Stadt Buchholz lässt Schwarzbau von Operntenor Prosper Otto abreißen. Der spricht von einem „Stück aus dem Tollhaus“. Bürgermeister Wilfried Geiger sagt, er bedaure, dass es überhaupt so weit kommen musste.

Buchholz. Es ist ein beinahe unwirkliches Szenario, das sich am Donnerstag im Ortsteil Sprötze der Stadt Buchholz (Landkreis Harburg) ereignet hat. Der Bürgermeister Wilfried Geiger geht durch ein leer geräumtes Haus, draußen klemmen Arbeiter Erdgas- und Stromleitungen ab, und im Garten wartet schon ein Bagger, um endlich mit dem Abriss des Gebäudes zu beginnen. Jahrelang hatte die Verwaltung mit dem Opernsänger Prosper-Christian Otto vor Gericht um das Haus im Waldgebiet Lohbergen gestritten, bis zuletzt hatte Otto auf ein gutes Ende für sich gehofft. Doch vergebens.

Der Bürgermeister sagt, er hätte sich Kompromissbereitschaft bei Otto und dessen Familie gewünscht. Doch die habe es nicht gegeben. Geiger und Stadtsprecher Heinrich Helms müssen an diesem Morgen immer wieder erklären, wie es zu diesem bundesweit wohl einmaligen Vorgang kommen konnte. Die Version der Verwaltung: Die Stadt habe 2005 einen Bebauungsplan verabschiedet, um die größtenteils von Flüchtlingen nach dem Zweiten Weltkrieg ohne Genehmigung ausgebauten Häuser zu legalisieren. Man habe Obergrenzen festgelegt, um so auch für Gerechtigkeit zu sorgen. Die Folge: Hausbesitzer Otto hätte sein Gebäude, das eine Grundfläche von rund 170 Quadratmetern besitzt, auf 90 Quadratmeter verkleinern müssen. „Dann wäre alles gut gewesen.“

Der Opernsänger lehnte den Kompromissvorschlag ab. Anders als die meisten der 150 betroffenen anderen Hausbesitzer weigerte sich der Musiker. Stattdessen zog er vor Gericht und klagte gegen den Bebauungsplan. Erfolgreich, die Richter des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig gaben Otto recht. Doch dieser (vermeintliche) Sieg führte letztendlich zum Abriss des Hauses.

Denn die Stadt argumentierte so: Wenn also der Bebauungsplan nicht gültig sei, sei Ottos Haus ein Schwarzbau und illegal und müsse abgerissen werden. Dass dies jemals passieren könnte, daran hatte der Opernsänger nie geglaubt.

In seiner Verzweiflung hatte Prosper Otto Hilfe beim Land Niedersachsen gesucht, sich an den Petitionsausschuss gewandt. Einige Parlamentarier kamen Anfang August auch in den Sprötzer Wald, um sich zu informieren. Zu dem Zeitpunkt vor wenigen Wochen hoffte Otto noch auf eine Eingabe im Landtag oder ein Schlichtungsverfahren mit einem unparteiischen Vermittler. Vergebens.

Bürgermeister Wilfried Geiger sagt, er bedaure, dass es überhaupt so weit kommen musste. Aber er wirkt auch erleichtert, dass er die Akte Schwarzbau jetzt endlich schließen kann. „Eigentlich hätte ich heute aber lieber eine Krippe eröffnet, als hier zu sein“, ergänzt er.

Für Opernsänger Otto ist klar: Der Bürgermeister habe ihm die Niederlage vor dem Bundesgericht nicht verziehen, und deshalb sei er auch nicht auf Gesprächsversuche eingegangen. Auch auf seine schon vor Jahren gestellte Bauvoranfrage, ob er sein Haus nicht doch noch auf 90 Quadratmeter Grundfläche verkleinern könne, habe er von der Stadt keine Antwort erhalten. Die kontert, das sei wegen des schwebenden Verfahrens nicht möglich, und das habe man Otto auch mitgeteilt.

Irrsinn, ein Stück aus dem Tollhaus, unglaublich – wenn der Opernsänger über seinen Fall spricht, nutzt er gern deutliche Worte. Am Ende hat er sein Wohnhaus dann doch geräumt, seine Büchersammlung, Noten und mehr als 5000 historische Tonträger selbst herausgetragen. Nach dem „jüngsten Rechtsbruch des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg, das meine Beschwerde zurückwies, war mir klar, dass die nicht auf meiner Seite sind“. Wo Otto künftig wohnen wird, ist unklar. Eine Mietwohnung kommt nicht infrage, weil er zu Hause oft singe. So wird jetzt etwas abgelegenes gesucht, sagt er. Vielleicht ein kleiner Resthof. Seine Frau Christiane wolle in Norddeutschland bleiben. Aber er könne sich auch ein Leben im Ausland vorstellen. „Nächste Woche habe ich ein Gastspiel in Neapel, in der Gegend könnte es mir auch gefallen.“

Den Abriss des Hauses, in dem er 30 Jahre gelebt hatte, wollte sich Prosper-Christian Otto nicht ansehen. „Ich werde später einmal hingehen“, sagt der 64-Jährige.