Die traditionsreiche Segelmacherei Raap im Harburger Binnenhafen feiert am Freitag das Jubiläum ihres 75-jährigen Bestehens.

Harburg. - Wenn ein fertiges Produkt der Segelmacherei Raap im Harburger Binnenhafen zur Endkontrolle entfaltet wird, kann es in der 20 Meter langen Werkstatt am Kanalplatz 5 schon mal eng werden. "Die privaten Segelschiffe werden immer größer, die Segel logischerweise auch", sagt Geschäftsführer Clemens Massel. Eine räumliche Vergrößerung würde der 48-Jährige deshalb prinzipiell begrüßen. Aber nicht um jeden Preis. "Schließlich existiert die Firma bereits seit 1938. Und seit 1982 sind wir jetzt im Binnenhafen, wo wir uns sehr wohl fühlen", so Massel.

Am Freitag soll das 75-jährige Bestehen der Firma, die einst in der Moorstraße gegründet worden war, mit einem festlichen Empfang in der Werkstatt gefeiert werden. Eine illustre Gästeschar hat sich angesagt, darunter etliche Vorstände diverser Segelvereine. Vielleicht schaut sogar Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch vorbei. Auch er ist begeisterter Segler und Stammkunde bei Raap.

In Zeiten, in denen sich immer mehr kleine Handwerksbetriebe großen, international agierenden Segelmachereien anschließen und gern auch mal in Übersee produzieren lassen, gilt die Traditionsfirma Raap, die letzte von ehemals fünf Harburger Segelmachereien, fast schon als liebenswertes Relikt. "Wir wollen kundennah bleiben und konzentrieren uns deshalb auf Aufträge, die wir auch allein bewältigen können", sagt Massel. Statt Großsegler wie die "Gorch Fock" zu bestücken, stelle sein neun Mitarbeiter umfassendes Team lieber Segel für Elbschiffe, zunehmend auch für Hochseeyachten her: "Das Gros unserer weit mehr als 1000 Kunden stammt aus dem norddeutschen Raum bis hoch nach Dänemark."

Die Qualität der Raap-Segel hat sich herumgesprochen. "Übrigens weitgehend ohne Werbung", wie Massel nicht ohne Stolz betont. Als Anfang der 90er-Jahre die "Rainbow Warrior II", das zweite legendäre Greenpeace-Schiff, im Harburger Binnenhafen ausgerüstet wurde, zeichnete Raap für Teile der Takelage verantwortlich. Raap-Segel finden sich aber ebenso auf dem Övelgönner Museumsschiff "Moewe", der "Wilhelmine", dem maritimen Wahrzeichen Stades, und dem Fracht-Ewer "Heinrich von Greundiek", der ebenfalls in Stade liegt. Pro Jahr entstehen etwa 100 Segel in der Raap-Werkstatt. Einen doppelt so großen Anteil am Neugeschäft haben Persenninge, Yachtverdecke und Sonnensegel. Ein solches orderte im Herbst 2004 auch der russische Milliardär Roman Abramowitsch für seine 115 Meter-Luxusyacht "Pelorus". Nachdem er sie dem saudischen Staatsmann Al Sheik Modhassan abgekauft hatte, ließ er sie bei Blohm + Voss in Hamburg für zwölf Millionen Euro umbauen. Seitdem überspannt ein Raap-Sonnensegel den Grillplatz und die Bar auf dem Achterdeck.

Von der traditionellen Segelmacherei auf dem Schnürboden ist nicht viel geblieben bei Raap. Mitte der 80er-Jahre haben Computer das Aufmaß der Segel übernommen. "Seitdem entscheiden nicht mehr Gefühl und Erfahrung über die Lage der Abnäher, sondern ein Rechenprogramm", sagt Massel. Noch mehr standardisierte Sicherheit in die Profilierung der Segel sei Anfang der 90er gekommen, als neue, modernere Programme, zum Beispiel aus Neuseeland, eine zwei- und sogar dreidimensionale Darstellung ermöglichten.

"Die hat nicht nur für eine rasche visuelle Bestätigung der kreierten Segelform gesorgt, sondern auch den Verschnitt entscheidend reduziert", erläutert Massel.

Dieser Umstand war angesichts immer höherer Materialkosten ein ganz entscheidender Faktor, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Heute verarbeitet die Segelmacherei Raap atmungsaktive, fungizide Acryltuche mit einer hohen Wasserdichte und kunstharzbeschichtete Polyestergewebe, teilweise durchwirkt mit High-Tech-Fasern wie Karbon oder Kevlar für ambitionierte Regattasegler. Am liebsten ordert Massel sein Material im Inland. "Ich lebe in Deutschland, also kaufe ich auch hier ein, damit die hiesigen Produzenten ebenfalls ihr Auskommen haben", beschreibt er seine Philosophie.

Dass Massel sein Handwerk von der Pike auf gelernt hat, kommt der Firma heute zugute. 1981 hatte er als Lehrling bei Raap begonnen und sich bis 1990 zum Segelmachermeister qualifiziert, bevor er am 1. Januar 1996 Geschäftsführer wurde. Dabei liegt dem begeisterten Hobbysegler seine Profession vermutlich im Blut. Vater Joachim, ein ehemaliger Schlosser bei der New-York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie, hatte Anfang der 70er-Jahre in der heimischen Garage in Stelle selbst ein Segelschiff gebaut, das der Filius später übernahm. Massel: "Früher sind wir mit dem Boot bis Schweden hoch gesegelt. Heute belasse ich es aus Zeitgründen bei kleineren Touren zwischen Finkenwerder und Blankenese."

Mitfeiern wird am Freitag auch Jürgen Hertling-Raap, 70, der Stiefsohn des Firmengründers Johannes Raap. Ob das Familienunternehmen auch sein 100-Jähriges am Kanalplatz feiern wird, ist indes alles andere als gewiss. Das Grundstück gilt im prosperierenden Binnenhafen als begehrter denn je. Noch hat Eigner Jürgen Hertling-Raap allen Avancen widerstanden: "Sollte es jedoch geeignete alternative Flächen geben, schließen wir einen Umzug nicht mehr aus." Massel aber hofft, möglichst im Binnenhafen bleiben zu können: "Für die Segelmacherei wäre ein Standort direkt am Wasser natürlich ideal."