die anderthalb Kilometer lange Route führt über Blohmstraße, Seehafenbrücke, Karnapp, Schellerdamm, Veritaskai zum Kanalplatz. Drei mal umkreist der Party-Zug die Strecke. Aus den Boxen jagt ein Klassiker den nächsten. „I am what I am“, und die Menge kreischt und juchzt. „Boys, Boys, Boys“ – Kreisch, Juchz. D.I.S.C.O, Kreisch, Juchz. Wenn das bunte Volk oben auf dem Truck jemanden da unten entdeckt, der sich so richtig in Schale geschmissen hat, wird auch dieser bejohlt.

Alles wippt, tanzt und trinkt. Jetzt schaukelt auch der Truck. Es sind etwa anderthalb Stunden vergangen und bislang hat der DJ die Finger von den Schlagern gelassen. Aber dann kommt er der Ära mit „Marmor, Stein und Eisen bricht“gefährlich nahe. „Die Leute stehen einfach drauf“, sagt Andreas Kaiser von Kaiser Werbung, Chef-Organisator auf dem Truck. „Und wenn der DJ 17 mal danach gefragt wird, spielt er es auch.“ Kurz darauf schwenkt DJ Pete West aber auch wieder um auf Disco: Y.M.C.A, Burn Baby Burn, I can Boogie.

Bleibt nur noch die Frage, ob es eine Wiederholung gibt? Zwar hatte Andreas Kaiser gehofft, dass mehr Besucher von der City nach Harburg kommen. „Die meisten Leute kamen aus dem Bezirk und maximal aus dem Landkreis“, sagt er. „Trotzdem. Für Harburg war es toll. Von allen, die da waren, haben wir eine super-positive Resonanz bekommen.“ „Die Location ist super für den Move“, findet auch Besucherin Gunda Herold aus Heimfeld. Andreas Kaiser freut ganz besonders, dass das Fest so friedlich verlaufen ist.

Veranstalter Bernd Langmaack will sich noch nicht so recht festlegen, ob es nächstes Jahr einen zweiten Discomove gibt. Mit den Besucherzahlen ist er zufrieden. Rund 10.000 hatte er einkalkuliert. Nach seinen Angaben sind 12.000 bis 15.000 Besucher gekommen. „Das kann man als Erfolg verbuchen.“ Genug, um nächstes Jahr nachzulegen? „Ich denke schon“, sagt Langmaack, will aber erst die Veranstaltung auswerten.