Bürger fühlen sich von Hamburg allein gelassen, Saga-Häuser stehen weiter leer, Nutzung bleibt offen. Für die Neuenfelder ist der Mangel an Informationen mittlerweile kein Grund mehr zur Verwunderung.

Neuenfelde. Auf einmal sah es für die Neuenfelder so aus, als könnte alles wieder gut werden. Als könnten die Wunden, die die Airbus-Erweiterung in ihrem kleinen Ort hinterm Elbdeich geschlagen hat, zumindest einigermaßen heilen. Etwa zwei Jahre ist es her, dass die Hamburger Finanzbehörde die Sanierung eines Teils der seit mehr als zehn Jahren leerstehenden Häuser an der Hasselwerder Straße und am Organistenweg ankündigte. Vor einem Jahr nahm die Wiederbelebung des Ortskerns weiter Fahrt auf. Es hieß, 35 der insgesamt 66 Häuser im Besitz der Stadt würden erneuert, für die restlichen 31 lohnten die Arbeiten jedoch nicht. Sie sollen abgerissen und durch Neubauten ersetzt werden. Nur: Bei dieser vagen Äußerung, es könnte abgerissen und neu gebaut werden, ist es seither geblieben. Die Bürger warten noch immer, nach welchem Konzept die Finanzbehörde planen will.

Eine Anfrage der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen in der Harburger Bezirksversammlung hat diese Konzeptlosigkeit offen zutage treten lassen. Die Planungen seien noch nicht abgeschlossen, so die Antwort aus der Finanzbehörde. Es fänden fortlaufend Gespräche statt. Wann es eine konkrete Entscheidung gebe, könne derzeit noch nicht gesagt werden.

"So kann man mit einer Anfrage doch nicht umgehen", sagt Gudrun Schittek empört. Die Grünen-Politikerin steht auf dem Parkplatz bei der St.-Pankratius-Kirche und blickt auf die Häuser an der Hasselwerder Straße, die zwar nach außen hin dank der Vorhänge im Fenster bewohnt aussehen, tatsächlich aber leer stehen. All die Fragen, etwa wer die Planungen für die Neubauten übernimmt, die Fachbehörden oder externe Planungsbüros, ob ein Wettbewerb ausgeschrieben wird und wann die Pläne öffentlich ausliegen, blieben unbeantwortet.

Für die Neuenfelder ist dieser Mangel an Informationen kein Grund mehr zur Verwunderung. "Wissen Sie, das Ganze geht jetzt schon fast 15 Jahre, wir haben uns daran gewöhnt", sagt Claus Quast. Der Drogist ist so etwas wie die Kontaktbörse im Ort und kann sich noch genau an jene Zeit erinnern, als eine alte Kundin in sein Geschäft kam und ihm verzweifelt sagte: "Die haben alle verkauft, aber ich will hier nicht weg". Es war die Zeit, als es um die Verlängerung der Airbus-Landebahn ging und die Stadt aus Angst vor Klagen gegen den Fluglärm die Häuser rund um die Kirche aufkaufte. Erst vor zwei Jahren bewies dann ein Lärmgutachten, dass diese Sorge unbegründet ist. Die städtische Wohnungsgesellschaft Saga-GWG verwaltet seither den Neuenfelder Neuanfang.

Dass der bei den Bürgern durchaus wahrgenommen wird, will Claus Quast nicht abstreiten. Einige der sanierbaren Häuser seien bereits auf Vordermann gebracht worden, "und da muss man sagen, dass die Behörde ihre Sache gut macht". Sorge bereiten ihm vielmehr die Abrisshäuser. Wie alle im Ort hofft Claus Quast auf etwas mehr Leben in dem fast 4400 Einwohner zählenden Neuenfelde, das laut Statistikamt im Jahr 2004 noch fast 5000 Einwohner hatte. Aber wie soll neues Leben einziehen, wenn möglicherweise überall Baulücken klaffen und Schutthaufen die freie Sicht trüben?

Auch in der Bürgervertretung Neuenfelde, Francop und Cranz besteht diese Sorge. "Wir wollen nicht, dass erst abgerissen wird und dann erst mal nichts passiert", sagt Sprecher Manfred Hoffmann. Immer wieder dränge er, dass es zügiger vorangehe - vergebens. Wichtig ist aus seiner Sicht zudem, dass die neuen Häuser gemäß den Vorgaben der Baufibel Altes Land gebaut werden, damit die architektonischen Charakteristika der Region nicht verloren gehen. Seine Hoffnungen richten sich auf das nächste Dialoggespräch am 13. August.

Was diese Unsicherheit für die direkten Betroffenen bedeutet, zeigt das Beispiel von Corine Veithen und ihrem Mann Franz Schättle. Sie wohnen im Haus mit der Nummer 116 an der Hasselwerder Straße zur Untermiete und waren eigentlich davon ausgegangen, dass bei ihnen eines Tages saniert wird. Auf einer Liste des Landesbetriebs Immobilienmanagement und Grundvermögen, Stand Februar 2013, ist ihr Haus aber als Abbruchobjekt vermerkt. "Wenn das tatsächlich stimmt, wäre das schockierend", sagt Corine Veithen. Im Januar hätten sie zuletzt Kontakt mit der Saga gehabt, und da hieß es, sie gehörten nicht zu den Abriss-Häusern. Auch Manfred Hoffmann ist auf diesem Kenntnisstand. Es würde ihn wundern, wenn man plötzlich zu einem anderen Entschluss gekommen wäre, sagt er.

Für eine Sanierung würden sie ohne Wenn und Aber für einige Monate ausziehen, betont Corine Veithen. Danach möchten sie aber unbedingt wieder zurück in das Haus, in dem sie seit zehn Jahren leben. "Wir wollen endlich Klarheit haben", sagt sie.

Auch Claudia Smital wünscht sich nichts sehnlicher, wenngleich sie keine direkt Betroffene ist. Seit sechs Jahren wohnt sie mit ihrer Familie am Organistenweg und hat sich jahrelang wie viele andere im Ort für ein Ende des Leerstands eingesetzt. Dass endlich saniert wird, freut sie sehr. Bauchschmerzen hat sie nur bei den Abrissplänen. "Es sollte vorher unbedingt klar sein, was danach auf den Grundstücken passiert", sagt sie. Bliebe eine Lücke, sei der Dorfcharakter endgültig zerstört.

Und dann ist da noch die Sache mit dem Wohnungsbau in Hamburg. 6000 Wohnungen will der Senat pro Jahr errichten lassen. Die Grünen und viele andere Neuenfelder fragen sich, wie es dann sein kann, dass bei ihnen leere städtische Wohnungen seit Jahren auf eine neue Bestimmung warten.