Im Interview: Michael Grosse-Brömer, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Bundestagsfraktion

Hanstedt . Er ist in der vierten Periode im Bundestag: Der Rechtsanwalt und Notar a.D. Michael Grosse-Brömer, 53, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Bundestagsfraktion, gewann bei der Bundestagswahl Ende September den Kreis erneut direkt. Das Abendblatt sprach mit ihm im Gasthaus Sellhorn nahe seinem Wohnort Brackel über die Chancen von Parteien gegen Bürgerinitiativen, den Verkehr in der Region und mit wem er per Twitter in Kontakt steht.

Hamburger Abendblatt:

Herr Grosse-Brömer, inwieweit leben Sie inzwischen in Berlin in einer Parallelgesellschaft?

Michael Grosse-Brömer:

Meine gestiegene Verantwortung in Berlin ist natürlich spannend. Aber man sollte nie vergessen wo man gewählt wird. Meine Grundlage ist der Wahlkreis Harburg und seine Bürger

Wie halten Sie den Kontakt zum Kreis, so dass Sie über die Bedürfnisse der Bürger Bescheid wissen?

Grosse-Brömer:

Ich bekomme im Wahlkreis viele Anfragen und versuche, schnell auf diese zu reagieren. Technisch ist das ja ohnehin gut möglich. Aber es geht auch darum, Fragen richtig einzuordnen, zu vermitteln, wenn Landtag oder Landrat zuständig sind. Aber auch die Bundespolitik ist nicht abgehoben. Was wir entscheiden, gilt auch für Harburg. Zum Beispiel für die Wirtschaft.

Gerade dort gibt es ja allenfalls Luxusprobleme, oder?

Grosse-Brömer:

Wir leben in einem privilegierten Landkreis. Aber er wird durch den Verkehr aus Hamburg, vor allem aus dem Hafen belastet. Derzeit mache ich mir Sorgen darüber, welche seltsamen Ideen noch für den künftigen Güterverkehr aufkommen könnten. Offensichtlich wird ernsthaft über eine alternative Route zur Y-Trasse nachgedacht. Das werde ich im Auge behalten, wenn am 13. Februar über diese Alternativen informiert werden soll. Zudem diskutieren wir noch immer über die neue Raststätte Elbmarsch. Für mich ist weiterhin unklar, warum diese nicht auf Hamburger Gebiet gebaut wird. Der Landkreis muss schon genug Straßenverkehr verkraften.

Fürchten Sie sich als Politiker vor den Bürgerinitiativen, die solche Themen oft als erste für sich beanspruchen?

Grosse-Brömer:

Bürgerinitiativen sind eine sinnvolle Ergänzung der demokratischen Landschaft. Sie haben meistens nur ein Ziel, nämlich ein bestimmtes Vorhaben zu verhindern. Deshalb können Sie Parteien nicht ersetzen. Diese haben eine ausgleichende Funktion. Sie wägen zwischen Vor- und Nachteilen ab und suchen einen Kompromiss, der auf Akzeptanz treffen muss.

Wie gehen Sie als Abgeordneter mit Bürgerinitiativen um?

Grosse-Brömer:

Nicht selten ergänzen wir uns auf kommunaler Ebene.

Aber die Anfragen der Initiativen erreichen auch den Bundestag...

Grosse-Brömer:

Dann versuche ich alle Fragen rasch zu beantworten.

Twittern Sie?

Grosse-Brömer:

Ja, heftig. Ich habe aktuell rund 3600 Follower. Erst gestern habe ich mich von meinem neunten Grünkohlessen gemeldet.

Mal Hand aufs Herz: Warum soll man heute in eine Partei eintreten?

Grosse-Brömer:

Weil mitmachen besser ist als miesmachen. Mit dem Engagement für eine Partei kann man vor Ort etwas verändern, es bereichert die Persönlichkeit und schärft die eigene Argumentationskraft. Wenn mich Schüler in Berlin besuchen, sage ich ihnen immer: Engagiert euch.

Und warum soll man in die CDU eintreten?

Grosse-Brömer:

Europa ist für uns ein Zukunftsmodell, in dem die Staaten solidarisch sind, aber auch auf Eigeninitiative setzen. Wir haben ein christliches Menschenbild und interpretieren die soziale Marktwirtschaft so, dass Schwächere zwar nicht zurückgelassen werden dürfen, wir aber auch ihre Fähigkeiten abfordern. Diese Grundsätze haben bei der Bundestagswahl dazu geführt, dass wir bei allen Altersgruppen, auch bei den 18 bis 25-Jährigen, klar die meiste Zustimmung hatten. Es gibt also ein breites Potenzial von Menschen, die bei uns eintreten könnten.

