Infoabend für Eltern in Stove nach Missbrauchsverdacht gegen ehemaligen Mitarbeiter. Verband bedauert Hamburger Vorfälle, habe die Entwicklung aber 2011 nicht absehen können.

Marschacht. Der Evangelische Kindertagesstätten-Verband Winsen weist die Vorwürfe in den Medienberichten zurück, die im März bekannt gewordenen mutmaßlichen Missbrauchsfälle in Hamburg-Schnelsen hätten möglicherweise verhindert werden können, wenn der evangelische Kindergarten in Stove (Samtgemeinde Elbmarsch) einen Verdachtsfall von vor zwei Jahren frühzeitig bekannt gemacht hätte. Der Kindertagesstätten-Verband bedauere die "Hamburger Vorfälle" außerordentlich, aber er habe die Entwicklung damals im Jahr 2011 "absolut nicht" absehen können, heißt es in einer am Wochenende veröffentlichen Pressemitteilung.

Eltern von elf Kindern in Schnelsen haben den 29 Jahre alten Erzieher H. wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs angezeigt. Der Erzieher war zuvor in Stove von September 2009 bis Ende Februar 2011 beschäftigt gewesen.

Der Kindertagesstätten-Verband Winsen hat am Freitagabend in der Kirche in Marschacht jetzige Eltern sowie Mütter und Väter, deren Kinder zur Zeit des Verdachtsfalles den Kindergarten in Stove besucht haben, zu einem Gespräch eingeladen. Die Informationsveranstaltung war nicht-öffentlich. Journalisten hatten keinen Zutritt. Nach Angaben einer Teilnehmerin dauerte das Treffen etwa eineinhalb Stunden. Etwa 40 Eltern seien zu dem Informationsabend gekommen.

Von dem Geschäftsführer des Evangelischen Kindertagesstätten-Verbandes Winsen, Roland Arndt, erfuhren die Eltern, dass die Mutter eines Kindes im Januar 2011 die Polizei darüber informiert habe, dass der Erzieher H. auf das Geschlechtsteil des Kindes geschaut haben solle. Nach dem die Polizei die Kindergartenleitung informiert hatte, sei H. von der Kindergartenleitung und dem Verband mit den Vorwürfen konfrontiert worden und mit sofortiger Wirkung für die Dauer der staatsanwaltlichen Ermittlungen vom Dienst freigestellt worden.

Die Staatsanwaltschaft Lüneburg habe zwar ermittelt, das Verfahren aber wenig später wieder eingestellt. Zum einen habe es keine Zeugen für den Vorfall und zum anderen keine Hinweise darauf gegeben, dass H. das Kind berührt habe, heißt es in der Pressemitteilung des Verbandes. Es habe auch keinen Hinweis darauf geben, dass H. Gewalt angedroht oder gar ausgeübt habe. Es handele sich ausschließlich um einen Fall. Weitere Beschwerden gegen den Erzieher H. habe es nicht gegeben, so Roland Arndt.

Trotzdem lösten H. und sein Arbeitgeber den Arbeitsvertrag zum 28. Februar 2011 auf - laut Pressemitteilung im gegenseitigen Einvernehmen. Der Kindertagesstätten-Verband weist die Darstellung des NDR als unwahr zurück, der Erzieher H. habe ein "gutes" Arbeitszeugnis erhalten, und damit den Vorwurf, ihm damit indirekt eine neue Anstellung in Schnelsen ermöglicht zu haben. Er habe vielmehr ein "neutrales" Arbeitszeugnis erhalten, weil keine strafrechtlich relevanten Tatbestände gegen ihn vorgelegen hatten. Laut einer Teilnehmerin des Informationsabends am Freitag in Marschacht hätten einige Eltern Kritik an dem neutral formulierten Zeugnis geäußert: Es habe nach Auffassung der Eltern auch die Möglichkeit bestanden, H. gar kein Zeugnis auszustellen.

Der Kindertagesstätten-Verband Winsen weist auch den Vorwurf zurück, er hätte zeitnah im Januar oder Februar 2011 die Eltern informieren sollen - und nicht erst jetzt, mehr als zwei Jahre später, nach dem Medien wegen Ermittlungen in Schnelsen auf den Verdachtsfall in Stove gestoßen sind. Laut Verband habe damals die Kindergartenleitung "unverzüglich" mit dem Elternbeirat die Idee eines Eltern-Informationsabends besprochen. Dieser sei jedoch zu der Überzeugung gekommen, dass "solch ein Abend nicht notwendig sei, weil das Beschäftigungsverhältnis mit dem Erzieher ja gelöst werde und er den Kindergarten nicht mehr betreten würde". Die kirchliche Kindertagesstätte in Schnelsen jedenfalls hat in ihrem Fall anders entschieden und die Eltern frühzeitig in einem Schreiben informiert.

Bei einigen Eltern von Kindern, die während des Verdachtsfalles vor zwei Jahren den Kindergarten Stove besucht haben, sei die Verunsicherung geblieben, sagt eine Teilnehmerin des Treffens am Freitag in der Marschachter Kirche. Sie könnten nicht nachvollziehen, warum damals kein Psychologe hinzugezogen worden sei, sich ein Bild von den Kindern zu machen. Kindergartenleitung und Verband hätten das den Erziehern zugetraut. Einige Kinder hätten "Auffälligkeiten" gezeigt. Sie hätten morgens plötzlich ungern in den Kindergarten gehen wollen. Oder sie seien nachts öfter aufgewacht als sonst. Das könnten Hinweise auf sexuellen Missbrauch sein - müssen es aber nicht sein. Diese Auffälligkeiten könnten aber auch in der Entwicklung des Kindes begründet sein, räumt die Teilnehmerin ein.

Es wäre ihrer Meinung nach aber besser gewesen, einen Psychologen hinzuzuziehen. Was uns bei dem Treffen am Freitag gefehlt habe, sagt die Teilnehmerin noch, sei ein Wort der Entschuldigung.