780 Tage nach Beginn der Sanierungsarbeiten hat die Buxtehuder Artothek wieder geöffnet. 515 Exponate gehören zum Bestand der Galerie

Buxtehude . Man weiß gar nicht, wo man zuerst hinblicken soll. Da ist der bunte Jahrmarkt, der sofort ins Auge sticht. Ein Bild von Elfriede Kiewski aus dem Jahr 1978. Ein Hingucker allerdings ist auch Diane Jansings "Viertel im Wandel", mit dem die Buxtehuder Künstlerin 2012 den Wettbewerb "Künstler sehen Buxtehude" gewann. Das Beste: Sowohl den Jahrmarkt als auch Diane Jansings Bild könnte man, wenn man wollte, jetzt einfach von der Wand und mit nach Hause nehmen.

Beide Bilder hängen in der Buxtehuder Artothek. Sie funktioniert wie eine Bücherei. Gegen einen geringen Beitrag können Kunden sich Kunstwerke ausleihen. Eine Leihgabe für drei Monate kostet sechs Euro, bei sechs Monaten sind es zwölf Euro. "Man muss lediglich einen Leihvertrag unterschreiben und seinen Personalausweis vorlegen", sagt Susanne Wiegel. Als Mitarbeiterin der städtischen Fachgruppe Kultur und Tourismus gehört sie zu den Hauptverantwortlichen für Buxtehudes Leih-Galerie.

In den vergangenen zwei Jahren allerdings hat Susanne Wiegel keine Bilder an Kunden ausgeliehen, denn die Artothek war während und nach dem Umzug vom alten Standtort am Stavenort 5 ins Buxtehuder Rathaus geschlossen. Die umfangreichen Sanierungsarbeiten der denkmalgeschützten Räume im Rathaus dauerten 780 Tage. "Länger als erwartet", sagt Susanne Wiegel. "Aber die neuen Räumlichkeiten kamen bei der Eröffnung Mitte Februar sehr gut an." Im Rathaus hat die Artothek nun deutlich mehr Platz. "In den alten Räumen mussten wir viele Bilder aus Platzgründen in Regalen verstauen, hier kann man über 100 Bilder in Ruhe an der Wand betrachten", so Wiegel.

Herzstück der Artothek ist der große, helle Galerieraum, an dessen Wänden die Exponate besonders gut zur Geltung kommen. Doch schon auf dem Weg dorthin, in den Fluren und Büros des Buxtehuder Kulturbüros, sind Bilder und Skulpturen zu sehen. Stilistisch ist von zeitgenössischen Grafiken über Collagen, Radierungen und Aquarellen bis zu Ölbildern, Bleistiftzeichnungen und Kleinplastiken alles dabei. Die Vielfalt der Buxtehuder Artothek ist in der näheren Umgebung einmalig. "An Berlin oder Stuttgart kommen wir natürlich nicht heran", sagt Susanne Wiegel. "Aber für eine Kleinstadt haben wir schon einen guten Fundus." 515 Exponate gehören derzeit zum Bestand, der Gesamtwert der Kunststücke beläuft sich auf 104.891 Euro.

Dabei fing alles ganz klein an. Als die Artothek am 6. Juli 1984 eröffnet wurde, gehörte sie noch zur Stadtbibliothek in der Fischerstraße 2 und war lediglich einen Tag pro Woche geöffnet. 58 Bilder im Wert von 22.250 DM bildeten den Anfangsbestand - der komplette damalige Kunst-Bestand der Buxtehuder Verwaltung. "Die Idee war damals, dass man sich mit Kunst auseinandersetzen kann, auch ohne viel Geld ausgeben zu müssen", so Susanne Wiegel. "Außerdem sollten regionale Künstler durch die Artothek unterstützt werden."

