Finkenwerder Ortsumgehung vervielfacht Verkehr am Estesperrwerk. Anwohner wollen Ampeln. HPA blockt ab

Cranz/Neuenfelde. Wenn Gudrun Schittek zur Arbeit fahren möchte, braucht sie Geduld, Mut und Glück. Die Medizinerin aus Cranz hat ihre Praxis in Blankenese und nutzt Fahrrad und Fähre, um dorthin zu gelangen. Bei idealen Bedingungen ist das kein Problem: Dann fährt die HADAG-Fähre auf der Este bis zum Cranzer Fährhaus. Nur tritt dieser Idealfall immer seltener ein. „Häufig fährt der Dampfer nur ab Neuenfelde“, sagt Gudrun Schittek.

Der Anleger in Neuenfelde ist gar nicht weit entfernt. Mit dem Fahrrad sind es nur ein paar Minuten über das Estesperrwerk hinweg. Nur müssen Gudrun Schittek und alle anderen Cranzer, die das Sperrwerk queren wollen, dafür erst einmal den Cranzer Elbdeich überqueren – und das ist gefährlich: Dicht an dicht sausen morgens die Autos aus dem Landkreis Stade in Richtung Hamburg. Zwar rasen sie nicht wirklich, denn direkt vor dem Sperrwerk steht eine Blitzanlage, aber auch die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h macht die Kraftwagen noch lebensgefährlich. Gibt es einmal eine Lücke in der Blechlawine Richtung Hamburg, drängen sofort die Rechtsabbieger aus dem Estedeich hinein – ohne Rücksicht auf die Fußgänger und Radfahrer zu nehmen, die nun eigentlich Vorrang hätten. Und selbst, wenn die Abbieger weg sind, ist da noch der Verkehr in Richtung Jork.

Ganz ähnlich stellt sich die Lage für die Neuenfelder dar: auch sie müssen die Einfallstraße überwinden, um zur Fähre zu kommen. Der Verkehr auf ihrer Seite der Este ist mindestens genau so stark, wie in Cranz.

Verschärft wird die Situation auf beiden Seiten durch die Finkenwerder Ortsumgehung. Seit sie fertiggestellt ist, dient sie den Anwohnern der Unterelbe als Schnellstraße in Richtung A7 – und der Elbdeich als Zubringer. Was sich hier jeden Morgen abspielt, wiederholt sich Nachmittags in der Gegenrichtung. „Wenn dann in den warmen Monaten der Ausflugsverkehr dazukommt, kommt man tagsüber so gut wie gar nicht mehr über die Straße“, sagt Gudrun Schittek Die Cranzer und Neuenfelder finden diese Situation unhaltbar und Gudrun Schittek ist nicht nur Ärztin in Blankenese, sondern auch Abgeordnete im Regionalausschuss Süderelbe der Harburger Bezirksversammlung. Sie sitzt dort für die Grünen, konnte für das Thema allerdings gleich eine breite Mehrheit finden: Alle Fraktionen der Bezirksversammlung stellten gemeinsam den Antrag, dass sowohl am Cranzer Hauptdeich, Ecke Estedeich; als auch am Neuenfelder Hauptdeich, Ecke Neuenfelder Damm eine Ampel aufgestellt wird. Und weil der Antrag von allen Fraktionen kam, wurde er einstimmig beschlossen.

Der Beschluss ist über ein Jahr alt, doch Gudrun Schittek und ihre Altländer Mitbürger stehen immer noch jeden Morgen an der Straße und müssen mutig Lücken abschätzen. Verantwortlich dafür ist die Hamburg Port Authority (HPA). Die muss in genau diesem Bereich die Elbdeiche erhöhen. Dies geht mit einer Verbreiterung des Deichfußes einher. Davon werden auch die Straßen am Cranzer und Neuenfelder Hauptdeich betroffen sein.

Die Fahrbahnen werden komplett verlegt. Bis dahin soll am Deich möglichst nichts passieren. Mit den Planungen dafür wollte die HPA bereits im vergangenen Herbst begonnen haben. Das tat sie jedoch nicht. Auch eine noch 2013 zugesagte Verkehrszählung durch die HPA ist noch nicht erfolgt. Neuer Planungsstart soll in diesem Frühjahr sein. Mit dem eigentlichen Bau will die HPA frühestens 2017 beginnen. Von einer Verkehrszählung mit der Fragestellung, ob hier wenigstens eine Provisorische Ampel gerechtfertigt wäre, ist keine Rede mehr. Die HPA will lediglich zählen lassen, um festzustellen, welche Last die neuen Fahrbahnen bewältigen müssen. „Die Notwendigkeit einer Signalanlage müsste zunächst von unabhängiger Stelle nachgewiesen und dann von der Verkehrsbehörde angeordnet werden“, sagt HPA-Sprecherin Sinje Pangritz.

Dies ist bereits das zweite Mal, dass eine Ampel an dieser Stelle ausgebremst wird. Bereits 2010 wurde geprüft, ob am Estedeich und am Neuenfelder Damm Ampeln gebaut werden sollten. Damals brach der Bezirk Harburg die Planungen ab, weil man erst einmal abwarten wollte, welche Auswirkungen die Finkenwerder Ortsumgehung auf den Verkehr am Elbdeich hat. Die Finkenwerder Umgehung wurde im Dezember 2012 eingeweiht. Seitdem hat noch niemand gezählt, welche Auswirkungen sie hat.

Das heißt nicht, dass niemand im Alten Land die Auswirkungen bemerkt. Leute wie Gudrun Schittek merken sie jeden Morgen. Wenn sie zur Arbeit fahren möchten, brauchen sie Geduld, Mut und Glück.