Grundschule Emmelndorf profitiert von Zuzügen, doch der Standort könnte bei sinkenden Schülerzahlen wieder gefährdet sein.

Emmelndorf. Es klingt vielleicht wie ein Klischee, aber an der Grundschule Emmelndorf scheint die Welt noch in Ordnung: Acht Lehrer betreuen 120 Mädchen und Jungen, umgerechnet ist somit ein Pädagoge im Schnitt für 15 Schüler verantwortlich. Zahlen, von denen so manche andere Schule im Landkreis Harburg nur träumen kann. Man kennt sich in dem rund 1600 Einwohner zählenden Ortsteil der Gemeinde Seevetal, und das gilt nicht nur für das Leben im Ort selbst, sondern auch für die Grundschule, die auf den ersten Blick wie ein ganz gewöhnliches Wohnhaus aussieht.

"Hallo Herr Nolden", rufen die Schüler dem kommissarischen Schulleiter zu, wenn er über den Schulhof geht. "Hallo Pia, hallo Lilly", antwortet er dann, denn Gunnar Nolden, seit zehn Jahren an der Schule, kann etwas von sich behaupten, was wohl nur wenige andere Schulleiter können: Er kennt jedes Kind mit Namen.

Und doch ist da eine Sache, die die Emmelndorfer Idylle über kurz oder lang bedrohen könnte, und das sind die idyllischen Zustände selbst. Immer mal wieder sei der Grundschulstandort aufgrund der geringen Schülerzahlen gefährdet gewesen, sagt Nolden. Kann man die Kinder nicht nach Hittfeld fahren? Das war die Frage, die sich viele stellten und die aus finanzieller Sicht nachvollziehbar ist. Die Eltern liefen dagegen jedoch erfolgreich Sturm. Wirklich notwendig sind derlei Überlegungen derzeit jedoch nicht, denn das 2006 an den Markt gegangene Neubaugebiet "Wittenberger Feld" mit seinen 111 Einzel-, Doppel- und zweigeschossigen Mehrfamilienhäusern bescherte dem Ort einen Zuzug an jungen Familien, der sich einige Jahre später direkt in den Anmeldezahlen der Grundschule niederschlug. Aktuell ist lediglich die vierte Klasse einzügig, die restlichen Klassen sind zweizügig - ein Zustand, den Emmelndorf bis dato gar nicht kannte.

Zwei Container auf dem Schulhof sind die Belege dieser Entwicklung, der erste ist vor drei Jahren hinzugekommen, als sich die Auswirkungen des Neubaugebiets erstmalig zeigten. Der zweite kam in diesem Schuljahr dazu. "Wir haben ja nur vier Klassenräume", erklärt Nolden die Entscheidung für die Provisorien. Vier bis fünf Jahre werde sich das aktuelle Schülerzahlenniveau in etwa halten, das lasse sich allein an den aktuellen Zahlen in den Kindergärten ablesen, sagt er. Was danach kommt, ist Kaffeesatzleserei. Eine Gefährdung des Standorts ist auf längere Sicht aber nicht auszuschließen.

Kontraproduktiv aus Emmelndorfer Sicht ist dabei ebenfalls die Umstellung der Seevetaler Grundschulen auf das Ganztagsmodell. In Meckelfeld gibt es bereits seit 2011 eine Betreuung bis in den Nachmittag hinein, Hittfeld und Ramelsloh sind 2012 hinzugekommen, und auch für Maschen, Horst und Fleestedt wird die Ausweitung für 2014 angestrebt. Dass auch Emmelndorf eines Tages in diese Reihe aufschließen könnte, hält Schulleiter Nolden für eher unwahrscheinlich. "Alleine räumlich gesehen ist es schwierig", sagt er.

Das Haus besitzt keine Aula, keine Kantine und keine weiteren Aufenthaltsräume. Er geht deshalb davon aus, dass es in Zukunft sicherlich einige Eltern geben wird, die ins Grübeln kommen, ob ihr Kind nicht doch im nahen Fleestedt oder Hittfeld besser aufgehoben ist. Die Schule könnte dann abermals auf der Kippe stehen. Nolden betont deshalb ausdrücklich, dass die Einrichtung derzeit durchaus eine Nachmittagsbetreuung bis 15.30 Uhr im Kindergarten anbietet - nur eben nicht gemäß dem offiziellen Modell einer Ganztagsschule.

Für die Schüler selbst ist das Damoklesschwert des Schließens, das ständig über ihnen schwebt, gar nicht bemerkbar. Sie freuen sich, dass sie jedes Jahr mit dem ganzen Haus zu einer Wochenend-Freizeit in die Jugendherberge Inzmühlen aufbrechen. Der sehr aktive Schulverein ist für die Organisation verantwortlich. "Früher, als wir noch weniger Schüler hatten, sind wir auch gemeinsam zu Schul-Ausflügen gefahren", erzählt Nolden. Ziele waren das Universum in Bremen oder die Umweltpyramide in Bremervörde. Eine jährliche Verabschiedung der Viertklässler steht ebenso auf dem Programm wie ein kollektiver Besuch im Theater. Mittlerweile werden die Schüler der Klassen eins und zwei dafür allerdings von den Älteren getrennt, weil die Truppe sonst zu groß werden würde.

"Ich denke, dass es für die Schüler einfach schöner ist, wenn sie sich untereinander kennen", sagt der Schulleiter. Das bestätigen auch Sophia, 7, Sebastian, 9, Collin, 9, Pia, 9, und Lilly, 8, die in der Pause gemeinsam über den Schulhof toben. "Ich kenn' zwar nicht alle, aber viele", sagt Sophia. Und Sebastian erklärt, dass es hier im Vergleich zu Hittfeld, wo er früher zur Schule ging, weitaus schöner sei. "Es ist so übersichtlich hier", sagt Lilly.

Die Beschaulichkeit führt sogar dazu, dass einige Kinder, die an anderen Grundschulen auffällig sind, gezielt nach Emmelndorf geschickt werden, weil die Lehrer sie dort intensiver betreuen können. Auch Kinder mit Migrationshintergrund, die es in Emmelndorf aber so gut wie gar nicht gibt, lernen im Handumdrehen Deutsch. "Bei uns gibt es kurze Wege", sagt Nolden. Wenn im Kollegium über Schüler gesprochen wird, weiß jeder, von wem die Rede ist. Es sei Geschmackssache, ob man als Lehrer lieber in einem eher anonymen Umfeld arbeiten wolle als an einer so kleinen Schule, sagt er. Er selbst könnte sich aber nichts Schöneres vorstellen und hofft, dass es noch lange so bleiben wird.