Ein großer Teil der Exponate stammt noch heute von regionalen Künstlern. Der in Deinste geborene Arno C. Schmetjen, der zuletzt mit aus dem Industriekunststoff Carbon gefertigten Bildern und Skulpturen auf sich aufmerksam machte, ist genauso vertreten wie die aus Apensen stammende Künstlerin Dorota Albers. Sie hat dieses Jahr die Buxtehuder Kunstinsel gestaltet, die im April eingeweiht wird. "Die Kirche bleibt im Dorf", ein Werk der Buxtehuder Malerin Christa Mückes, gehört zu den zehn am häufigsten ausgeliehenen Werken der vergangenen Jahre, und auch das Bild "Angelehnt" von Imke Korth-Sander ist praktisch permanent entliehen.

Daneben besitzt die Artothek auch zahlreiche Werke von international bekannten deutschen Künstlern. Zum Beispiel von Maler und Bildhauer Otmar Alt, dessen farbenfrohe Arbeiten im vergangenen Sommer im Rahmen des "Otmar Alt Sommers" an vier Orten in Buxtehude zu sehen waren. Das wertvollste Exponat der Artothek ist Ralf-Rainer Odenwalds "Ausblick". "Das wurde damals in den Achtzigern für 600 Mark angekauft, als er noch jung und unbekannt war", verrät Susanne Wiegel. "Heute ist es 7700 Euro wert." Des Weiteren gehören Bilder von Günter Grass, Horst Janssen und Paul Wunderlich zum Bestand der Artothek.

Wer auf der Suche nach internationalen Künstlern ist, wird ebenfalls fündig. 76 Exponate der Buxtehuder Artothek stammen von internationalen Malern, zum Beispiel von dem italienischen Designer Alessandro Mendini, oder vom 2009 verstorbenen Verhüllungs-Künstler Christo. Liebhaber von Pop-Art können sich an Drucken der amerikanischen Künstler Andy Warhol und James Rizzi erfreuen.

Der Bestand der Artothek wächst jährlich. "Aufgrund unseres begrenzten Etats sind es meist zwei Bilder pro Jahr", so Susanne Wiegel. Dafür besucht sie gemeinsam mit Ivana Scharf, Fachgruppenleiterin Kultur und Tourismus, regelmäßig Galerien, Messen und Ausstellungen. Bei der "Affordable Art Fair" in Hamburg kauften die beiden im vergangenen Jahr das Bild "Flokati" von der Künstlerin Monika Radhoff-Troll. Das Werk wirkt auf den ersten Blick wie ein Teppich, besteht tatsächlich aber aus Plastikstreifen, die Radhoff-Troll aus Mülltüten gewonnen hat. "Es ist wichtig, dass wir mit der Zeit gehen und auch mal ganz neue Sachen anbieten", so Wiegel. "Denn wir haben Leihnehmer, die seit 1984 dabei sind."

Generell sind die Leihnehmer der Artothek bunt gemischt. "Unsere älteste Kundin war über 80", so Wiegel. "Als sie selbst nicht mehr kommen konnte, hat sie ihren Zivi geschickt. Und unsere jüngste Leihnehmerin war gerade mal vier Jahre alt." Regelmäßig sind in der Artothek Kindergartengruppen zu Gast, die sich für ihren Gruppenraum ein Bild aussuchen dürfen. "Allerdings hatte die Mehrheit sich für einen anderes Bild entschieden, nicht für den Favoriten des Mädchens. Am nächsten Tag kam sie dann mit ihren Eltern wieder und hat sich das Bild für ihr Kinderzimmer ausgeliehen."

Aber auch Banken oder Arztpraxen gehören zum Kundenstamm. Derzeit sind 80 Bilder aus dem Artothek-Bestand verliehen. Seit der Eröffnung im Jahr 1984 waren es insgesamt über 5300 Leihvorgänge. Für die Zukunft verspricht Susanne Wiegel sich noch mehr Zulauf. "Hier im Rathaus sind wir viel besser zu erreichen", sagt sie. "Seit der Wiedereröffnung haben wir acht Neukunden gewonnen. Außerdem kommen so vielleicht auch mal Touristen vorbei, die sich das Rathaus ansehen und einfach mal gucken wollen, was eine Artothek überhaupt ist."