Sozialbehörde und Bezirksamt werden hart attackiert wegen des neuen Flüchtlingslagers Am Radeland

Harburg. Wie nicht anders zu erwarten, stand die jüngste Sitzung der Bezirksversammlung (BV) am Dienstagabend im Harburger Rathauses ganz im Zeichen der Debatte um die neue Flüchtlingsunterkunft Am Radeland in Bostelbek. Bereits am vergangenen Mittwoch sind dort die ersten Bäume gefällt worden, obwohl die Kommunalpolitik erst einen Tag später von der Hamburger Sozialbehörde (BASFI) über die Umsetzung des Projekts informiert wurde.

Dass der Festsaal des Rathauses bestens gefüllt war, lag auch an einer großen Abordnung der Bostelbeker Siedlergemeinschaft. Deren zweite Vorsitzende, Jasmin Garlipp, nutzte die Öffentliche Fragestunde zum Auftakt der Sitzung gleich zu heftigen Attacken gegen Bezirksamtsleiter Thomas Völsch (SPD). „Wir fühlen uns von ihm hintergangen, belogen und betrogen“, sagte Jasmin Garlipp. Die Pferdewiese im Dreieck Am Radeland/Bostelbeker Damm/Moorburger Bogen sei bei den Gesprächen mit der Verwaltung nie ein Thema gewesen. Das könne sie anhand von Sitzungsprotokollen belegen. Und nun, da die Entscheidung für diesen Standort offenbar längst gefallen sei, hätte es nicht einmal jemand für notwendig erachtet, die Siedler wenigstens zu informieren.

Sichtlich aufgewühlt listete Jasmin Garlipp dann Argumente auf, warum die Anrainer den Standort für denkbar ungeeignet halten, um dort eine Anlage mit zehn zweigeschossigen Pavillons für bis zu 216 Asylbewerber und wohnungslose Menschen zu bauen. Nicht nur, dass sämtliche Arztpraxen im Umfeld ein Aufnahmestopp für neue Patienten verhängt hätten. Auch die nächste Schule in der Grumbrechtstraße sei bestens ausgelastet. Ganz zu schweigen von der mangelhaften Busanbindung. Zwar würden in der Nähe drei Linien verkehren. Doch außerhalb der werktäglichen Hauptverkehrszeiten sei die Siedlung ziemlich abgeschnitten. „So kann eine vernünftige Integration nicht funktionieren“, sagte Garlipp.

Für Bezirksamtsleiter Thomas Völsch wurde die Sitzung in doppeltem Wortsinn „bewegend“. Nach dem Frontalangriff der Bostelbeker Siedler marschierte er sofort zum Rednerpult. Es war nicht das letzte Mal an diesem Abend. Seit Sommer vergangenen Jahres hätte er nie einen Hehl daraus gemacht, dass genau diese Fläche von der Verwaltung als potenzieller Standort für eine Flüchtlingsunterkunft neben dem Gewerbegebiet an der ehemaligen Kaserne in Fischbek benannt worden sei. „Wir werden der BASFI aber jetzt eine Anhörung vor Ort vorschlagen, unter Beteiligung der Anwohner“, so Völsch.

Damit war der verbale Beschuss in dieser Angelegenheit aber längst noch nicht beendet. Sämtliche Vertreter der Opposition übten anschließend mehr oder weniger harsche Kritik am Zusammenspiel von BASFI und Bezirksamt in dieser Sache. Dass die Genehmigung zu den Baumfällungen vom Bezirksamt bereits am 6. Februar erteilt worden sei, bezeichnete CDU-Fraktionschef Ralf-Dieter Fischer als „skandalös“. Er äußerte überdies den „dringenden Verdacht“, dass hier „mehrere Behörden übergangen worden sind“ und drohte „weitergehende Konsequenzen“ an.

Auch Grünen-Chef Kay Wolkau geißelte die Baumfällungen als „unmöglich“. So werde das gesetzlich garantierte Anhörungsrecht der Bezirksversammlung „mit Füßen getreten“. Die Sozialbehörde hätte die Stellungnahme der BV abwarten müssen. Der Standort sei realistisch gesehen wohl nicht mehr zu verhindern, die Grünen würden sich jetzt aber für eine deutliche Reduktion der Unterbringungsplätze einsetzen.

Elke Nordbrock von der Linke-Fraktion forderte eine Fristverlängerung für das Anhörungsverfahren, obgleich es nun nicht mehr „ergebnisoffen“ geführt werden könne. Die Linke sei – wie die Grünen auch – nicht grundsätzlich gegen eine Unterbringung, plädierte aber erneut dafür, sie wenn irgend möglich dezentral zu organisieren. „In jedem Falle müssen aber eine Beteiligung der Anwohner wie eine optimale Versorgung der Flüchtlinge gewährleistet sein“, sagte Elke Nordbrock.

Carsten Schuster erinnerte für die FDP daran, dass seine Fraktion im September des Vorjahres einen Antrag eingebracht habe, dass die Bürger bei solchen Ansiedlungen immer beteiligt werden sollten. Das aber hätten SPD, CDU und Linke seinerzeit abgelehnt. „Wetternstraße, Lewenwerder, Zentrale Erstaufnahme, nun Bostelbek – es ist doch immer dasselbe Spiel: Die SPD ignoriert die Interessen der Menschen. Sowohl jener, die an den Standorten schon wohnen, als auch jener Flüchtlinge, die dort einmal wohnen sollen“, konstatierte Schuster konsterniert. Es gebe kein Konzept und keinen Plan, stattdessen werde jede Menge Kleinholz produziert.

SPD-Fraktionschef Jürgen Heimath bezeichnete Schusters Aussagen als „unsachliche Unverschämtheiten im Wahlkampf“. Immerhin habe seine Fraktion mit den Grünen sofort einen Dringlichkeitsantrag zur Sache eingebracht. „Da ist einiges nicht glücklich gelaufen. Deshalb ist eine öffentliche Anhörung jetzt wichtig und geboten“, so Heimath wörtlich. Seine Fraktion schlage deshalb eine Sondersitzung des Sozialausschusses am 19. März in Bostelbek vor.