SPD, Grüne und Linke befürworten Erstaufnahmestation in der alten Post, CDU und FDP sind dagegen

Harburg. Obwohl die Agenda der jüngsten Bezirksversammlung am Dienstag mehr als 20 Tagesordnungspunkte umfasste, stand sie doch ganz im Zeichen der Debatte um die geplante Einrichtung einer Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung (ZEA) für Asylbewerber in der alten Post. Darauf eingestimmt worden waren Abgeordnete und Zuhörer schon durch eine Gruppe Harburger Kulturschaffender, die vor dem Rathaus mit einem großen schwarzen Transparent und Flugblättern klarmachten, was sie von den Lokalpolitikern und auch Harburgs Bürgern erwarten: „Refugees are welcome here“ – Flüchtlinge sind hier willkommen.

Dass diese Forderung keineswegs allgemeiner Konsens im Stadtbezirk ist, hatte schon die öffentliche Diskussion im Vorfeld der Bezirksversammlung gezeigt. Ebenso kontrovers wurde die Debatte dann auch im großen Saal des Rathauses fortgesetzt. Und das, obwohl Hamburgs Innensenator Michael Neumann wie auch Staatsrat Volker Schiek mehrfach relativ unverblümt hatten durchblicken lassen, dass die Entscheidung über die Einrichtung der Erstaufnahme längst gefallen ist.

SPD-Fraktionschef Jürgen Heimath bemühte sich zwar leidlich, das zu dementieren, weil ja eine Beteiligung der Bezirke garantiert sei. Gleichwohl wäre letztlich die Innenbehörde „Herr des Verfahrens“. Für den hilflos wirkenden Rettungsversuch erntete er von CDU-Fraktionschef Ralf-Dieter Fischer nur Hohn und Spott: „Guter Freund, hättest du lieber geschwiegen“, raunte er Heimath zu. Die Harburger SPD sei wieder einmal als Bettvorleger des Senats geendet, woran auch der halbherzige „Heldenmut nach Ladenschluss“ nichts ändern würde.

Schützenhilfe erhielt Fischer von FDP-Fraktionschef Carsten Schuster. Der erinnerte daran, dass Heimath selbst den Standort vor gar nicht allzu langer Zeit „in Bausch und Bogen“ abgelehnt habe. Nun aber werde die Senatsentscheidung offenkundig durchgepeitscht, von einem „ergebnisoffenen Beteiligungsverfahren“ könne keine Rede sein. „Der Bezirk ist der Getriebene in diesem Verfahren, eine ordentliche Bürgeranhörung hat nie stattgefunden“, monierte Schuster.

Seiner Ansicht nach sei Harburg längst „an der Grenze dessen, was leistbar ist“, weil es mit Lewenwerder und der Wetternstraße schon zwei weitere Unterkünfte in unmittelbarer Nähe gebe. Mit dem Hinweis darauf, man trage auch Verantwortung für jene Menschen, die in diesem Sozialraum bereits leben würden, lehnte die FDP die ZEA am Harburger Bahnhof ebenso ab, wie die CDU. „Solche Einrichtungen müssen auch begleitet und entsprechende Sozialangebote sichergestellt werden“, mahnte Fischer. Ein stringentes Konzept und verlässliche Rahmenbedingungen könne er aber nicht erkennen.

Wie sehr die Ballung solcher Unterkünfte die Menschen im Quartier beschäftigt, machte einmal mehr die Bürgerinitiative Wetternstraße (BI) deutlich. Sie übergab den Fraktionen ein sechsseitiges Dossier, in dem mehr als zwanzig „Vorfälle aus dem Umfeld der Unterkunft Wetternstraße“ protokolliert sind. In einer schriftlichen Erklärung bekräftigte die BI noch einmal den Willen, „friedlich mit allen unseren Nachbarn“ zusammen leben zu wollen. Die vielen Vorkommnisse könnten aber nicht ignoriert werden. „Es hat seitens Vertretern des Senats und des Bezirksamts zwar viele warme Worte und Abmachungen gegeben, geändert aber hat sich nichts“, so Jens Ruppert.

Über alle Probleme im Zusammenhang mit den Flüchtlingsunterkünften hinweg erinnerte die Grünen-Abgeordnete Britta Herrmann dann aber an die Verpflichtung der Stadt Hamburg und ihrer Bürger, Menschen in Not zu helfen. Das sei eine „ethische Grundsatzentscheidung“, ein „humanitäres Muss“. Die Flüchtlinge hätten Anspruch auf Aufnahme. „Wichtig bleibt aber die Frage wie die Unterkünfte gestaltet und entwickelt werden“, so Herrmann. Ihre Parteifreundin Heinke Ehlers machte zudem noch einmal deutlich, dass Unterkünfte wie in der Wetternstraße nicht mit einer Zentralen Erstaufnahme verglichen werden könnten, weil dort ja niemand auf Dauer untergebracht werde. Die ZEA diene lediglich dazu, den Aufenthaltsstatus des Flüchtlings zu klären.

Die Linke sieht in der Einrichtung der Erstaufnahmestation eine gute Chance, Harburg als solidarisch und weltoffen zu präsentieren. Der Standort sei angemessen, weil zentrumsnah und gut angebunden an den Nahverkehr. „Außerdem hat Deutschland eine moralische Verpflichtung, sich der Flüchtlinge anzunehmen, weil mit Waffenexporten in Krisengebiete ein Beitrag dazu geleistet wurde, dass Menschen ihre Heimat verlassen müssen“, sagt Klaus Lübberstedt.

Letztlich befürworteten Grüne, Linke und SPD die Einrichtung der Erstaufnahme im Gebäude der ehemaligen Post. Es sei grundsätzlich geeignet, auch wenn die Lage selbst aus Sicht vieler Sozialdemokraten kritisch gesehen werden müsse. Der Abgeordnete Bernd Kähler forderte das Bezirksamt aber auf, weiter nach alternativen Standorten zu suchen: „Die Wetternstraße muss auf lange Sicht entlastet und dann für den Wohnungsbau vorgesehen werden.“