Verkaufstricks bei Kaffeefahrten: Polizeioberkommissar Bernhard Stitz informierte in Meckelfeld sehr realitätsnah

Meckelfeld. „Schönen guten Tag meine Damen, ich freu mich, dass sie heute hier sind“, die Tür im Festsaal der Waldquelle in Meckelfeld öffnet sich und ein dynamischer Herr im Anzug kommt wippend herein. Er stellt sich als Wolfgang vor, gestenreich und wie ein Entertainer fragt er die Anwesenden, ob sie gute Laune haben, ob der Kuchen schmeckt und ob die Anfahrt mit dem Bus bequem war.

Die Damen antworten im Chor, alle sind zufrieden. Dann beklagt der Mann, wie schwer er es hat. Die vielen schwarzen Schafe, zu denen er natürlich nicht gehört, würden ihm die Geschäfte madig machen. „Ich sage die Wahrheit, denn wir sind die Seriösen“, sagt er und blickt den Damen dabei tief in die Augen. Fast bekommt man Mitleid – und genau das ist gewollt. Denn nach dem ganze Lamento legt der Mann, der sich Wolfgang nennt, jetzt erst richtig los. Er hat – exklusiv und zu einem unschlagbar günstigen Preis – ein ganz neues Gesundheitsprodukt dabei, das er zum einmaligen Einführungspreis abgeben könnte. Statt 4000 Euro kostet es heute für die ersten fünf Käufer nur 1000 Euro – ein Schnäppchen geradezu.

Bevor jetzt die Damen im Saal zum Portemonnaie greifen, zieht der Herr sein Sakko aus – und wird wieder zu Bernhard Stitz, Polizeioberkommissar aus Flensburg. Er ist auf Einladung der Landfrauen Hittfeld in die Waldquelle gekommen, um zu demonstrieren, was sie bei der klassischen Kaffeefahrt erwartet, und warum auch überzeugte Skeptiker schwer bepackt und oft um viele Hundert Euro erleichtert am Ende des Tages aus dem Bus steigen. Seine kleine Vorführung ist der Auftakt zu einer Infoveranstaltung zum Thema „Kaffeefahrten – Horror oder Vergnügen“, bei der er die Psychotricks der Verkäufer offen legt und Lügen aufdeckt.

Er erklärt zunächst, was hinter seiner nachgespielten Begrüßung, die sich bei diesen Veranstaltungen alle gleichen, steckt: „Jetzt schon hat der Mann zweimal gelogen, es gibt keine seriösen Kaffeefahrten und der Name ist niemals der richtige“, stellt Bernhard Stitz klar. Gelogen wird auch bei den Versprechungen und den Geschenken, mit denen die Leute gelockt werden. Der versprochene Wäschetrockner entpuppt sich als Wäscheleine, das kostbare Gläser- und Karaffenset ist in Wirklichkeit aus Plastik, das schmackhafte Winzer-Wurst-Paket ist billige Dosenwurst und ein „leckeres reichhaltiges Mittagessen, das man einfach mitnehmen muss“, stellt sich als eine Tüte Pulversuppe heraus. Kaffeefahrten sind fest in Seniorenhand. Vorsichtigen Schätzungen zufolge nehmen jedes Jahr rund fünf Millionen Personen an solchen Fahrten teil, fast jeder fünfte Bundesbürger über 14 Jahren war schon mal dabei. Tagtäglich fährt eine „Kaffeefahrten-Flotte“ von über 400 Bussen durch die Lande. Ohne sie wäre so manches Busunternehmen und so mancher Gastronom schon längst pleite.

Die Kundschaft wird meist über Flyer akquiriert. Sie landen im Briefkasten und versprechen einen Tag mit Unterhaltung und Essen zum lächerlich kleinen Preis. Für nur ein paar Euro gibt es eine Busfahrt, Essen, Kaffee und Kuchen, Unterhaltung und Geschenke. Irgendwo steht dann auch was von der „Möglichkeit zur Teilnahme an einer Werbeveranstaltung“. Und genau das ist es, worum es sich wirklich dreht. Es geht darum, möglichst viele Leute dazu zu animieren, die angebotenen Produkte zu einem meist sehr viel höheren Preis als im Fachhandel zu kaufen.

