Berater Jan-Uwe Rogge empfiehlt, sich gegenüber dem Nachwuchs deutlicher zu positionieren. Vortrag in Tostedt

Tostedt. Der Bestsellerautor und Erziehungsexperte Jan-Uwe Rogge gibt Eltern unter der Überschrift „Wie sie reden, damit ihr Kind zuhört und wie sie zuhören, damit ihr Kind redet“ Tipps für den Umgang mit Kindern. Der Vortrag ist am Donnerstag, 24. April, 19.30 Uhr, in der Bücherei Tostedt. Die Regionalausgabe Harburg und Umland des Hamburger Abendblatts spricht mit Rogge über die Erziehungsanforderungen der heutigen Zeit, über Klischees und seine Großeltern.

Hamburger Abendblatt:

Was ist los mit den Eltern heute? Warum brauchen sie sogar im Reden und Zuhören eine Anleitung?

Jan-Uwe Rogge:

Weil sie labern, weil sie zu viel reden. Das ist ja eigentlich ein uraltes Thema. Eine Kommunikationsanleitung mit Kindern findet man ja schon bei Pestalozzi. Sie ist auch Gegenstand in meinen Büchern über Grenzen und über Pubertät.

Trotzdem haben die Eltern offenbar nichts gelernt. Was machen sie in der Kommunikation falsch?

Rogge:

Sie sind zu indirekt. Sie sagen häufig nicht, was sie wollen und reden um den heißen Brei herum. Kinder brauchen Klarheit. Das hat nichts mit Schreien zu tun. Sie wollen wissen, woran sie bei ihren Eltern sind. Die Kinder sind selbst auch viel klarer als die Eltern und formulieren es auch deutlicher. Sie sagen „Ich will“ oder „Ich möchte“.

Welche Redewendungen und Begriffe benutzen Eltern gerne, die aber nicht zielführend sind?

Rogge:

Sie sagen zum Beispiel „Man macht so etwas nicht“. Das verstehen Kinder erst mit zehn oder elf Jahren. Ein dreijähriges Kind guckt einen mit großen Augen an, wenn man ihm so etwas sagt.

Ist die falsche Kommunikation der größte Fehler unserer Elterngeneration?

Rogge:

Ja, mit dieser Unklarheit tun die Eltern nicht nur ihren Kindern, sondern auch sich selbst etwas an. Natürlich springen die Kinder nach klaren Worten nicht vor Freude auf und rufen „danke“. Sie fragen „Warum ich, warum dürfen die anderen und ich nicht?“

Es ist also anstrengender?

Rogge:

Ja, aber es ist wichtig, dass ein Vater oder eine Mutter klar sagt, was sie will. Kinder wollen Persönlichkeiten als Eltern.

Der Nachwuchs muss sich also mit Eltern herumschlagen, die keinen klaren Standpunkt haben und mit der Sorte Helicopter, die sich geradezu fanatisch um ihre Kinder kümmert, alle unangenehmen Seiten des Lebens von den Kindern fernhalten und ihre Probleme lösen will ...

Rogge:

... natürlich gibt es einige Eltern, die ihr Kind nicht loslassen können und sie sind auch quantitativ mehr geworden. Die Medien konstruieren aber auch viel. Diese Verallgemeinerung hat in der Regel nichts mit der Wirklichkeit zu tun. Es gibt verschiedene Elterntypen. Es gibt auch solche, die sich nur begrenzt um das Kind kümmern, ihnen emotional keinen Halt und keine Geborgenheit geben. Und es gibt einen großen Teil von Eltern, die einen richtig guten Job machen.

Wie ist die heutige Generation der Kinder, knapp formuliert?

Rogge:

Es sind sehr selbstbewusste, eigenständige, autonome Kinder.

Und Sie, was für ein Kind waren Sie? Wie würden Sie Ihre Jugendgeneration beschreiben?

Rogge:

In vielerlei Hinsicht provokativ, aufbegehrend, Grenzen überschreitend. Wir hatten aber auch mehr Raum für uns, in denen wir unbeobachtet waren. Es gab auch Spielplätze, die nicht am Rand von Müttern besetzt waren.

So wie in Tostedt im eher ländlich geprägten Gebiet, wo sie vortragen? Stimmt das Klischee, dass die Kinder dort weniger schwierig und weniger problembehaftet sind als in Großstädten?

Rogge:

Land ist nicht gleich Land. Für mich ist Tostedt nicht Land, es befindet sich ja im Speckgürtel von Hamburg. Da muss man schon in die Lüneburger Heide oder nach Harsefeld gehen. Kinder in wirklich ländlichen Gebieten haben schon mehr Möglichkeiten, unbeobachtet zu sein. Auf der anderen Seite ist ihr Leben da auch verplant. Sie müssen zum Training gebracht werden oder sind auf den Schulbus angewiesen. Es gibt also nicht nur Vorteile und nicht nur Nachteile.

Wie verhält man sich denn als Mutter und Vater besser? Wie sollten Eltern reden? Wie sollten sie zuhören?

Rogge:

Wenn Kinder die Ohren zuhalten, ist es ein Hinweis darauf, dass die Eltern zu viel reden. Sie sollten kurze, knappe Sätze formulieren und das Kind anschauen, um die Botschaften rüberzubringen. Umgekehrt gilt auch, dem Kind zuzuhören und nicht sofort alles in Frage zu stellen. Es ist ja eine zweiteilige Sache. Ich höre meinem Kind zu, dann hört auch mein Kind mir zu.

Wem haben Sie gerne zugehört als Kind?

Rogge:

Meiner Großmutter und meiner Urgroßmutter. Sie konnten gut erzählen, ich habe ihnen immer gerne zugehört. Auch heute haben viele Kinder einen guten Kontakt zu ihren Großeltern. Das ist ja auch mal eine Möglichkeit, den Beobachtungen der Eltern zu entgleiten.