Tun Sie aber nicht.

Grosse-Brömer:

Stimmt, leider ist auch im Landkreis die Zahl der Mitglieder innerhalb von zehn Jahren von 2400 auf rund 2000 gesunken. Das liegt sicher auch daran, dass selbst Kommunalpolitiker heute jederzeit in der Kritik stehen. Und das für eine geringe Aufwandsentschädigung. Unsere Mitgliedsbeiträge, durchschnittlich neun Euro pro Monat, sind meines Erachtens nicht schuld.

Die Folgen der Energiewende, immer mehr Windkraftanlagen, Maissteppen auf den Feldern oder Biogasanlagen, finden immer mehr Bürger nicht gut. Sie fühlen sich gestört und wehren sich. Was ist schief gegangen?

Grosse-Brömer:

Grundsätzlich wird heute akzeptiert, dass der Strom nicht mehr aus der Atomkraft, sondern aus regenerativen Energien kommen soll. Aber wir haben mit dem Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) dafür gesorgt, dass alle Anlagen über eine staatlich garantierte Umlage gefördert werden. Das sichert alle Anlagen, nicht nur die effizientesten auf 20 Jahre ab und führt dazu, der Strom mit immer neuen Anlagen immer teurer wird. Strom darf nicht zum Luxusgut werden. Deshalb denkt Energieminister Gabriel darüber nach, wie man einen Strompreisanstieg verhindert und das EEG überarbeitet.

Die Flüchtlingsströme reißen nicht ab. Bis Ende 2014 wird ihre Zahl im Kreis von gut 700 derzeit auf 1500 steigen. Wird der Bund den Kommunen, die die Menschen unterbringen müssen, finanziell unter die Arme greifen?

Grosse-Brömer:

Darüber gibt es derzeit keine Debatte in Berlin. Aktuell kümmert sich aber ein Staatssekretärausschuss um das Problem. Um die Entwicklung zu bremsen, wird es darauf ankommen, Gelder auch aus dem Bereich der EU in die jeweiligen Herkunftsstaaten zu lenken. Geht es den Menschen dort besser, wird sich einiges verändern. Es werden weniger Menschen hierher kommen, die allein von der sozialen Sicherung profitieren wollen. Bisher sind übrigens bundesweit auch rund 200.000 gut qualifizierte Fachkräfte nach Deutschland gekommen. Davon hat Deutschland profitiert. Hier fehlen die Fachkräfte an allen Ecken und Enden, das sollte man nicht vergessen.

Die Schulen im Landkreis sind vom Einsatz von Schulsozialarbeitern überzeugt. Jetzt endet die Finanzierung der Stellen im Sommer. Wird der Bund weitere Mittel zur Verfügung stellen?

Grosse-Brömer:

Der Bund hat schon bezahlt. Er entlastet die Kommunen durch die komplette Kostenübernahme für die Grundsicherung im Alter. Diese Entlastung beträgt von 2013 bis 2016 rund 18,5 Milliarden Euro. Schon 2012 und 2013 wurden anteilige Kosten übernommen. Zusätzlich dazu wurden noch einmal 400 Millionen Euro obendrauf gelegt, bis zur 100prozentigen Kostenübernahme 2014. Mit diesem Geld, das nicht zweckgebunden war, wurde unter anderem die Schulsozialarbeiter bezahlt. Die Kommunen hätte aber auch etwas anderes finanzieren können. Jetzt wird die Sachlage so dargestellt, als ob der Bund in der Pflicht sei. Das ist er aber nicht, denn Schulsozialarbeit fällt in die Kompetenz der Bundesländer. Das Geld vom Bund ist überwiesen, nun müssen sich das Land und die Kommunen einigen, was damit finanziert werden soll. Ich würde es begrüßen, wenn die erfolgreiche Schulsozialarbeit fortgeführt werden könnte.

Herr Grosse-Brömer, welche Nachricht würden Sie 2014 am liebsten aus dem Kreis hören?

Grosse-Brömer:

Dass der frisch gewählte Landrat Rainer Rempe am Jahresende verkünden kann, dass die Wirtschaft weiter floriert, die Jobs sicher sind und die Y-Bahntrasse so gebaut wird wie bisher geplant.