Das Bürgerbeteiligungsgremium in Wilhelmsburg kritisiert die Standort-Entscheidung für den Opernfundus-Neubau scharf.

Wilhelmsburg. Unverständnis und Protest gegen die Entscheidung der Senatskommission für Stadtentwicklung und Wohnungsbau, den Neubau für Fundus und Werkstätten der Hamburgischen Staatsoper auf dem Gelände der alten Zinnwerke in Wilhelmsburg zu bauen, nehmen im Stadtteil zu. Der Beirat für Stadtteilentwicklung Wilhelmsburg hat am Mittwochabend an den Senat appelliert, den Opernfundus nicht in die Straße Am Veringhof zu verlegen.

Das Bürgerbeteiligungsgremium fordert in seinem Beschluss Institutionen und Organisationen, insbesondere die Gesellschaft Internationale Bauausstellung (IBA), auf, sich dem Appell gegen die Verlegung des Opernfundus auf das Gelände der ehemaligen Zinnfabrik anzuschließen. Weiter fordert der Stadtteilbeirat die Grundstückseigentümerin Sprinkenhof AG auf, die Kündigung von Mietverträgen für dort existierende Betriebe zurückzunehmen. Wie berichtet haben kreative Unternehmer, ein Getränkehändler und Handwerksbetriebe zum 30. Juni beziehungsweise zum 30. September die Kündigung erhalten. Insgesamt 36 Arbeitsplätze seien davon betroffen.

Der Unternehmer Melih Dirik spricht von einer "dramatischen Fehlentscheidung". Er lebt seit 48 Jahren in Wilhelmsburg und betreibt seit 25 Jahren einen Autoreparaturbetrieb am Veringhof, den inzwischen seine Söhne übernommen haben. Nun soll der Betrieb mit sieben Mitarbeitern weichen. Melih Dirik ist empört über die Art und Weise der Kündigung. "Politiker haben zuvor nicht mit uns gesprochen", sagt er. Während den Kreativen und dem Getränkehändler Ausweichflächen oder zumindest die Hilfe bei der Suche danach angeboten worden seien, hätten sein Betrieb und eine benachbarte Lackiererei keine Angebote erhalten.

Laut Melih Dirik würden Kreative und Gewerbetreibende, die dem Opernfundus-Neubau weichen müssten, etwa drei bis vier Millionen Euro im Jahr umsetzen. Die Entscheidung der Senatskommission würde 36 Arbeitsplätze gefährden. Der Senat ist bisher eine Antwort schuldig geblieben, warum er an dem Standort in Wilhelmsburg festhält, obwohl eine Machbarkeitsstudie einen Standort in Billbrook für deutlich besser geeignet und eine Fläche in Moorfleet für geeigneter hält.

Marco Antonio Reyes Loredo, Geschäftsführer der Hirn und Wanst GmbH auf dem betroffenen Grundstück am Veringkanal, weist darauf hin, dass der Opernfundus-Neubau in Wilhelmsburg dem Steuerzahler 2,7 Millionen Euro teurer käme als ein Neubau an den für besser befundenen Alternativstandorten, die beide der Freien und Hansestadt Hamburg gehören. Reyes Loredo beruft sich dabei auf die Machbarkeitsstudie, die inzwischen an die Öffentlichkeit gelangte. Laut der Studie, die dem Abendblatt vorliegt, würde der Neubau in Wilhelmsburg um zehn Prozent teurer sein.

Der Beiratsvorsitzende Lutz Cassel vermutet, dass der Entscheidung für den Standort Wilhelmsburg keine städtebauliche Gründe, sondern offenbar ausschließlich finanzielle Interessen des städtischen Immobilienverwalters Sprinkenhof AG zugrunde lägen. Das Unternehmen könne ein ungeliebtes Gelände loswerden, sagt er, und die Staatsoper müsse dafür noch reichlich Miete bezahlen.

"Uns empört auch, dass die Bürger an der Entscheidung nicht beteiligt worden sind", sagt Lutz Cassel. Der Stadteilbeirat rügt die fehlende Information der Öffentlichkeit in seinem Beschluss.

Wegen der Berichterstattung über die Verlegung des Opernfundus seien inzwischen Gewerbetreibende aus ganz Hamburg, aus Jenfeld, der Altonaer Mitte und Ottensen, auf das Gelände der früheren Zinnfabrik aufmerksam geworden, sagt Reyes Loredo. Sie alle suchten ein Ausweichquartier, weil sie dem Druck der Stadt, neue Wohnbauflächen zu schaffen, weichen müssten. Die früheren Zinnwerke böten jetzt eine große Chance zur Entwicklung.

Indes sieht das Kunstmagazin "Art" Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) vor einem zweiten "Gängeviertel-Problem". Weil der Bürgermeister offenbar begierig darauf sei, in Wilhelmsburg einen erfolgreichen und selbst geschaffenen Kreativ-Kiez mit Thors Hammer zu zerschlagen, müsse Olaf Scholz mit protestierenden Künstlern rechnen, heißt es in dem Magazin. Dabei könne er nur an Sympathien verlieren. Der Beschluss des Stadtteilbeirats könnte der Anfang einer organisierten Götterdämmerung in der Stadtregierung sein.