Mittlerweile gibt es in Buchholz schon zwei Filialen, die mit Spenden beliefert werden

Buchholz. „Ich suche alles, was mit Technik zu tun hat. Aber nur alte Sachen – nicht diesen modernen Kram.“ Erich M. (Name verändert) schiebt vorsichtig im Regal liegende Kabel und Elektrogeräte zur Seite um zu sehen, was dahinter liegt. „So habe ich schon manches interessante Teil entdeckt“, sagt er und schmunzelt. Der Rentner ist Stammkunde im „Kaufhaus mit Herz“ in der Buchholzer Bahnhofstraße. Immer, wenn er Einkäufe in der Innenstadt zu erledigen hat, kommt er vorbei und stöbert in der Elektro-Ecke, in der vom Fernrohr bis zum Staubsauger vieles auf neue Besitzer wartet.

„Das da wäre was für mich“, sagt er und zeigt auf ein bereits deutlich ergrautes Keyboard älteren Modells. Aber er habe schon eine Orgel zu Haus, auf der er spiele. Er zuckt mit den Schultern. Heute ist nichts für den Sammler dabei.

Dafür hat Renate W. etwas im Sozialkaufhaus entdeckt. Im Einkaufskorb der 53-Jährigen Buchholzerin liegen zwei große Glassschüsseln, ihre Augen wandern konzentriert über die Angebote. „Das Einkaufen hier ist spannend, weil man vieles lange nicht mehr Gesehene entdeckt“, sagt sie und greift plötzlich nach einem Dessertschälchen aus Kristall. „Genau das wollte ich haben!“

Raritäten, Kuriositäten, Alltägliches : „Das Sortiment bei uns verändert sich von Tag zu Tag und das ist sowohl für die Kunden als auch für uns Mitarbeiter immer wie eine Wundertüte“, sagt Waltraud Thomas. Seit 2009 ist sie eine von insgesamt drei Festangestellten, die in den beiden Buchholzer Filialen „Kaufhaus mit Herz“ arbeiten. Eine Tätigkeit, die ihr vor allem wegen des Kundenkontakts so gut gefällt. „Hier werden nicht einfach Waren und Geld über den Ladentisch geschoben. Mit den meisten, gerade mit Stammkunden, findet auch immer ein netter, persönlicher Austausch statt.“

Beinah täglich kommt neue Ware. Entweder bringen Spender das, was sie in ihrem Haushalt nicht mehr benötigen, direkt in den Laden oder zum Lager an der Rütgersstraße. Dann geht das Sortieren los. Petra Mierwaldt und Gitta Weseloh, zwei von insgesamt 50 ehrenamtlichen Mitarbeitern, sind eifrig mit dem Auspacken beschäftigt, entfernen Zeitungspapier, das zerbrechliche Teile schützt, legen alles vorsichtig auf den Tisch. Haushaltswaren werden genau auf ihren Zustand und ihre Funktionsfähigkeit geprüft, später dann in die Regale einsortiert. Alles andere wird auf die anderen Abteilungen verteilt.

In dem fensterlosen, lagerähnlichen Raum an der Bahnhofstraße gibt es fast alles zu günstigen Preisen, was in einem Haushalt gebraucht wird: Bettwäsche, Kinder-, Damen und Herrenmode, Abendgarderobe, Accesoires von der Handtasche bis zum Gürtel, Schuhe, Sofas, Schränke und Sessel, Bilder und Spiegel, Geschirr, Besteck, Spiele, Bücher, Kindersitze, Karren und – zurzeit besonders gefragt – Weihnachtsdekoration wie Kerzenständer, Kugeln, Windlichter und Baumanhänger.

Jeder Mitarbeiter ist für einen bestimmten Bereich verantwortlich. Maike Müller kümmert sich um den Bereich Textilien. Die 21-Jährige junge Mutter arbeitet hier ehrenamtlich, bis sie ihre Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik beginnt. „Ich mag das hier“, sagt sie und meint den Umgang mit den Kunden, die etwas rummelige Flohmarkt-Atmosphäre, die Freude einiger Kunden, wenn sie ein Schnäppchen gefunden haben. „Kein Tag ist wie der andere. Ich bin immer gespannt, was wohl heute an Waren oder Situationen auf mich wartet“, sagt sie und lacht.

Nicht immer sind die Waren eindeutig zu identifizieren. „Einmal dachte ich, der Topf, der im Karton stand, sei ein Dampfkochtopf“, sagt Waltraud Thomas. Bei näherer Untersuchtung stellte sich heraus, dass es ein Kaffeeröster war, wie er schon längst nicht mehr benutzt wird. Auch Sachen, die viele nur noch von ihren Großmüttern kennen, wie ein Tropfenfänger für Kaffeekannen oder einen Kreidepüster aus der Schneiderwerktatt, tauchten schon auf.

Umso schöner ist es, in Kisten voller alter Hauhaltswaren zu stöbern, die sich manchmal als Fundgrube nostalgischer Gerätschaften entpuppen – und schnell ihre Liebhaber im Kaufhaus mit Herz finden. Ab und an ist auch einfach nur Müll dabei, Dinge, die nicht mehr zu gebrauchen sind. „Gerade wer wenig Geld hat, möchte doch nichts Verdrecktes oder Kaputtes kaufen!“, sagt Waltraud Thomas entrüstet.

Dabei sind es nicht nur Bedürftige, die in den beiden Buchholzer Sozialkaufhäusern in der Bahnhofstraße und Hamburger Sraße stöbern. Es kommen Sammler, die nach Einzelstücken suchen, Liebhaber von Schallplatten oder Büchern, Kunden, die gezielt nach altem Geschirr Ausschau halten oder einfach auch nur ein Schnäppchen machen wollen. „Wir verkaufen ganz bewusst an jedermann“, sagt Helga Preuß, Vorsitzende des Vereins „Kaufhaus mit Herz“, der das erste Kaufhaus am Bahnhof eröffnet hat. Nicht nur, dass die Hemmschwelle für Sozialhilfeempfänger sinke, wenn jeder dort einkaufen kann, sondern es wird deutlich mehr Geld umgesetzt – was letztlich dem Verein und damit den sozialen Projekten in der Region zugute kommt, an die vom Kaufhaus mit Herz erwirtschaftete Überschüsse gehen.

In der Fülle der Waren, die sich auf den Tischen und Regalen stapeln oder dicht gedrängt an den Ständern hängen, versteckt sich immer mal wieder das ein oder andere wertvollere Teil und auch sehr gut erhaltene Markenkleidung, wie Maike Müller beobachtet hat. „Vorbeikommen lohnt in jedem Fall!“, betont sie und empfiehlt: „Wenn einem etwas gefällt, dann sollte man es sofort kaufen. Denn am nächsten Tag ist es sicher weg. Aber dafür“, tröstet sie, „ sind dann wieder viele neue Waren da!“