Historie und Besonderheiten der vier Kirchengemeinden im Kernort Stelle

Stelle . Drei der vier Steller Kirchengemeinden bestehen seit mehr als 100 Jahren. Die Unterschiede zwischen ihnen erscheinen auf den ersten Blick vielleicht minimal, doch in der Vergangenheit boten sie offenbar genügend Anlass für eine Abspaltung.

Die evangelisch-lutherische St. Micheals-Gemeinde besitzt seit 1868 eine eigene Kirche. Zuvor gehörte Stelle kirchlich gesehen nach Pattensen, für viele Gläubige war der Weg dorthin aber sehr mühsam, weshalb sie nach Winsen auswichen. Wie Gerhard Rieckmann in seinem Buch „Unter der Schirmkiefer – Ein Gang durch die Steller Geschichte“ schreibt, liefen Mitte des 19. Jahrhunderts aber immer mehr Mitglieder zu der Baptisten-Gemeinde über, die als Sekte angesehen wurde und aus Hamburg herüberschwappte. Die Kirchenleitung genehmigte daraufhin den Bau einer eigenen Kapelle. Diese wurde immer weiter um- und ausgebaut und ragt bis heute stolz über den Ort.

Die evangelisch-freikirchliche Gemeinde Stelle (Baptisten) hat ihren Ursprung im Jahre 1849. Am Achterdeich, zu dieser Zeit noch eine politisch eigenständige Gemeinde, gab es eine geistliche Bewegung, die aus Hamburg auch südlich der Elbe Fuß fasste. Laut Gerhard Rieckmann sollen die ersten regelmäßigen Versammlungen im Jahre 1869 begonnen haben, im Jahre 1891 folgte das erste eigene Haus, und als die Gemeinde stetig wuchs, kam 1905 der erste eigene Prediger hinzu. Im selben Jahr errang die Gemeinde ihre Selbstständigkeit. Nachdem die Baptisten lange Zeit als Sekte eingestuft wurden, sind sie heute Teil der Ökumene und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK). Als Besonderheit der Baptisten gilt das Betonen der Taufe als bewusste Entscheidung für Gott. Täuflinge sind meistens zwischen zehn oder zwölf Jahre alt und steigen mit dem ganzen Körper in ein Taufbecken hinein, das in Stelle am Fuße des Altars in den Boden eingebaut ist. Für die Ausbildung der Priester gibt es ein eigenes Ausbildungsinstitut im brandenburgischen Elstal nahe Berlin.

Die selbstständige evangelisch-lutherische Gemeinde (SELK) geht auf den Widerstand gegen die Vereinigung von lutherischer und reformierter Kirche in Preußen zwischen 1817 und 1830 zurück. In Stelle gründete sich die Gemeinde im Jahre 1879, im Jahr 1900 folgte die Petrikirche, deren Bau von Baptisten und Mitgliedern der evangelisch-lutherischen Kirche unterstützt wurde. 1966 wurde die Kirche erweitert. So wie die Baptisten auch ist die SELK Mitglied der ACK, wo sie zwischen Evangelischen und Katholiken angesiedelt ist. Die Besonderheiten sind unter anderem, dass Frauen anders als in der evangelischen Kirche üblich, nicht Priester werden können, die Beichte und die Betonung des Abendmahls. Das Theologiestudium für Priester erfolgt zunächst an einer eigenen Hochschule in Oberursel bei Frankfurt am Main, dann geht es vom vierten bis sechsten Semester an eine normale Universität, bevor der Abschluss in Oberursel gemacht wird.

Die neuapostolische Kirche Stelle besteht seit 1949. Viele Gläubige aus dem Osten Deutschlands waren nach dem Zweiten Weltkrieg in den Ort gekommen und bauten die Gemeinde auf. Die heutige Kirche wurde 1969 eingeweiht. Anders als Baptisten und SELK ist die neuapostolische Gemeinde kein offizielles Mitglied der ACK. Zwar gibt es auf lokaler Ebene eine stärkere Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden, kritisiert wurde die Kirche aber immer wieder unter anderem aufgrund ihres Exklusivitätsanspruchs hinsichtlich der Erwartung der Rückkehr Jesu Christi auf Erden und ihrer starken sozialen Kontrolle der Gemeindemitglieder. Diese Dinge haben sich in den vergangenen Jahren aber geändert. Weitere Besonderheiten sind die Apostel, die in etwa mit den Bischöfen vergleichbar sind, und die Gottesdienste für die Entschlafenen. So wie die anderen Kirchen auch hat die Steller Gemeinde mit sinkenden Mitgliederzahlen zu kämpfen. Die Gemeinden Stelle und Winsen wurden 2013 zusammengelegt, die Kirchenstandorte aber erhalten.