Wochenlang wurde der chronisch kranke Harburger von Amt zu Amt geschickt. Offenbar fühlte sich keine Behörde für den 52-Jährigen verantwortlich.

Harburg. Stefan P. ist verzweifelt. Wenn der 52 Jahre alte ehemalige Lagerleiter aus Harburg seine Geschichte erzählt, hat er Mühe, die Fassung zu wahren. Es ist die Geschichte einer Odyssee durch die Behörden.

Seinen guten, langjährigen Job hatte er verloren, als sein Chef die Firma verkaufte. Der Mann suchte sich einen Arbeitsplatz als Lagerist. Doch auch die Stelle verlor er. P. meldete sich bei der Agentur für Arbeit in Harburg arbeitslos. Er bekam Arbeitslosengeld I. Dieser Anspruch läuft heute aus. Ein Umstand, der ihm Angst macht: Denn es fühlt sich offenbar keine Behörde mehr für ihn verantwortlich. "Es kann doch nicht wahr sein, dass ich seit Wochen von Amt zu Amt geschickt werde, meine Anträge alle abgelehnt werden und sich niemand zuständig fühlt. Wenn mein Arbeitslosengeld ausläuft, stehe ich ohne jedes Einkommen da und weiß nicht, wie ich die nächste Miete zahlen oder mir etwas zu essen kaufen soll. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal einen solchen Behördenwahnsinn am eigenen Leib erleben würde. Ich weiß einfach nicht, wie es jetzt weitergehen soll", sagt P. Er leide unter starken Depressionen und er sei suizidgefährdet.

Als Stefan P. arbeitslos wird, kommt der große Zusammenbruch, er begibt sich in ambulante psychiatrische Behandlung in der Asklepios Klinik in Harburg. Dort attestiert die behandelnde Ärztin ihm "besonders schwerwiegende und chronische Erkrankungen" und bestätigt, dass P. "mittelfristig und langfristig nicht arbeitsfähig" sei. Bereits im März vergangenen Jahres beantragt er also Erwerbsunfähigkeitsrente. Der Antrag wird noch immer bearbeitet. Ein Begutachtungstermin wurde für den 20. Juni dieses Jahres anberaumt. "Ich kann nur hoffen, dass es danach nur noch wenige Wochen dauert, bis der Antrag durch ist und meine Rente gezahlt wird. Denn so wie es aussieht, bekomme ich ab dem 23. Mai kein Geld mehr", so P.

Ein Sachbearbeiter der Agentur für Arbeit schickte den Mann zum Jobcenter. Dort, so die Auskunft bei der Agentur, sei man für P. zuständig, bis die Rente gezahlt werde. "Wir haben den Fall noch einmal eingehend geprüft und können den Anspruch auf Arbeitslosengeld I leider nicht verlängern. Also ist ab heute das Jobcenter zuständig", sagt Ines Rosowski von der Harburger Agentur für Arbeit. Im Jobcenter lässt man P. am 3. Mai einen Antrag auf Arbeitslogengeld II ausfüllen. Der wird am 14. Mai abgelehnt. "Sie haben keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, weil Sie und Ihre Frau nicht erwerbsfähig sind", heißt es zur Begründung. Die Ehefrau von P. ist erwerbsunfähig, bezieht eine kleine Rente. Aber Stefan P.'s Erwerbsunfähigkeit ist vom Rententräger noch gar nicht abschließend festgestellt. Diese Feststellung trifft auch nicht das Jobcenter, sondern der Rentenversicherer.

Der Sachbearbeiter schickt den verzweifelten Mann zum Fachamt Grundsicherung und Soziales. Auch hier scheint man sich nicht zuständig zu fühlen. Man teilt ihm am 21. Mai schriftlich mit, dass "eine Prüfung Ihrer Ansprüche erst erfolgen kann, wenn die dauerhafte Erwerbsunfähigkeit vom Rententräger festgestellt wurde. Bis dahin haben Sie die Möglichkeit Ansprüche aus die Zahlung nach dem SGB II prüfen zu lassen".

Im Klartext: Die Mitarbeiter des Fachamtes schicken P. zurück zum Jobcenter. Harburgs Sozialdezernent und damit Chef des Fachamtes Grundsicherung und Soziales, Holger Stuhlmann, bestätigt den ablehnenden Bescheid seines Amtes. "Erst wenn Herr P. nicht mehr erwerbsfähig ist, geht er in die Grundsicherung. Bis die Erwerbsunfähigkeit festgestellt ist, ist eindeutig das Jobcenter zuständig", sagt Holger Stuhlmann. Stuhlmann und Rosowski sind sich einig darin, dass Stefan P. unter die sogenannte Nahtlosregelung fällt. Ihrer Ansicht nach habe demnach das Jobcenter dafür zu sorgen, dass der Mann ab Auslaufen des Arbeitslosengeld I-Anspruches bis zum Beginn der Rentenzahlungen nahtlos Geld bekommt, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. "Natürlich habe ich auch Angst, meine Wohnung zu verlieren, wenn ich die Miete nicht mehr zahlen kann. Ich weiß aber nicht mehr, wohin ich gehen soll, wenn ich Hilfe brauche. Und ich glaube nicht, dass ich der Einzige bin, der in diesen Irrsinn gerät", so Stefan P.

Er verstehe die ablehnende Haltung der Behörden auch deshalb nicht, weil die Ämter das Geld ohnehin wiederbekämen, sobald der Rentenversicherer die Arbeitsunfähigkeit anerkannt habe. Am Ende seiner Odyssee kommt dann doch noch eine gute Nachricht. Kirsten Maaß, Sprecherin des Hamburger Jobcenters, lenkt auf Nachfrage des Hamburger Abendblatts ein. "Wir werden prüfen, ob unseren Mitarbeitern in diesem Fall ein Fehler unterlaufen ist. Ich kann aber jetzt schon sagen, dass wir Herrn P. nicht im Regen stehen lassen und ihm helfen. Er wird vom Jobcenter zeitnah Geld erhalten."