Wie wir wurden, was wir sind. Die große Serie von Abendblatt und Kiekeberg-Museum. Heute Teil 6 - Von der Butze zum Bett. Wo Knecht und Magd die Nacht verbrachten

Ehestorf . Wie man sich bettet, so liegt man. Diese Redensart bekommt eine ganz andere Bedeutung, wenn man sich die Bettentypen vergangener Tage anschaut. Den Wandel des Wohnens auf dem Lande zeigt eine Dauerausstellung im Freilichtmuseum am Kiekeberg. Die Besucher können sich so ein Bild machen, wo und auf welchen Unterlagen die Bauern, Mägde und Knechte in der Region früher ihre Nächte verbracht haben.

Gemessen am heutigen Schlafkomfort war die Nachtruhe damals alles andere als bequem. Vor allem für das Gesinde. Die Mägde und Knechte schliefen vor allem im 17. und 18. Jahrhundert - natürlich nach Geschlechtern getrennt - auf den Zwischenböden, den so genannten Hillen, über dem Vieh. So hatten sie auch ein Auge auf Pferde und Kühe. Was heute die Matratze ist, war damals das Stroh.

Generell war die soziale Stellung innerhalb der häuslichen Hierarchie für einen Außenstehenden schnell daran erkennbar, wo und auf welcher Art von Schlafplatz man nächtigte. Je näher der Schlafplatz am Ofen, desto höher die Stellung.

Die groot Döns (große Stube) mit dem Ofen war also dem Bauernpaar vorbehalten, die lütt Döns dem Altenteil oder auch der Großmagd. Während das Gesinde über dem Vieh schlief, nächtigten Bauer und Bäuerin in der groot Döns in einer Butze, die nur einen Meter breit und 1,60 Meter lang war. Ein Wunder, dass damals überhaupt an Schlaf zu denken war. Genau genommen waren die Butzen Schrankbetten - Möbelstücke, die in die Wände eingebaut und mit Schiebetüren verschlossen wurden.

Für den Schlafplatz wurde ein Rahmen mit Bretterboden in die Kammer eingebaut, auf den Stroh und darauf ein Laken gelegt wurde. Heu wurde nie als Schlafunterlage verwendet, da es als wertvolles Futtermittel galt und nicht so gut polsterte wie Stroh.

Das Privileg für die Bauern, in Butzen schlafen zu dürfen, wurde im 18. Jahrhundert langsam aufgeweicht. Auch Knechte und Mägde bekamen dann ihre eigenen Schlafstellen am Ende des Stalles, die sie sich aber beispielsweise zu dritt teilen mussten. Privatsphäre war also tabu.

Die jüngeren Bauernkinder schliefen beim Gesinde. Wenn es aber zu kalt wurde, durften die Kinder in der groot Döns auf Holzbänken schlafen. Gleiches galt bei massivem Temperatureinbruch für das Jungvieh: Kälber und Küken zogen mit in die große Stube ein. "Bei großer Kälte ging es buchstäblich ums Überleben", sagt Nils Kagel, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Freilichtmuseum am Kiekeberg, der sich intensiv mit dem Wandel des Wohnens auseinandergesetzt hat.

Etwa Mitte des 19. Jahrhunderts kamen die so genannten Alkoven auf. Der Unterschied zu den Butzen war, dass die Schiebetüren von bis auf den Fußboden reichenden Doppeltüren ersetzt wurden. Dadurch wirkten die Schlafstellen von außen wie Kleiderschränke. Die Konstruktion des wandfesten Bettes aber blieb die gleiche.

Jüngere Geschwister hatten damals ein schweres Los, weil sie als Hoferbe nicht in Frage kamen. Wenn die Aussteuer auch nicht gerade üppig war, war es für die jüngeren Nachfahren oft unmöglich, auf einen anderen Hof einzuheiraten. Die Alternative war dann, dass der Bauer ihnen ein eigenes Haus auf dem Hof, eine so genannte Häuslingsstelle, zur Verfügung stellte und sie im Gegenzug weiter für ihn arbeiteten.

Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts stieg die Zahl der Häuslingsstellen deutlich an. "Es war eine Möglichkeit, unabhängiger zu werden, sagt Nils Kagel. "Wer eine eigene Häuslingsstelle hatte, lag nicht mehr so sehr unter der Knute des Bauern." Butzen und Alkoven waren auch in den Häuslingsstellen übliche Schlafplätze.

Aus den Alkoven entwickelten sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts allmählich eigene Schlafkammern, also getrennte Räume. auch für das Gesinde. Denn den Bauern wanderten die Arbeiter im Zuge der Industrialisierung in die Stadt ab. Mit eigenen Schlafräumen versuchten sie die Knechte und Mägde zu halten.

Es hatte aber auch gesundheitliche Gründe, dass Butzen und Alkoven langsam verschwanden. Die Behörden lobten Prämien aus, um sie zu verbannen. Denn von Hygiene konnte in den Schlafstellen kaum die Rede sein. Stroh und Bettwäsche wurden selten gewechselt, da das Waschen per Hand eine anstrengende und langwierige Arbeit war. Ungeziefer wie Läuse, Flöhe und Wanzen konnten sich also in den Butzen und Alkoven pudelwohl fühlen.

Ungefähr ab 1830 erhielten frei stehende Betten Einzug ins Schlafzimmer. Dann kamen die Veränderungen Schlag auf Schlag: Gardinen zierten die Fenster, Bilder die Wände. Statt Stroh gab es Federbetten. Damit setzte auch ein ganz anderer Schlafkomfort ein. Genau genommen waren die Betten dann so groß, dass die Bewohner mit ausgestreckten Beinen schlafen konnten.

Zur Zeit der Butzen konnten Bauern, Knechte und Mägde davon nur träumen. Sie schliefen im Sitzen. Schuld war ein damaliger Aberglaube, wonach nur Tote auf dem Rücken lagen.