Trotz des prominent besetzten Kontrollgremiums lief das Frauenkulturhaus immer weiter aus dem Ruder

Harburg. Nach dem Finanzdesaster des Frauenkulturhauses (FKH) in der Neuen Straße 59 ist die Suche nach den Schuldigen in vollem Gange. Persönliche Verantwortung hat bislang niemand übernommen. Dafür mehren sich gegenseitige Vorwürfe und Unterstellungen. Und mehr denn je steht die Frage im Raum, wie es trotz eines extra eingesetzten Beirates zu dem Insolvenzantrag Ende Dezember des Vorjahres kommen konnte.

Wie bereits berichtet wurde das Frauenkulturhaus bis 2011 durch Zuwendungen der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) und des Bezirksamts gefördert. Pro Jahr bekam die 1985 gegründete Einrichtung für ihre Angebote Kultur, Beratung, Mütterzeit und Mädchentreff zwischen 2009 und 2011 im Schnitt 285.000 Euro.

Nach internen Streitigkeiten zwischen dem Vorstand des Trägervereins und Mitarbeitern des Frauenkulturhauses hatte die BASFI angekündigt, die Beratung und Information für Frauen (BIFF) nicht mehr finanziell zu unterstützen. „Dieses Vorgehen hätte das Konstrukt Frauenkulturhaus scheitern lassen, weil die Mietanteile aus diesem Projekt nicht durch andere Einnahmen kompensiert werden konnten“, so Bettina Maak, Sprecherin des Bezirksamtes. Wegen der „Einmaligkeit“ des umfassenden Angebots habe die Verwaltung interveniert und die BASFI zu einer Fortsetzung ihres finanziellen Engagements animiert.

Die Behörde ließ sich darauf ein. Allerdings nur unter Auflagen. Gefordert wurden grundlegende strukturelle Veränderungen. Zum Beispiel, dass angestellte Mitarbeiterinnen nicht zugleich im Vorstand sitzen dürften. Auch sollten die Mitarbeiter des Trägervereins besser geschult und kontrolliert werden. Überdies wurde die Prüfung einer alternativen Rechtsform empfohlen.

Kontrollieren sollte all das nach dem Willen der Lokalpolitiker, die über die Verteilung von Bezirksmitteln zu entscheiden haben, ein „paritätisch besetzter Beirat“. Ein Interfraktioneller Dringlichkeitsantrag vom 23. Januar 2012 sah unter anderem vor, dass der Beirat dem Vorstand des Frauenkulturhauses nicht nur beratend zur Seite stehen, sondern mit ihm auch ein neues Konzept erstellen sollte.

In dem Beirat hatten neben einer Vereinsvertreterin und einer dem Hause verbundenen Künstlerin auch Holger Reinberg, Leiter des Fachamts für Sozialraummanagement, und Barbara Levy von der Mehrheitsfraktion SPD Sitz und Stimme. Laut Bezirksamt habe es Protokolle von den insgesamt fünf Treffen des Gremiums gegeben, die an die Fachbereiche weiter geleitet worden seien. „In der letzten Phase sind auch persönliche Eindrücke intern an die Leitungsebene des Jugendamts und an Sozialdezernent Holger Stuhlmann berichtet worden“, so Bettina Maak.

So bleibt es rätselhaft, warum das Projekt Frauenkulturhaus immer weiter aus dem Ruder laufen konnte. Von den gravierenden finanziellen Unregelmäßigkeiten im Trägerverein habe das Bezirksamt nach eigenem Bekunden erst im Spätsommer 2013 im Rahmen von „drei abgeschlossenen Verwendungsnachweisprüfungen“ für das Jahr 2012 erfahren. Diese hätten zu Rückforderungen im fünfstelligen Bereich geführt. Allerdings stünden noch fünf weitere Einzelbelegprüfungen aus.

Wie das Abendblatt erfuhr kam es im Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren Anfang Januar auch noch zu einer Anzeige wegen Unterschlagung gegen ein ehemaliges Vorstandsmitglied des Trägervereins, das zugleich als Mitarbeiterin im Kulturbereich tätig war. Sie hatte sich 2012 mit der Bemerkung zurückgezogen, sie wolle „mit der ganzen Sache nichts mehr zu tun haben“. Mit ihr sollen allerdings auch eine Kasse und ein Kassenbuch verschwunden sein. Im Raum steht überdies der Vorwurf überhöhte Honorarrechnungen gestellt zu haben.

Das Thema führte zuletzt auch zu Aufruhr im Jugendhilfeausschuss. Dort hatten etwa 20 Mädchen für den Erhalt des offenen Mädchentreffs im Frauenkulturhaus protestiert. Auf Plakaten wiesen sie auch den Politikern eine Mitschuld an der Situation zu. Im Nachgang wurde die Ausschussvorsitzende Heinke Ehlers (Grüne) von Vertretern der SPD scharf attackiert, weil sie die Aktion nicht konsequent unterbunden habe. Überdies hätte sie sich selbst für befangen erklären müssen, weil sie seit Ende 2012 im Vorstand des Frauenkulturhauses sitzt.

Neben den Vertretern der freien Träger zog selbst Dierk Trispel, Dezernent für Steuerung und Service, diese Forderung in Zweifel, da es zu keiner Beschlussfassung gekommen sei. Dennoch wurde Heinke Ehlers jetzt von Manfred Schulz, dem Vorsitzenden der Bezirksversammlung, einbestellt. SPD-Fraktionschef Jürgen Heimath ließ jedenfalls schon mal wissen: „Mit den Vorwürfen gegen das Bezirksamt und den Beirat haben sich die Vertreter des Trägervereins keinen Gefallen getan.“