Verkauft werden vor allem Betten, Heizdecken, Kochtöpfe, Massagematten und -sessel oder Trinkkuren. „Ein großer Bereich sind Nahrungsergänzungsmittel und Vitaminpräparate“, hat Bernhard Stitz festgestellt. So bezahlt man für ein Vitaminprodukt, das im Drogeriediscounter nur ein paar Euro kostet, das Hundertfache. Warum man trotzdem auf der Kaffeefahrt kauft? Bernhard Stitz erklärt es. „ Zum einen fühlt man sich verpflichtet, man hat ja auch für wenig Geld relativ viel bekommen. Zum anderen belegt der Verkäufer mit Fachwissen, wie gut das Produkt wirklich ist. Dann betont er ständig, die Wahrheit zu sagen, wenn alles nichts hilft, wird auch gern mal psychologischer Druck aufgebaut.“ Das Prinzip heißt Zuckerbrot und Peitsche. Wer kritische Fragen stellt, wird entweder mit einem „wertvollen“ Geschenk (Arztseife, Kugelschreiber, ein Euro Artikel) ruhiggestellt, wenn das nicht hilft wird so ein Kritiker auch mal vor versammelter Mannschaft zusammengestaucht. In die Hände der Verkäufer spielt dabei auch, dass die meisten Veranstaltungen in einem Gasthof am Ende der Welt stattfinden, es gibt also keine Chance, vorzeitig zu gehen. Außerdem machen die oft stundenlangen Präsentationen so manchen Kaufunwilligen gefügig.

Auch Bernhard Stitz hat seine Erfahrungen gemacht. Vor 30 Jahren kam seine Mutter von einer Verkaufsfahrt mit einer „wertvollen“ Lama-Alpakadecke nach Haus, bezahlt hatte sie damals 600 Mark. Obwohl sie wusste, dass Kaffeefahrten unseriös sind, fuhr sie immer wieder mit und kaufte sich glücklich. Für ihren Sohn sogar ein Stück weit verständlich, „so eine Kaffeefahrt verspricht Gesellschaft und Unterhaltung“. Seit einer Gesetzesänderung im Jahr 2000, seit der eine Verkaufsveranstaltung zwei Wochen vorher bei der Gewerbeaufsicht angezeigt werden muss, macht Bernhard Stitz Jagd auf die Betrüger. Er hat inkognito an mehr als hundert Verkaufsfahrten teilgenommen, „die Kollegen und die Gewerbeaufsicht warteten immer schon im Hintergrund“. Sobald es ans Verkaufen ging, schlug die Obrigkeit zu. Wussten die Verkäufer, dass er unter den Fahrgästen war, wurde der Nachmittag für die Senioren zu einem reinen Spaßtag für wenig Geld – aber ohne Kaufshow. Spektakulär war sein Coup mit Fernsehmoderator Markus Lanz. Gut verkleidet und ausgerüstet mit einer versteckten Kamera fuhren die beiden bei einer Kaffeefahrt mit und dokumentierten die Vorgänge.

Grundsätzlich will er keinem Senior den Spaß verderben: „Geselligkeit, Unterhaltung, der niedrige Fahrpreis sprechen ja dafür. Aber, sagen Sie Nein! Es sei denn, Sie kaufen auch sonst Billigramsch für viel Geld.“ Bernhard Stitz empfiehlt, die Giro- und Kreditkarte zu Hause zu lassen. Sollte man dennoch einen Kaufvertrag unterschrieben haben, rät er, darauf zu achten, das der Name des Unternehmens leserlich ist und dass das Ausstellungsdatum stimmt. Binnen 14 Tagen kann man vom Kauf zurücktreten: „Bitte schriftlich, per Einschreiben und mit Rückschein.“