Weisser Ring warnt vor Generalverdacht gegen männliche Erzieher. “Ein solcher Fall ist uns in Hamburg noch nicht begegnet.“

Hamburg. Nach dem Missbrauchsverdacht an der kirchlichen Kindertagesstätte in Schnelsen sind viele Eltern in Sorge. Wie das Abendblatt berichtete, haben die Eltern von elf Kindern gegen den Erzieher Stefan H., 29, Anzeige wegen sexuellen Missbrauchs gestellt.

Während sich der Kirchenkreis Hamburg-West gemeinsam mit dem Beratungsverein Zündfunke um Aufklärung und den richtigen Umgang mit Missbrauchsfällen bemüht, haben sich viele Eltern in Schnelsen bei der Hamburger Hilfsorganisation Weisser Ring gemeldet.

"Die Eltern in Schnelsen sind verunsichert und besorgt. Sie haben aber sehr vernünftig gehandelt und sich bei uns beraten lassen", sagte Kristina Erichsen-Kruse. Die stellvertretende Landesvorsitzende des Weissen Rings rät den betroffenen Eltern, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Mit den Kindern müsse äußerst sensibel umgegangen werden. "Kein Kind darf zu einer Aussage überredet, geschweige denn gezwungen werden. Es muss reden wollen."

Erichsen-Kruse warnt zudem davor, männliche Erzieher unter Generalverdacht zu stellen: "Ein solcher Fall ist uns in Hamburg noch nicht begegnet." 95 Prozent des sexuellen Missbrauchs finde noch immer in der Familie statt. "Die Dunkelziffer ist sehr hoch", sagt Erichsen-Kruse.

Bei der Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten gibt es schon länger Schutzkonzepte gegen sexuellen Missbrauch. "Eine Zunahme von Grenzverletzungen und sexuellem Missbrauch in Hamburger Kindertagesstätten können wir nicht bestätigen", sagt Ralf Lange, der für den Paritätischen Wohlfahrtsverband das Hamburger Netzwerk "Mehr Männer in Kitas" leitet.

Lange bemüht sich seit der 2011 gestarteten Bundesinitiative des Familienministeriums um einen größeren Anteil an männlichen Erziehern in Kitas. Mit Erfolg: Zwischen 2010 und 2013 stieg die Zahl der männlichen Fachkräfte in Hamburg um 20 Prozent auf 1108. Mit einem Männeranteil von zehn Prozent liegen die Hamburger Kitas bundesweit in Führung.

Für Lange ist diese Zahl nicht gleichbedeutend mit einer erhöhten Gefahr von sexuellem Missbrauch. Durch professionelle Präventionsarbeit bleiben die Kitas laut Lange ein sicherer Ort für Kinder und Erzieher. "Unsere proaktiven Konzepte schützen die Fachkräfte beiderlei Geschlechts vor generellen Verdächtigungen."