Auf dem Museumsbauernhof Wennerstorf arbeiten Menschen mit Behinderungen, die andernorts kaum Chancen haben

Wennerstorf. Jürgen Hohls hebt die Axt und lässt sie auf das Holzstück niederfahren. „Tschack“ macht es und dann weg damit auf den Holzhaufen. „Tschack, Tschack.“ Immer im gleichen Takt. Konzentriert gehen Jürgen Hohls, Sascha Schwartau und Philipp Brückner bei ihrer Arbeit vor, während sich die Luft mit dem Geruch von zersplittertem Holz füllt. Ein paar Meter weiter laden ein paar Männer Holz, das noch bearbeitet werden muss, auf einen Anhänger.

Jeder hat seine Aufgaben. Die Arbeit ist strukturiert. Denn das ist es, was die Menschen mit Behinderungen brauchen: einen strukturierten Alltag.

Der Museumsbauernhof Wennerstorf, seit 1997 eine Außenstelle des Freilichtmuseums am Kiekeberg, hat mehrere Funktionen. Er zeigt die Arbeits- und Lebensbedingungen auf dem Land in den 1930er-Jahren, ist zugleich ein ökologischer landwirtschaftlicher Betrieb und integriert Menschen mit Behinderungen. Ziemlich viel auf einmal, aber es funktioniert. Alle Produkte werden nach Bioland-Richtlinien angebaut und die Tiere wachsen im Sinne des ökologischen Landbaus heran. In Kooperation mit der Lebenshilfe Lüneburg-Harburg kümmern sich 17 Mitarbeiter mit Behinderung um Obst und Gemüse, Schafe und Hühner. Sie arbeiten im Garten und auf dem Feld, putzen das Gemüse und Obst, kochen es nach alter Art ein und produzieren Saft. Weil es sich um einen Biohof handelt, ist auf dem anderthalb Hektar großen Feld viel Handarbeit gefragt. „Gerade die manuellen Tätigkeiten in der Museumslandwirtschaft können Menschen mit Behinderungen gut erfüllen“, sagt Heiner Schönecke, Vorsitzender des Fördervereins des Freilichtmuseums am Kiekeberg.

Der Museumsbauernhof hat sich auf historische Obst- und Gemüseraritäten spezialisiert, die kaum im Handel erhältlich sind. Dazu gehören zum Beispiel die türkische Erbse, die anders als der Name vermuten lässt eine Buschbohnensorte ist, sowie gelbe und weiße Beete. Der Hof beliefert damit Feinschmeckerrestaurants, unter anderem das Hotel Altes Land in Jork. Die Produkte werden aber auch im museumseigenen Hofladen, der an einen alten Tante-Emma-Laden erinnert, verkauft.

Heute sind die Möhren dran. Tanja Spitkowski und Katharina Raj stehen in der Küche und putzen die Erde von den Wurzeln. Tanja Spitkowski arbeitet schon seit 15 Jahren auf dem Museumsbauernhof. In ihrer Berufsbildungszeit bei der Lebenshilfe hat sie ein Praktikum auf dem Bauernhof absolviert und ist gleich geblieben. Es gefällt ihr hier. Marmelade einkochen, Blumen pflücken für die Tische im Café, Möhren einkochen, im Café bedienen – die Arbeit ist abwechslungsreich und deshalb begehrt. „Ich fühle mich wohl“, sagt sie. Zugleich stellen die Aufgaben Anforderungen an die Mitarbeiter. „Man muss schon flexibel sein“, sagt Moritz Geuther, Abteilungsleiter am Museumsbauernhof Wennerstorf. „Wer jeden Tag das Gleiche machen will, wird hier nichts werden.“ Schließlich steuert allein das Wetter die Arbeit auf dem Bauernhof. Ein Regentag kann alles über den Haufen werfen.

Nicht nur die abwechslungsreichen Arbeiten machen die Jobs auf dem Museumsbauernhof besonders begehrt. Vor allem erkennen die Mitarbeiter, dass ihre Arbeit ein Ziel hat und alles andere als Beschäftigungstherapie ist. Was sie im Frühjahr säen, ernten sie im Herbst. Sie sehen, dass die fertigen Produkte im Hofladen über die Theke gehen, tischen den Gästen Speisen im Hofcafè auf. Auch das Holz, das die Männer an diesem Vormittag gehackt haben, wird nicht nur auf dem Museumsbauernhof verfeuert, sondern geht auch an private Abnehmer. Die Mitarbeiter fahren das Holz aus und lernen die Menschen kennen, die es kaufen. „Wenn ihre Arbeit nur darin bestünde, Schrauben zu sortieren, ist der Sinn und Zweck nicht gleich erkennbar“, sagt Geuther.

Oberstes Ziel bei der Beschäftigung der Menschen mit Behinderung ist, sie für den ersten Arbeitsmarkt fit zu machen. Doch in der Realität gelingt das selten. „Viele der Mitarbeiter sind dafür nicht selbstständig genug“, erklärt Museumsdirektor Prof. Rolf Wiese. Die wenigsten könnten lesen und schreiben. Auch Gruppenleiter Oliver Gothe sagt: „Das ist meistens utopisch.“ Viele Mitarbeiter, die auf dem Museumsbauernhof arbeiten, sind sowohl geistig als auch körperlich behindert.

Und so kommt es dazu, dass ein Großteil der Beschäftigten bereits mehr als fünf oder zehn Jahre auf dem Museumsbauernhof tätig ist. „Es ist ganz selten vorgekommen, dass jemand die Gruppe wechseln wollte“, erklärt Gothe. Das zeigt: Sie sind zufrieden.