Kreisverwaltung kritisiert Unterbringung von Arbeitern aus Osteuropa. Zum Teil hausen 20 Personen in einem Raum

Winsen . Sie leben zumeist in menschunwürdigen Verhältnissen. Für einen Hungerlohn arbeiten sie in niedersächsischen oder Hamburger Unternehmen. Nach Deutschland wurden sie zumeist mit der Aussicht auf bessere Jobs gelockt. Hier leben dann nicht selten 20 Arbeiter auf 30 Quadratmetern. Gearbeitet und geschlafen wird im Schichtbetrieb. Verhältnisse wie diese gibt es auch im Landkreis Harburg. Und die Arbeiter, die in solchen Unterkünften über Wochen oder Monate hausen, zahlen nicht selten horrende Mieten. Oft sind es Osteuropäer, die solchen Versprechen auf den Leim gehen, weil sie in ihrer Heimat keine Chancen sehen.

Die beiden Harburger Kreistagsfraktionen CDU und Wählergemeinschaft (WG) haben das Thema jetzt im Wirtschaftsausschuss des Kreistages in Winsen auf die Agenda gebracht. „Uns sind Fälle berichtet worden, in denen Personengruppen in Unterkünften untergebracht sind, die zum Teil den Mindestanforderungen zur Unterbringung von Menschen nicht entsprechen, beziehungsweise als gesundheitlich bedenklich einzustufen sind“, so CDU-Fraktionschef Dr. Hans-Heinrich Aldag. Aufgrund „sozialer und hygienischer Missstände“, so Aldag weiter, habe es bereits in mehreren Kommunen im Kreis Hinweise aus der Bevölkerung gegeben.

Und in der Tat liegen auch der Kreisverwaltung in Winsen aktuell mehrere Meldungen über Fälle dieser Art vor. Im Wirtschaftsausschuss berichtete Kreisrat Dr. Björn Hoppenstedt vom Sachstand. „Wir haben in einem Fall in Neu Wulmstorf eine Nutzungsuntersagung angedroht. In diesem Fall wird es jetzt eine Anhörung geben. Hier sind etwa 40 Menschen aus Osteuropa angemeldet. Das jedenfalls ist unser derzeitiger Informationsstand“, so Hoppenstedt.

Der Landkreis Harburg als Bauaufsichtsbehörde könne, sagt der Jurist, allerdings nur aktiv werden, wenn es sich bei solchen Unterkünften um gewerbliche Unterkünfte handele. Generell seien die Befugnisse, auch das machte Björn Hoppenstedt im Wirtschaftsausschuss deutlich, der Behörde recht beschränkt. So sei es zum Beispiel schwerlich nachzuweisen, dass diese Unterkünfte nicht die ausreichende Anzahl von Betten für jeden Arbeiter zur Verfügung stellten, und die Männer tatsächlich auch im Schichtbetrieb schliefen. In der Bauordnung gebe es zwar Regularien für „Mindeststandards für gesunde Wohn- und Lebensverhältnisse“, aber „wenig Konkretes“, sagt Hoppenstedt. Bei Privatunterkünfte habe die Bauaufsicht der Kreisverwaltung noch weniger Befugnisse.

Weitaus konkreter seien da schon die Mindeststandards für Asylunterkünfte. „Weil man davon ausgeht, dass Flüchtlinge unter besonderem Schutz stehen sollten. Diese Sorgfaltspflicht sollte aus meiner Sicht aber genauso für Menschen aus anderen Ländern gelten, die hier unter diesen Umständen arbeiten müssen“, sagt Winsens Kreisrat. Die Unterkünfte in Neu Wulmstorf sind kein Einzelfall im Landkreis Harburg, auch in Seevetal und in Jesteburg stehen solche Unterkünfte. Seien es Firmen aus dem Landkreis Harburg, in denen diese Menschen arbeiteten, sagt Hoppenstedt, könnte die Verwaltung diese Firmen an einen Tisch holen, um gemeinsam mit ihnen einen gültigen Standardkatalog zu erarbeiten. Aber das Problem liege darin, dass die Menschen auch bei Hamburger Firmen arbeiten und nur im Kreisgebiet untergebracht seien. „Klar muss sein, dass es uns als Behörde keineswegs darum geht, diese Menschen, die hier arbeiten, aus dem Land zu vertreiben. Der Kreisverwaltung geht es darum, dass sie menschenwürdig untergebracht sind“, so der Verwaltungsmann.

Die Kreisverwaltung stehe in dieser Angelegenheit in engem Kontakt mit den Gemeinden und Samtgemeinden und anderen Kommunen. Bei der kommenden Bürgermeister-Runde im Landkreis Harburg werde auch dieses Thema zur Sprache gebracht, sagt Hoppenstedt. Derzeit streitet sich der Landkreis Harburg mit einem Vermieter, der Arbeiter in einer Unterkunft untergebracht hat, deren Fenster vergittert sind. Das sei, so Hoppenstedt, allein aus brandschutzrechtlicher Sicht inakzeptabel. Ob die Verwaltungsrichter in Lüneburg das genauso sehen, ist noch offen.

Die Verwaltungsspitze im Winsener Kreishaus sei, so Hoppenstedt, auch dabei, die Situation der anderen Landkreise in Niedersachsen auszuloten, um gemeinsam Lösungsmöglichkeiten zu suchen. „Aber wir alle hängen in dieser Sache etwas in der Luft. Es gab gesetzliche Regelungen. Im Zuge der Liberalisierung aber sind sie abgeschafft worden, und das ist jetzt unser Problem. Aus meiner Sicht müssten Unternehmer verpflichtet werden, ihre Arbeiter adäquat unterzubringen“, so Hoppenstedt.

Auch Hans-Heinrich Aldag fordert im Namen seiner Fraktion für diese Arbeiter eine „menschenwürdige Unterbringung und haltbare Regularien, um diese zu gewährleisten“. Und auch die Fraktionen der SPD und der Grünen halten diese Sammelunterkünfte für Arbeiter aus dem Ausland für nicht hinnehmbar. „Für einen gangbaren Weg halten wir Sozialdemokraten den Denkanstoß, die Richtlinien, die derzeit für Asylbewerber-Unterkünfte gelten, auch hier anzuwenden“, sagt Anneliese Scheppelmann, Mitglied der SPD-Fraktion und des Wirtschaftsausschusses. Dieser Sichtweise mag sich auch die Grünen-Fraktionschefin Ruth Alpers anschließen. „Wir brauchen dringend Regularien, die dafür sorgen, dass diese Menschen sicher und gut untergebracht werden“, sagt sie. Foto: Sulzyc